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Interview
13.11.2023

Karl-Theodor zu Guttenberg: Ich habe mit meinem damaligen Scheitern Frieden geschlossen

Karl-Theodor zu Guttenberg sieht heute anders aus als zu seiner Zeit als Minister. Er geht mit seinem Scheitern offen um.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa

Der einstige CSU-Spitzenpolitiker führt ein anderes Leben. Er schreibt Texte über die Poesie des Alltags. In die Politik möchte er unter keinen Umständen zurückkehren.

Herr Guttenberg, Sie sehen anders aus als zu Minister-Zeiten. Manchmal werden Sie für Ihren fränkischen Landsmann, die Fußball-Legende Lothar Matthäus gehalten.

Karl-Theodor zu Guttenberg (lacht): Das mit Matthäus sehe ich entspannt. Manchmal schaut mich auch einer an und sagt: Irgendwie kenne ich sie. Sie san doch der Scheuer, nein Sie san der Dobrindt, auf alle Fälle einer aus dem CSU-Klub. Oft werde ich aber gar nicht mehr erkannt. 

Das ist Ihnen durchaus recht. Sie tarnen sich auch gut. 

Guttenberg: Es ist mir sehr recht. Jetzt, wo es wieder kälter ist, sitze ich schon mal mit Pudelmütze und Laptop auf einer Parkbank. Diese ist für mich gelegentlich zum verlängerten Schreibzimmer geworden. Es gibt keinen öden Moment in einem Park. Dort beobachte ich Menschen, komme mit ihnen ins Gespräch und schreibe immer wieder kleine Texte. Einige habe ich zunächst auf dem Business-Netzwerk LinkedIn veröffentlicht. 

Inzwischen ist daraus das Buch mit dem Titel „3 Sekunden. Notizen aus der Gegenwart“ geworden. Sie erkunden die Poesie des Alltags und versuchen wie Goethes Faust den Augenblick zum Verweilen zu überreden, was ein schwieriges Unterfangen ist. Was hat es mit den drei Sekunden auf sich? 

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Guttenberg: Neurowissenschaftler haben, wie ich gelesen habe, herausgefunden, dass Menschen maximal eine Zeitspanne von drei Sekunden als Gegenwart, also „genau jetzt“ empfinden. Davor erstreckt sich das „Eben noch“. Darauf folgt das „Jetzt-sofort“. So verbinden drei Sekunden Vergangenheit und Zukunft, ja machen unser Leben aus. Aus diesem Bewusstsein heraus versuche ich literarische Miniaturen zu formen. Mich hat überrascht, dass diese Texte ausgerechnet auf LinkedIn, was ja ein Karriere-Netzwerk ist, auf so großes Interesse gestoßen sind. 

Manche kritisieren aber, Ihre Texte hätten auf LinkedIn nichts zu suchen, schließlich gehe es hier um Business. 

Guttenberg: Jeder von uns ist einem Alltag ausgesetzt, auch Manager. Nur nehmen sich wenige die Zeit, über die scheinbar normalen Dinge im Leben zu reflektieren. Mir bereiten solche Reflexionen Freude und erlauben ein Innehalten in dieser verrückten Welt. Meine Umgebung fasziniert mich. Nichts ist für mich mehr langweilig, kein Moment meines Alltags. Wenn das Kleine, vermeintlich Unwesentliche wesentlich wird, entfaltet das eine große Kraft. Ich habe das Staunen wiederentdeckt. Das war ein Lernprozess. Aber es half mir, nach einem teilweise verrückten Leben in die Normalität zurückzukehren. 

Sie schreiben etwa über Begegnungen beim Bäcker, Sie beobachten Theater-Hintereingänge in New York, outen sich als Fan der ZDF-Sendung „Bares für Rares“ und bekennen sich zu Ihren Vorurteilen. 

Guttenberg: So hatte ich bei einer Taxi-Fahrt an der Cote d‘Azur Angst, ausgeraubt zu werden, als der Fahrer plötzlich in einer sehr zweifelhaften Gegend anhielt. Er sagte, ihm sei der Strom ausgegangen, er müsse nachladen. Am Ende kam noch der Bruder des Fahrers, was meine Ängste nicht kleiner werden ließ. Doch der Bruder brachte mir einen Kaffee und etwas zu essen. Beide haben mich dann, damit ich mich sicherer fühle, zusammen zu dem Ort gefahren, wo ich hinmusste. So schnell kann sich ein Hebel in einem umlegen. Menschen sind oft anders als sie scheinen. Fast jedem Menschen wohnt eine enorme Tiefe inne. Es lohnt sich, anderen offen zu begegnen und sie nicht nur als beschriebene Figur wahrzunehmen. 

Warum teilen Sie solche Erlebnisse ausgerechnet auf einem sozialen Netzwerk, wo verbaler Vandalismus nicht ausbleibt? 

Guttenberg: Ich habe lange gezögert, ob ich das tun soll und mich dort absehbar beschimpfen zu lassen. Der Ton im Netz ist gelegentlich rau. Aber: Ich lasse mich gerne begründet kritisieren. Hierfür liefere ich auch regelmäßig gute Gründe. Der Unterschied zu früher ist: Mich belastet es nicht mehr, wenn ich verletzende Kritik einstecken muss. 

Belastet Sie solche Kritik wirklich nicht mehr? Kritik tut doch weh.  

Guttenberg: Nicht mehr. Das war nicht immer so. Irgendwann habe ich aber erkannt: Ich muss mich nicht mit den Augen meiner Gegner sehen. Manchmal gehe ich auf sie zu. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich mit Menschen, obwohl sie Anstoß an mir nehmen, ins Gespräch kommen kann, schreibe ich sie nicht öffentlich auf LinkedIn, sondern privat an. Nicht selten korrigieren diese Menschen sogar öffentlich ihre Meinung. 

Ein Bild aus alten Zeiten: So sah Karl-Theodor zu Guttenberg 2009 aus.
Foto: Gero Breloer, dpa

Der neue Guttenberg schreibt offen über seine Schwächen und Unsicherheiten, ja Sie haben eingestanden: „Auch mir sind Depressionen nicht fremd.“ Und Sie räumen ein: „Ich wurde gnadenlos überschätzt.“ 

Guttenberg: Alles richtig. Für meine Texte und Äußerungen gilt: Ich versuche authentisch und ohne Koketterie auch Schwächen zu offenbaren. Das beinhaltet konsequenterweise Ängste und Aspekte meines Seelenlebens. 

Sie haben offen gestanden, dass Sie die Verdrängung Ihrer Depressionen „wahrscheinlich für die große Politik noch untauglicher gemacht hat“. Ist Ihnen das nicht schwergefallen? 

Guttenberg: Am Ende musste ich mich weniger als gedacht überwinden, über meine früheren Depressionen zu sprechen, also die Zeit, als mich auch düstere Gedanken bestimmt haben. Ich habe mir damals fachlichen Rat geholt und so die Depressionen überwunden. In den USA, wo ich zehn Jahre bis zu meiner Rückkehr nach Deutschland gelebt habe, gehen die Menschen offener mit dem Thema um. Sie empfehlen sich Psychologinnen und Psychotherapeuten wie Menschen sich bei uns Tipps für einen guten Rücken-Spezialisten geben. In Deutschland wird das Thema „Depression“ nach wie vor viel zu verschüchtert diskutiert, dabei bräuchte es eine viel größere Aufmerksamkeit, schließlich handelt es sich um eine Volkskrankheit, die Millionen Menschen betrifft und die sich erfolgreich behandeln lässt. 

Sie scheinen sich auch ein Stück weit mit Selbstironie therapiert zu haben. 

Guttenberg (lacht): Oh ja! Was gibt es Schöneres, als über sich selbst zu lachen! Das macht das Leben nur vergnügter. Und es gibt nun wirklich genügend Anlässe, sich selbst aufs Korn zu nehmen. Vor wenigen Tagen war ich bei einer Podiumsdiskussion, wo eine Professorin sagte, sie habe ihre Doktorarbeit über das Scheitern geschrieben. Ich entgegnete in einem raren Moment von Schlagfertigkeit: „Und ich bin an meiner Doktorarbeit gescheitert.“ Wir mussten alle herzlich lachen. 

Sie gehen mit dem Thema inzwischen entspannt um und zitieren Leute, die sich fragen, ob Sie das neue Buch wirklich auch selbst geschrieben haben. 

Guttenberg: Auf solche Fragen antworte ich fröhlich, dass mein Lebensbedarf, mich mit fremden Federn zu schmücken, als gedeckt gelten darf. Selbstironie hilft bei schweren Lebensbrüchen. Man muss jedoch auch ihre Grenzen kennen, wird sie einem doch schnell als Koketterie ausgelegt. 

Der Linken-Politiker Gregor Gysi, mit dem Sie sich gemeinsam regelmäßig in einem Podcast austauschen, ist ein Meister der Selbstironie. 

Guttenberg: Gysi beherrscht diese Kunst. Er steckt aber noch immer im politischen Räderwerk, aus dem ich mich zum Glück 2011 mit meinem Rückzug vom Amt des Verteidigungsministers befreien konnte. Gysi und ich mochten und schätzten uns immer. Auch als ich noch Minister war, bewunderte ich seine intellektuelle Kraft und seinen Humor, selbst wenn ich in vielen Punkten diametral anderer Ansicht als er war. Als bei mir die Idee aufkam, einen Podcast aufzunehmen, fragte ich Gysi, ob er Lust auf dieses Format hätte. Obwohl ich ihn während meiner US-Zeit lange nicht sah, hat es gleich wieder zwischen uns beiden geklickt. Wir sind, das glaube ich sagen zu können, streitlustige Freunde geworden. 

Lässt Sie der intensive Kontakt mit dem Linken Gysi politisch nach links rücken? 

Guttenberg: Ich bin politisch schwer zu verorten. Ich bin kein klassischer Konservativer. Ich fühle mich in der politischen Mitte zu Hause. Manchmal identifiziere ich mich mit eher linken und manchmal mit wertkonservativen Haltungen. Ich lasse mich nicht mehr in ein Lager zwängen. 

Ein Bild aus den Zeiten, als Karl-Theodor zu Guttenberg noch Verteidigungsminister war. Er sprach damals auf einer CSU-Veranstaltung.
Foto: Claudia Steinle

CSU-Mitglied bleiben sie aber schon? 

Guttenberg: Ich bin nach wie vor Mitglied, auch wenn ich manchmal herzlich lachen muss, so etwa, als ich zu meinem letzten Geburtstag vom CSU-Generalsekretär ein Glückwunschschreiben bekam, in dem mir auch die Gratulation von Ministerpräsident Markus Söder ausgerichtet wurde. Ich bekam einen 5-Euro-Gutschein für den CSU-Fan-Shop. Da muss ich mit einer Bestellung noch warten, weil der Mindestbestellwert bei 20 Euro liegt. Der Meterstab „Markus Söder“ kostet schon 5,49 Euro und der Hoodie „Immer locker, flockig bleiben“ 29,99 Euro. 

Sie wirken mit 51 Jahren nach einem langen Auf und einem krachenden Ab mit sich im Reinen. Sind sie ganz und gar ein gelassener Mensch geworden oder ist auch Show dabei? 

Guttenberg: Ich bin bei mir angekommen. Mein Wohlbefinden ist nicht mehr vom Applaus oder vom Wohlwollen anderer abhängig. Aber eine Sache fordert meine Gelassenheit heraus: Mich besorgt die Tonalität, auch die Unversöhnlichkeit in unserer Gesellschaft, dieser unbedingte Wille, sofort den nächsten verbalen, vernichtenden Schlag zu setzen. 

Da landen wir bei der AfD, die mit allerlei verbalen Schlägen und Lockrufen immer mehr Menschen auf ihre Seite zieht, selbst zunehmend junge Leute über geschicktes Marketing via die soziale Plattform TikTok. 

Guttenberg: Was diese Partei wirklich verstanden hat, ist das Nutzen sozialer Medien, auch für ihre rechtsextremen Zwecke. Das geschieht teilweise in perfider Form. Ich bin sehr erstaunt, dass die Parteien der Mitte diesen Gong bisher nicht gehört haben. Sie müssten soziale Medien kreativer und intensiver nutzen, um überhaupt noch die Breite der Bevölkerung zu erreichen. 

Kann man so den AfD-Höhenflug zumindest etwas abbremsen? 

Guttenberg: Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Insbesondere gilt es, junge Menschen von Alternativen in der demokratischen Mitte zu überzeugen. So hat mich überrascht, dass Herr Gysi und ich, also zwei vergleichsweise alte Säcke, mit unserem Podcast bei TikTok viele Millionen Aufrufe erzielt haben. Die Zahl konnte ich kaum fassen, machen wir das doch noch nicht lange. Das Beispiel zeigt: Man kann die Jugend auch mit anderen Inhalten erreichen. Da müssen wir uns nicht gleich verschüchtert und erschüttert aus Angst vor der AfD in die Büsche schlagen. Wir können dagegen halten. Wir dürfen uns auch nach den jüngsten Wahlerfolgen der AfD nicht lähmen und überwältigen lassen. Andererseits: Wie viele Weckrufe sollen die Parteien der Mitte noch bekommen, ehe sie handeln und der AfD entgegenwirken? Am schlimmsten wäre es, wenn wir uns paralysieren ließen. Denn genau darauf setzt diese Partei. Wir müssen alle handeln, nicht nur die Politiker. 

Einige Ihrer Leser auf LinkedIn wünschen sich nichts sehnlicher, als dass Karl-Theodor zu Guttenberg in den Zirkus der Politik zurückkehrt. 

Guttenberg: Warum sollte ich? Meine Zeit ist vorbei. 

Man soll niemals nie sagen. 

Guttenberg: Ich weiß schon, ich kann 17 Mal sagen, dass mein Abschied endgültig ist, und einige wollen einfach nicht daran glauben. Ich frage mich, wie oft ich das noch betonen muss. Und ich hatte, als ich noch Verteidigungsminister war, bereits vor, im Jahre 2013 aus der Politik auszusteigen. Nun musste ich eben schon 2011 gehen. 

Schmeichelt es Ihnen nicht, dass manche dennoch Ihr politisches Comeback einfordern? 

Guttenberg: Ich finde das eher überraschend. Mein Ausscheiden aus der Politik liegt nun knapp 13 Jahre zurück. Dessen ungeachtet versuche ich im selbstbestimmten Rahmen Verantwortung für Themen zu übernehmen, die die Zukunft unserer Kinder betreffen. Und ich habe nun mehr Zeit, mich mit substanziellen Fragen unseres Lebens zu beschäftigen. Als Politiker bleibt dafür kaum Zeit. Der Großteil der Zeit eines Politikers ist fremdbestimmt. Zum Glück bin ich aus dem Geschäft heraus. 

Doch manchmal erleiden auch Sie Rückfälle, etwa als Prigoschin gegen Putin putschte und Sie nicht widerstehen konnten, einem ORF-Journalisten wie ein Politiker ein Interview zu geben. 

Guttenberg (lacht): Es ist interessant, welche Störungen die Politik in den Synapsen eines Menschen wie mir auslösen kann. So appelliere ich immer wieder an mich selbst: „Verhalte dich nicht so, wie du dich vor 13 Jahren verhalten hast!“ Doch noch sitzt etwas tief in mir, das bestimmte politische Reflexe auslösen kann. So habe ich, obwohl ich das nicht mehr will, an diesem Tag wie ein Politiker auf die Fragen des ORF-Journalisten geantwortet. Es muss mich wohl wieder die Aussicht gejuckt haben, für einen Moment bedeutend zu sein. Ziemlich idiotisch, denn weniges ist unbedeutender. 

Sie können es also immer noch, trotz aller Anti-Politik-Reflextherapie.  

Guttenberg: Umso froher bin ich, dass der Reflex, wieder in die Politik zu gehen, nicht mehr existiert. Politik ist ein zuweilen toxisches, auch eitles Geschäft. Es besteht die Gefahr, dass man abdriftet. 

Doch der neue Guttenberg, so legen es Ihre Texte nahe, genießt Augenblicke, ohne sich bedeutend zu fühlen. Haben Sie sich wirklich fundamental verändert? Wer ist der neue Guttenberg? 

Guttenberg: Zunächst einmal bleibt man der gleiche Mensch in einer alternden Hülle. Vor 13 Jahren konnte ich noch nicht die Schönheit des Augenblicks erleben: Ich hatte das weder gelernt noch verstanden, auch weil es mir nie nahe gebracht wurde. Wie viele andere Menschen habe ich mich von den Erfahrungen der Vergangenheit und den Ängsten vor der Zukunft leiten lassen. Das macht einen Menschen nicht gelassener, fröhlicher und umgänglicher. Dass ich mich verändert habe, ist sicher das Resultat harter Erfahrungen, geht aber auch auf Ratschläge anderer Menschen zurück. Heute bin ich ein durch und durch gelassener, heiterer Mensch. Angriffe schmerzen mich nicht mehr. Sich nicht ständig mit der Vergangenheit und Zukunft zu beschäftigen, kann man trainieren wie einen Muskel. 

Wenn man Sie heute mit den alten Geschichten um Ihre Doktorarbeit oder mit dem Ende Ihrer politischen Karriere konfrontiert, perlen die Vorwürfe also an Ihnen ab. Wirklich?

Guttenberg: Sie perlen nicht an mir ab, sondern durch mich hindurch und versauen mir damit nicht mehr den Tag. Das war schon mal anders. Und eines habe ich auch beobachtet: Viele arbeiten gerne ihre eigenen Niederlagen und Frustrationen an anderen ab. Das ist nachvollziehbar und verzeihbar. Wenn man das begreift, läuft der Angriff ins Leere. Und ich halte mit meinem eigenen Scheitern nicht hinterm Berg. Es war das Beste, was mir passieren konnte. Ich brauchte auch die Wucht. Wäre ich zu sanft davon gekommen, hätte ich vielleicht doch wieder den Weg in die Politik gesucht. Ich habe mit meinem damaligen Scheitern Frieden geschlossen. 

Der irische Dichter Samuel Beckett schrieb: „Versuche es erneut. Scheitere wieder. Scheitere besser.“ Ist „Besser scheitern“ das Lebensmotto des Karl-Theodor zu Guttenberg? 

Guttenberg: Am Ende ist diese Erkenntnis von Beckett eine Chiffre für die Kunst, ein besseres Leben zu führen. Ein solches Leben gelingt nur, wenn man mit sich und seiner Umgebung Frieden schließt, eben ein versöhnlicher Mensch wird. Ich kann der Erkenntnis von Beckett viel abgewinnen. Viele Menschen haben in mir früher etwas gesehen, was ich gar nicht war. Sie projizierten etwas in mich, was in mir gar nicht existierte. 

Menschen glaubten, Sie könnten als schneidiger, junger Adeliger Deutschland retten, ja es wurde ihnen zugetraut, Angela Merkel als Kanzlerin abzulösen. Es gab einen Hype um Ihre Person.  

Guttenberg: Es war zum Teil bizarr, was Menschen in mich projiziert haben. Der Hype um meine Person war ungerechtfertigt. Schon damals wusste ich um meine Grenzen und Schwächen, konnte damit aber noch nicht umgehen. 

Karl-Theodor zu Guttenberg, 51, war einst CSU-Generalsekretär, Bundeswirtschafts- und auch Bundesverteidigungsminister. Heute arbeitet er als Unternehmer, Co-Produzent und Moderator von Dokumentarfilmen und anderen publizistischen Formaten wie dem Podcast „Gysi gegen Guttenberg“. Er sieht sich jedoch nicht als Journalist und sagt auf entsprechende Fragen: „Das würde ich mir nicht anmaßen.“ 

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17.11.2023

Wer scheitert sollte Frieden anstreben, sonst versucht er die gemachten Fehler anderen in die Schuhe zu schieben und das wäre wiederum falsch. Und leider hat vuzGutti, bei den besten Voraussetzungen, alles falsch gemacht.