
Habeck lässt Graichen fallen – und nun?

Lange verteidigte der grüne Klimaminister seinen wichtigsten Mitarbeiter, dann wurde der Druck zu hoch. Die Trauzeugen-Affäre ist nur einer der Gründe. Was wird jetzt aus dem umstrittenen Heizungsgesetz?
Robert Habeck atmet schwer, es ist seine vielleicht schwärzeste Stunde als Politiker: Am Mittwoch verkündet der Wirtschafts- und Klimaschutzminister, dass er sich von seinem wichtigsten Mitarbeiter trennt. Energiestaatssekretär Patrick Graichen, Autor des Gesetzentwurfs, der als „Heizungs-Hammer" bekannt wurde, muss gehen. Habeck sagt: „Es geht darum, das Vertrauen in die Arbeit dieses Hauses zu erhalten."
Das war zuletzt massiv angeknackst. Denn Graichen, zuvor Chef der Denkfabrik „Agora Energiewende" und führender Kopf hinter Habecks klimapolitischen Vorhaben, steht im Zentrum von pikanten Filz-Vorwürfen. Er soll regelwidrig daran beteiligt gewesen sein, seinen Trauzeugen Michael Schäfer zum Chef der staatlichen Energieagentur Dena zu küren. Habeck verteidigte ihn lange und geriet dadurch selbst immer stärker in die Kritik. Die Entlassung begründet er am Mittwochmorgen dann auch nicht mit der "Trauzeugen-Affäre". Sondern mit einem weiteren Vorgang aus seinem Ministerium, der erst kürzlich bekannt geworden sei. „Es ist der eine Fehler zu viel", sagt Habeck.
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Nach Entlassung von Patrick Graichen entfacht Streit um Heizungsgesetz neu
Im November vergangenen Jahres hat Graichen, so berichtet es der grüne Minister, drei Entwürfe für Projekte für die Nationale Klimaschutzinitiative gebilligt. Durch seine Unterschrift wurde demnach auch ein Projekt des Berliner Landesverbandes der Naturschutzorganisation BUND als förderwürdig eingestuft. Es ging um 600.000 Euro an Staatsgeld, die aber bisher laut Habeck nicht ausgezahlt wurden. Das Heikle an der Sache: Graichens Schwester Verena ist stellvertretende Bundesvorsitzende des BUND, sitzt auch im Vorstand des Berliner Verbands, war bis 2021 dessen Vorsitzende. Sie ist zudem mit dem Grünen-Politiker Michael Kellner verheiratet, der Parlamentarischer Staatssekretär in Habecks Ministerium ist.
Wegen dieser Verbindungen hätte Patrick Graichen den Regeln des Ministeriums zufolge den Vorgang nicht entscheiden dürfen - er hätte ihm noch nicht einmal vorgelegt werden dürfen. Den Eindruck, dass ein auch familiär und privat miteinander verflochtenes Netzwerk rund um das Klimaschutzministerium einander Posten und Aufträge zuschanzt, konnten zuletzt auch andere Vorgänge erwecken. Etwa die Besetzung einer Kommission zur Überwachung der Energiewende, für die unter Beteiligung Graichens Felix Mathes ausgewählt wurde. Er ist Mitarbeiter des privaten Öko-Instituts, für das auch die Graichen-Geschwister Verena und Jakob arbeiten.
Unangenehm für Habeck sind zudem Berichte, die nicht Graichen, sondern einen anderen engen Vertrauten und Mitarbeiter betreffen. Udo Philipp, Grünen-Politiker und als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium für die staatliche Förderung von Start-up-Unternehmen zuständig, ist demnach selbst an mehreren solchen Firmen beteiligt. Wie das Portal Business Insider zuerst berichtete, dreht sich auch dieser Fall um mögliche Interessenkonflikte. Philipp selbst zufolge sei jedoch sichergestellt, dass er mit Entscheidungen zu diesen Unternehmen "nicht befasst werde". Doch die Regeln seien „wachsweich", so das Portal.

Die Union fordert nach der Graichen-Entlassung und den Berichten um Philipp weitere Aufklärung vom Bundeswirtschaftsminister und will ihn in eine Sondersitzung des Energieausschusses vorladen. „Robert Habeck muss jetzt umfassende Transparenz zu allen aufgeworfenen Fragen herstellen“, sagte der klima- und energiepolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Andreas Jung unserer Redaktion. „Die Durchlässigkeit der Brandmauern im Bundeswirtschaftsministerium hat eine Vertrauenskrise verursacht, die durch das Auswechseln von Staatssekretär Graichen nicht erledigt ist“, betonte der stellvertretende CDU-Vorsitzende. Es seien noch zahlreiche Fragen im Fall Graichen um die Neubesetzung des Postens bei der Deutschen Energieagentur Dena und ebenso zu neuen Vorwürfen gegen den Wirtschaftsstaatssekretär Udo Philipp offen, betonte Jung.
Gravierender für Habeck als die Kritik aus der Union dürfte indes das Verhalten des Koalitionspartners FDP sein. Denn während der Grüne das umstrittene Gebäudeenergiegesetz, das in weiten Teilen aus Graichens Feder stammt, nun rasch in trockene Tücher bringen will, treten die Liberalen auf die Bremse. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte, die FDP-Fraktion habe dazu noch „rund 100 Fragen" an Habeck. Solange die nicht beantwortet seien, könnten die Beratungen über das Gesetz nicht beginnen. Er halte eine Verabschiedung vor der Sommerpause für ausgeschlossen.
Was wird nach dem Graichen-Rausschmiss aus dem umstrittenen Heizungsgesetz?
Ohne seinen wichtigsten Berater könnte es für Habeck schwer werden, im Sturm um das Heizungsgesetz zu bestehen. Wer Graichen nachfolgt, ist offen. Als mögliche Kandidaten gehandelt werden etwa Tobias Goldschmidt, der als grüner Umweltminister von Schleswig-Holstein in die Fußstapfen Habecks getreten war, oder Kerstin Andreae. Die Grünen-Politikerin war unter anderem Fraktions-Vize im Bundestag und ist heute als Lobbyistin in der Energie- und Wasserwirtschaft tätig.
Als bislang am wahrscheinlichsten gilt aber, dass sich Habeck mit Netzagentur-Chef Klaus Müller einen seiner engsten Vertrauten noch näher an seine Seite holt. Er und Habeck haben ebenfalls eine gemeinsame Vergangenheit in der Landespolitik von Schleswig-Holstein, Müller war dort bis 2005 Umweltminister, leitete später die Verbraucherzentrale, bevor Habeck ihn vor gut einem Jahr zum Leiter der Bundesnetzagentur machte. Wann die Personalie entschieden wird, ist offen, klar ist offenbar nur eines: „Ich werde sicherlich nicht meinen Trauzeugen berufen", sagt Habeck bei der Pressekonferenz auf eine Frage zur Graichen-Nachfolge. Doch bitterer Humor allein wird den einstigen Polit-Superstar der Grünen nicht zurück auf die Erfolgsspur bringen. Ob Habeck mit der Entlassung seiner „rechten Hand" wirklich den Befreiungsschlag geschafft hat, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.
Die Diskussion ist geschlossen.
Patrick Graichen, den ich in Berlin als einen der kundigsten Energiewendemacher erlebt habe, hat zwei dumme formale Fehler gemacht. Vor etwa einem halben Jahr sagten mir Berliner Insider: Der arbeitet von früh bis spät an den Gesetzesvorlagen, um endlich die Energiewendebremsen zu lösen. Der sieht jedoch jetzt sehr schlecht aus. Hoffentlich steht er das gesundheitlich durch.
Insofern habe ich menschlich Verständnis für seine zwei Fehler.
Übel, dass jetzt diejenigen, die jahrelang die Energie- einschließlich der Wärmewende blockiert haben und dadurch mit Blick auf die heraufziehenden Klimakatastrophen schwerste Schuld persönlich auf sich geladen haben, ihr Versagen fortsetzen und die aufwändige Wärmewende missbrauchen, um Wahlkampfmunition zu sammeln. In Bayerns Klimaschutzgesetz steht, dass Bayern 2040 klimaneutral sein soll. Warum, Herr Söder, sagen Sie dann nicht allen, dass damit schon vor 2040 die fossilen Heizungen auch in Bayern abgestellt sein müssen? Dass man jetzt keine neuen Öl- und Gasheizungen einbauen soll? Warum, FDP, hören wir von Ihnen keine Vorschläge, wie man die notwendige Heizungsumstellung besser machen könnte? Nur Allgemeinplätze wie „technologieoffen“ ohne Abschätzungen, welche Technologien in den nächsten Jahren zu wie viel CO2 und zu wie vielen Kosten führen werden. Wasserstoffheizungen werden nach allem, was ich gelesen habe, auch in 10 und 20 Jahren unsere Gebäude um ein Mehrfaches teurer als Wärmepumpen heizen.
Raimund Kamm
Es läuft wohl auf Klaus Müller. Der hat genauso gute Ideen wie Graichen.
"Um einen Blackout zu vermeiden: Netzagentur-Chef will das Laden von E-Autos notfalls drosseln".
Wie die Grünen alles gegen die Wand fahren für einen nationalistischen Klimaschutz, entbehrt jeder Logik.
>>> Ich werde sicherlich nicht meinen Trauzeugen berufen"<<<
Versucht er jetzt noch witzig zu sein? Anscheinend hält er es für ein lustiges Spiel der feine Herr Habeck.
Kein Tag vergeht an dem nicht irgendetwas negatives über die Grünen ausgegraben wird und nebenbei gibt dann noch Emilia Fester, die zwölfjährige wählen lassen möchte, ihr Wissen wieder was wohl einer zwölfjährigen entspricht.
Ob der Herr Minister das auch Lustig findet? Was stimmt bei den Grünen eigentlich nicht?
Da hilft nur abwählen. Die (edit/mod/NUB 7.2/lassen Sie doch mal bitte diese andauernden Hasstiraden sein und argumentieren Sie sachlich!) muss unter die 5 Prozent Hürde fallen.
Kein Tag vergeht, ohne dass neue Verleumdungen gegenüber Grünen-Politikern in die Welt gesetzt werden und Leute wie Sie verbreiten diese willfährig.
(edit/mod/NUB 7.2)
Haben Habeck/Graichen etwas mit dem Verkauf von Vissmann nach Amerika zu tun?
@HERBERT L. Hier wirst Du darauf keine Antwort bekommen.