Als wälzten die deutschen katholischen Bischöfe nicht schon genug schwierige Themen hin und her: Kurz vor Beginn ihrer Herbst-Vollversammlung in Wiesbaden ist noch eines dazugekommen, eines mit besonderer politischer Sprengkraft. Es ist der Umgang der Kirche mit der AfD. Auslöser: ein am Mittwoch veröffentlichtes Interview, das der Augsburger Bischof Bertram Meier unserer Redaktion gab. In dem sprach er sich zweieinhalb Wochen vor den Landtagswahlen in Bayern zwar dafür aus, "die politischen Kräfte zu stärken, die Menschlichkeit, Versöhnung, Frieden und soziale Gerechtigkeit vertreten". Für anhaltende Kritik nicht nur in Kirchenkreisen sorgte allerdings seine Antwort auf die Frage, ob ein AfD-Mitglied kirchliche Ämter wie das des Lektors übernehmen dürfe. "Eine Parteimitgliedschaft allein ist kein Kriterium, Menschen auszuschließen", erklärte Meier.
Die Reaktionen fielen scharf aus. Noch dazu hatte am selben Tag das Kompetenzzentrum Demokratie und Menschenwürde der Katholischen Kirche Bayern in einer Pressemitteilung alle katholischen Verbände und Bistümer aufgerufen, dass Mitglieder der AfD keine Laienämter wahrnehmen dürften. "Die im Kern menschenfeindliche Ideologie der AfD steht im fundamentalen Widerspruch zur christlichen Ethik", hieß es. Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller warf Meier vor, er mache sich zum "Steigbügelhalter für eine breiter werdende gesellschaftliche Akzeptanz von Rechtsradikalen". Die Juristin und Publizistin Beatrice von Weizsäcker kritisierte am Freitagabend bei einer Podiumsveranstaltung in Augsburg Meiers Aussagen als "blamable Entgleisung".
Bätzing über Meier: "Ich bin sehr davon überzeugt, dass Bischof Meier kein Freund der AfD ist"
Schließlich legte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, am Sonntag via Bild nach: Es sei "problematisch, sich in der AfD zu engagieren und eine Aufgabe in der Kirche" auszuüben, sagte er, ohne Meier beim Namen zu nennen. Dies passe "alleine schon vom christlichen Menschenbild nicht zusammen". Kirche werde so "unglaubwürdig".
Am Montagnachmittag bekräftigte er in Wiesbaden vor Journalistinnen und Journalisten seine Worte. Es sei Aufgabe der Kirche, hier deutliche Worte zu finden. Auch mit Blick auf das vor vier Jahren von der Bischofskonferenz veröffentlichte Papier "Dem Populismus widerstehen" sagte Bätzing: Die Positionen der AfD und der Kirche seien unvereinbar. "Wir haben es nicht mit einer Partei zu tun, die eine Alternative für Deutschland ist, sondern die ein alternatives Deutschland will, ein fremdenfeindliches, ein anti-europäisches, ein nationalistisch aufgestelltes Deutschland". Auf Nachfrage zu Meier sagte er, es sei nicht seine Aufgabe, die Ansichten seiner Mitbrüder zu qualifizieren. Es gebe unterschiedliche Einschätzungen, er glaube aber, diese seien nicht weit auseinander. "Ich bin sehr davon überzeugt, dass Bischof Meier kein Freund der AfD ist."
Es besteht also Gesprächsbedarf, unverändert ebenfalls beim Thema Kirchenreformen sowie beim Thema Missbrauchsaufarbeitung fünf Jahre nach Erscheinen der "MHG-Studie", die das Ausmaß sexueller Gewalt in Reihen der Kirche erahnen ließ. Derweil ist ein weiteres "Denkmal" der katholischen Kirche gestürzt, und das im Wortsinne. Die Statue, die zu Ehren des 1991 gestorbenen Kardinals Franz Hengsbach am Essener Dom aufgestellt worden war, wurde am Montagmorgen abmontiert. Hengsbach wird vorgeworfen, in seiner Zeit als Weihbischof in Paderborn in den 50er Jahren eine 16-Jährige sexuell missbraucht zu haben. Bätzing sprach von einer "Qualität, die wir bisher nicht hatten", und hielt Hengsbach "verbrecherisches Verhalten" vor. Nun müsse alles auf den Tisch.
Die Entscheidung, die Statue entfernen zu lassen, hatte das Essener Domkapitel einvernehmlich getroffen. An ihrer Stelle könnte ein Gedächtnisort für die Opfer sexuellen Missbrauchs geschaffen werden. Am vergangenen Dienstag hatte Bischof Franz-Josef Overbeck erklärt, dass gegen den Gründerbischof seines Bistums Essen "gravierende Missbrauchsvorwürfe" bekannt geworden seien. Overbeck rief mögliche weitere Betroffene dazu auf, sich bei den unabhängigen Ansprechpersonen des Bistums zu melden. Später bat er in einem Brief an die Gemeinden um Entschuldigung für Fehler im Umgang mit den Hengsbach-Vorwürfen. So habe er 2011 durch das Erzbistum Paderborn von einem ersten Missbrauchsvorwurf erfahren und nichts weiter unternommen – nachdem ihm die Kongregation für die Glaubenslehre in Rom zurückgemeldet habe, dass diese die Vorwürfe für nicht plausibel halte. Am Sonntagabend sagte Overbeck dann dem WDR, dass sich offenbar bereits weitere Betroffene gemeldet hätten.