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Kabinettsklausur in Berlin: hilft der Geist von Meseberg?

Kommentar

Zur Halbzeit liegt die Ampel hinten – hilft der Geist von Meseberg?

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    Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Kabinett beraten bei der fünften Klausurtagung der Ampelregierung über die aktuellen Themen der Koalition.
    Bundeskanzler Olaf Scholz und sein Kabinett beraten bei der fünften Klausurtagung der Ampelregierung über die aktuellen Themen der Koalition. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Erfüllt vom Geist von Meseberg, einig in der Sache und voller Tatendrang startet die Ampel-Bundesregierung in ihre zweite Halbzeit – schön wär’s. Zwar endet die zweitägige Kabinettsklausur wie üblich mit vollmundigen Ankündigungen, doch dass es das nun endgültig war mit der Selbstzerfleischung der drei ungleichen Partner, ist schwer zu glauben. Dafür ist der Eindruck des jüngsten Zweikampfs noch zu frisch. Wie die grüne Familienministerin Lisa Paus im Ringen um die Kindergrundsicherung die Förderung grüner Investitionen ausbremste, die Finanzminister Christian Lindner (FDP) forderte, das hatte schon mehr von einer Fehde als von einem Koalitionskrach. 

    Bezeichnend ist, dass sich SPD, Grüne und FDP auch in der Abgeschiedenheit Brandenburgs nicht auf eine gemeinsame Linie in Sachen Industriestrompreis einigen konnten. Dabei drängt die Zeit: Energieintensive Industrien drohen durch die hohen Stromkosten ins Ausland abzuwandern, was den Verlust vieler Arbeitsplätze zur Folge hätte. Und diese Stromkosten sind nicht nur durch den Ukraine-Krieg gestiegen, sondern auch durch seine Wechselwirkungen mit politischen Entscheidungen wie dem Atom- und Kohleausstieg. 

    Streit beim Strompreis: Abwanderung der Industrie ins Ausland droht

    Zwar ist es gut, dass die Regierung nicht den Weg gegangen ist, die Krise durch einen subventionierten Industriestrompreis abzumildern. Denn kleinere Firmen schlechter zu stellen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die selbst am meisten unter Inflation und gestiegenen Energiepreisen leiden, dafür zur Kasse zu bitten, wäre ein falsches Signal. Dass stattdessen aber auch kein anderes Signal kommt, ist mindestens genauso falsch. Der Mantra-hafte Verweis auf einen raschen Ausbau der Erneuerbaren genügt nicht. Runter müssen die Strompreise aber dringend - und zwar schnell, dauerhaft und für alle. Wer will denn sonst eine Wärmepumpe einbauen und auf ein Elektroauto umsteigen? 

    Das Bundeskabinett beriet auf Schloss Meseberg unter anderem über einen staatlich subventionierten Industriestrompreis - eine gemeinsame Linie fehlt allerdings.
    Das Bundeskabinett beriet auf Schloss Meseberg unter anderem über einen staatlich subventionierten Industriestrompreis - eine gemeinsame Linie fehlt allerdings. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert, dpa (Symbolbild)

    Wie beim völlig misslungenen ersten Entwurf des Heizungsgesetzes frustrieren manche Ampel-Pläne die Menschen im Land auch dann, wenn sie am Ende gar nicht umgesetzt werden. Was aus der Bundesregierung nach draußen dringt, sind Misstöne. Einigkeit über die richtigen Lösungen der drängendsten Probleme besteht meist noch nicht einmal innerhalb der drei beteiligten Parteien. Bauministerin Klara Geywitz, das vielleicht bemitleidenswerteste Mitglied des Kabinetts, muss hoffen, dass sie ihr Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr durch eine Sonderabschreibung nicht ganz so drastisch verfehlt. 

    Regierung will den Bürokratie-Dschungel lichten

    Gleichzeitig kommt aus ihrer SPD die Forderung nach einem bundesweiten Mietenstopp, der auch noch die letzten Bauherren entmutigen würde. Dass zu wenig gebaut wird, liegt auch an überbordenden Vorschriften und Heizungs-Geboten, die an den finanziellen Realitäten vieler Bürger im Land völlig vorbeigehen. Insgesamt will die Regierung nun den Bürokratie-Dschungel lichten, was gut und richtig ist. Aber auch ein dickes Brett, das nur gemeinsam mit der Europäischen Union zu bohren ist. Rasche Erfolge sind davon kaum zu erwarten.

    Oft sind es extreme Klänge von den jeweiligen Rändern, das Debatten-Konzert prägen. Zwischen den Regierungspartnern treten die tiefen ideologischen Unterschiede immer deutlicher zu Tage. Die FDP drängt auf finanzielle Disziplin, Grünen-Chefin Ricarda Lang dagegen will die Schuldenbremse mit staatlichen Investitionsgesellschaften, also einem Buchungstrick umgehen. 

    Dort, wo nur wenige betroffen sind, rafft sich die Ampel zusammen

    Wo die Ampel sich zusammenrauft, beim Selbstbestimmungsgesetz, der Cannabis-Legalisierung oder den erleichterten Einbürgerungen, geht es um Gesetze, die vergleichsweise wenige Menschen betreffen. Die breite, arbeitende Masse der Bevölkerung fühlt sich davon kaum angesprochen. Viele glauben, dass das Ampel-Orchester nicht nur schlecht zusammenspielt und nachlässig dirigiert wird, sondern schlicht die falschen Stücke spielt. 

    Entsprechend schlecht sind die Umfragewerte für diese Regierung und ihren Chef. Bundeskanzler Olaf Scholz empfinden viele Menschen als zu passiv und führungsschwach, trauen ihm immer weniger zu, ihre Probleme zu lösen. Der Populismus blüht. Nun soll von Meseberg mal wieder der berühmte Ruck ausgehen. Doch schon nach früheren Gruppensitzungen hat die von SPD, Grünen und FDP beschworene neue Einheit nicht lange gehalten. Spätestens jetzt, zur Halbzeit ihrer gemeinsamen Regierung müssen die Ampel-Partner endlich die drängenden Aufgaben des Landes vor die eigenen Befindlichkeiten stellen. 

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