
Hat sich die gesellschaftliche Mehrheit wirklich nach rechts verschoben?

Das Hoch der AfD wirft die Frage auf, ob die etablierten Parteien womöglich an großen Teilen der Bevölkerung vorbeiregieren.
Deutschland ist ein Land, das seine Mitte sucht. Und immer mehr Menschen haben aufgrund der jüngsten AfD-Erfolge in Umfragen und Kommunalwahlen - die Partei stellt künftig nicht nur einen Landrat, sondern auch einen Bürgermeister im Osten - den Eindruck, dass sich diese Mitte nach rechts verschoben hat. Was die Zustimmungswerte angeht, liegen die konservative Union und die rechtspopulistische AfD schließlich auf den Spitzenplätzen. Erlebt Deutschland also tatsächlich einen Rechtsruck?
Jörg Schönenborn, der seit vielen Jahren für die ARD gesellschaftliche Strömungen und Wählerwanderungen analysiert, hat sich auch mit dieser Frage beschäftigt. "Wo die Mitte ist, lässt sich wissenschaftlich schwer beantworten. Was wir aber ermitteln können, ist, wo die Menschen die verschiedenen Parteien auf einer Links-Rechts-Skala einordnen und wo sie sich persönlich sehen. Und da haben wir schon zur Bundestagswahl 2017 gemessen, dass die Mehrheit die Bürgerinnen und Bürger sämtliche Parteien außer der AfD etwa beim Thema Zuwanderung eher links von ihrem eigenen Standpunkt verortet hatte", sagt Schönenborn im Gespräch mit unserer Redaktion. Insofern lasse sich ein Rechtsruck nicht belegen, eher hätten sich die Positionen der etablierten Parteien in den Jahrzehnten zuvor leicht nach links von der Mitte verschoben, sagt der Mann, den Fernsehzuschauer als Moderator langer Wahlabende kennen.
Wahlexperte Jörg Schönenborn sieht den Schlüssel in der Flüchtlingsfrage
Bewusst fokussiert sich Schönenborn auf die Zuwanderung. Denn auch wenn zuletzt vor allem der Streit um das Heizungsgesetz, hohe Preise und der Krieg in der Ukraine den Blutdruck der Deutschen steigen ließen, ist aus seiner Sicht noch immer die Flüchtlingsthematik der entscheidende Grund für das AfD-Hoch. Tatsächlich sind die Werte der rechten Partei schon seit dem vergangenen Sommer gestiegen - beinahe parallel mit den Zuwanderungszahlen. "Obwohl der Anstieg der Flüchtlingszahlen medial eine geringere Rolle spielt als 2015 oder 2016, treibt das sehr viele Wählerinnen und Wähler um. Wir wissen: Der Zuzug von fremden Menschen und was er für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland bedeutet, macht der Hälfte der Bevölkerung Sorgen."
Aus Schönenborns Sicht ist es weniger Protest, sondern vor allem Angst, die die Stimmung nach rechts kippen lässt. "Was es definitiv gibt, sind linke und rechte Themen. Ein linkes Thema war immer Gerechtigkeit, verbunden mit dem Versprechen auf sozialen Aufstieg. Das wird heute aber überlagert von der Angst vor sozialem Abstieg. Und hier glauben immer weniger Menschen an das Versprechen, dass sich der Staat um sie kümmern wird. Im Gegenteil: Viele haben das Gefühl, es werde an ihnen und ihren Sorgen vorbeiregiert. Das gilt für das Thema Heizungsgesetz genauso wie für die Zuwanderung, die eher als rechtes Thema gilt."
Immer mehr AfD-Wähler kommen aus dem bürgerlichen Lager
Mit Zahlen untermauern kann Norbert Schäuble den Blick auf die Gesellschaft. Sein Sinus-Institut untersucht die Milieus im Land und erforscht, wo sie sich politisch verorten. Die jüngste Studie kommt zu dem Ergebnis: Die AfD bekommt immer mehr Zuspruch auch in jenen Bevölkerungsgruppen, die als die Mitte der Gesellschaft gelten, also im bürgerlichen Segment. 56 Prozent der AfD-Wählerinnen und -Wähler stammen inzwischen aus diesem Milieu. "Ich würde noch nicht sagen, dass die Gesellschaft insgesamt nach rechts driftet", sagt Schäuble. Der AfD gelinge es stark, bisherige Nichtwähler zu mobilisieren. Doch genau das kann einen Prozess in Gang setzen: "Dabei gilt auch, der Erfolg nährt den Erfolg mit aktuellen Wahlergebnissen", sagt der Forscher. "Neu ist allerdings, dass die AfD nun auch stärker in der modernen gesellschaftlichen Mitte akzeptiert wird."
Die Diskussion ist geschlossen.
wenn ich gesichert die Mitte bin und alle wandern extrem nach links, bin ich dann rechts - oder vielleicht sogar gesichert extrem rechts, obwohl ich nachweisen kann, dass sich mein Standpunkt überhaupt nicht geändert hat: das einzige was sich eventuell geändert hat, ist die Windrichtung oder die Meteorologen, die definieren woher und wohin der Wind weht.
Wenn eine Gesellschaft das Vertrauen, den Halt in ihre Politik verliert, dann wehrt sie sich.. einige sind wütend, andere ziehen sich zurück, verstummen und andere wandern aus.. Was bei uns am schlimmsten ist, das der Respekt untereinander, allgemein bei allen verloren gegangen ist.. Es wird jeder gegen den anderen ausgespielt.. heute ist es diese Generation, morgen ist es diese Nationalität.. es findet sich immer etwas.. und das ist bei so vielen Menschen das schlimmste was man machen kann.. Siehe Frankreich, Italien.. überall brennt es.. und dass sich dadurch eine Partei wie die AFD gründet ist dann normal..
An alle Angsthasen :)))) Ich unserer Gesellschaft hat sich was die politische Einstellung angeht nichts verändert. Verändert hat sich augenscheinlich der Inhalt bzw. die Deutung der politischen Einordnung. Extrem links, links, Mitte, rechts, extrem rechts ist heute mit anderen Attributen gefüllt als noch vor 20-30 Jahren +.
Kann einer der in Deutschland Brandmauern baut Kanzler werden ?
"Das Hoch der AfD wirft die Frage auf, ob die etablierten Parteien womöglich an großen Teilen der Bevölkerung vorbeiregieren."
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Warum zum Beispiel wird keine Volksabstimmung über das Thema "ungeregelte Massenzuwanderung" durchgeführt?
Weil die Politiker genau wissen, was dabei rauskommen würde...........................................................
@Viktori R.: Nein. Volksentscheide/Volksbegehren auf Bundesebene sind nur für einen Fall vorgesehen - und für sonst nichts.
Man könnte auch eine Abstimmung "Freibier für alle" machen - kommt das gleiche dabei raus :)
So ein Unsinn, die Gesellschaft hat sich nicht nach rechts verschoben, aber sie ist noch nicht gänzlich verblödet und erkennt was falsch läuft und reagiert.
... eher selten, dass ich Ihrer Meinung bin, aber hier, ja!
Ein nicht unbeachtlicher Teil der Bevölkerung hat den Eindruck, daß zumindest einzelne Politiker der Ampel sich nicht für die Meinung der Wähler und deren Sorgen interessieren, sie gegenüber anderen hinten anstellen.
Einige dürften auch den Eindruck haben, dass Deutschland mit dem Segen der Politik international ausgeplündert wird.
Kleiner Schwank am Rande.
Deutschland betreibt in Polen gemeinsam mit der Ukraine Allianz ein Reparatur Zentrum für die westlichen Panzer. Die Polen reparieren und Deutschland bezahlen soll.
Jetzt ist aufgekommen, dass die Polen Deutschland wesentlich mehr berechnen will, als deutsche Rüstungsbetriebe verlangen würden.
Steht wo auf NTV.
Die Mehrheit der Gesellschaft war nie anderswo. Die Parteien haben sich entlang des grünen Mainstreams immer weiter von ihren Wählern entfernt. Inzwischen hat doch der letzte Wähler verstanden, dass er von der Politik in seiner Existenz bedroht wird. Das ist nichts abstraktes. Siehe Frankreich...
https://focus.de/198104969
Das hätten Sie wohl gerne, dass die Mehrheit der Gesellschaft rechts wäre. Wo soll ich als Wähler denn in meiner Existenz bedroht sein von der Politik? Solange keine Rechtspartei das Sagen hat ist das ganz sicher nicht der Fall. Ihr Vergleich mit Frankreich ist der gleiche Käse, denn Frankreichs Probleme liegen auf einem völlig anderen Sektor.
Bedroht würde ich mich nur fühlen, wenn die AfD oder eine gleichgeartete Gruppierung das Sagen in Deutschland hätte. Bis zum letzten Wähler ist es schon noch ein Stück weit hin.
"Das hätten Sie wohl gerne"
Dann ist die Union also links? Das kann man ja nicht mehr ernst nehmen. Eine "kulturelle Vielfalt" führt gerade zum Kulturkampf in Frankreich. Aber alles hat mit nichts zu tun in Ihrer ideologischen Welt.
Bedroht? So lange unsere Verfassung gilt fühle ich mich um keinen Deut bedroht. Und die wird Extremisten jeder Couleur überdauern.
in meiner Existenz bedroht? zeigen Sie mal Beispiele auf, bedroht würde ich mich fühlen, wenn die AFD das Sagen hätte, und was Frankreich betrifft, schließe ich mich Walter K.s Meinung an
@Nicola L.
Nicht die kulturelle Vielfalt führt zum Kulturkampf in Frankreich, sondern die soziale Ungleichheit. Die Ursachen in Frankreich sind mit den Verhältnissen in Deutschland nicht vergleichbar. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Zerfall der nordafrikanischen Kolonien wurden Leute aus den ehemaligen Kolonien nach Frankreich geholt. Allerdings hat man irgendwie vergessen, an Integration und vor allem Gleichberechtigung dieser und der folgenden Generationen zu arbeiten. Die französische Staatsangeöhrigkeit allein hat die Missstände nicht beseitigt.Die Probleme ist geblieben und die soziale Schieflage entlädt sich immer wieder, wenn so etwas passiert wie mit dem jungen Mann, der erschossen wurde.
Auch hier ist es die soziale Schieflage, die die Existenz einzelner bedroht. Die Politik kann kann manches abfedern z.B. durch das Bürgergeld, aus der Welt schaffen kann sie nicht alles. Das wird auch die AfD nicht können, selbst wenn die alles verspricht, nur um an Wählerstimmen zu kommen. Was Sie zeichnen, ist ein Bild des absoluten Untergangs, und da liegen Sie doch sehr daneben.
"Allerdings hat man irgendwie vergessen, an Integration und vor allem Gleichberechtigung dieser und der folgenden Generationen zu arbeiten."
Typische Täter - Opfer Umkehr. Mir fehlen die Worte über so viel fehlendes Unrechtsbewußtsein.