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Kommentar: Das iranische Regime steht vor dem politischen Bankrott

Kommentar

Das iranische Regime steht vor dem politischen Bankrott

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    Eine Frau steht während einer Demonstration nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini Ende September in der iranischen Hauptstadt und zeigt das Victory-Zeichen.
    Eine Frau steht während einer Demonstration nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini Ende September in der iranischen Hauptstadt und zeigt das Victory-Zeichen. Foto: Uncredited, AP/dpa

    Für das iranische Regime begann das Jahr 2022 mit einer sozialen und wirtschaftlichen Krise und einer unzufriedenen Bevölkerung – am Ende des Jahres steht die Islamische Republik vor dem politischen Bankrott. Der gewaltige Unterdrückungsapparat dürfte die Führungsclique um Revolutionsführer Ali Khamenei trotz der landesweiten Protestwelle zumindest vorerst an der Macht halten können. Langfristig fehlen Khameneis System aber Antworten auf die Forderungen und Bedürfnisse von Millionen Iranerinnen und Iranern, die anders leben wollen, als die Mullahs das für sie vorgesehen haben.

    Iran erlebt Protestwelle wie seit 1979 nicht mehr

    Der 83-jährige Khamenei hat in den vergangenen Jahren konservative Hardliner an alle Schalthebel der Macht befördert. Damit wollte der greise Revolutionsführer die Islamische Republik retten – könnte damit aber deren Niedergang beschleunigt haben. Außenpolitisch verpassten die Hardliner in diesem Jahr die Chance, ein neues Atomabkommen mit dem Westen abzuschließen und damit die Last der Sanktionen auf die Wirtschaft abzumildern. Innenpolitisch traten sie mit dem Versuch, beim Kopftuchzwang streng durchzugreifen, eine Protestwelle los, wie sie das Land seit der Revolution von 1979 noch nicht gesehen hat.

    Die Proteste seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini in der Gewalt der Religionspolizei im September unterscheiden sich grundlegend von früheren Aufständen gegen die theokratischen Herrscher. Bei Unruhen nach Wahlmanipulationen von 2009 ging die Mittelschicht gegen politische Missstände auf die Straße, nach Benzinpreiserhöhungen von 2019 trieben wirtschaftliche Nöte die Demonstranten an. 

    Heute zielen die Proteste auf das islamistische System selbst. Sie entzündeten sich am Kopftuchzwang, der den Kern der Islamischen Republik berührt, und richten sich gegen die Arroganz und die Korruption der Mächtigen sowie gegen den Unfehlbarkeitsanspruch, mit dem die Mullahs seit 1979 ihre Herrschaft begründen.

    Hinter den Kulissen bemüht sich Teherans Regime um kosmetische Lösungen

    Die Reaktion des Systems auf die Demonstrationen besteht in Polizeigewalt, Festnahmen und Todesurteilen sowie Ablenkungsmanövern wie der jüngsten Ankündigung, über die Kopftuch-Pflicht und die Auflösung der Religionspolizei zu reden. Hinter den Kulissen verhandeln Regimevertreter nach Meldungen von Oppositionsmedien mit Politikern aus Reformparteien über kosmetische Lösungen, mit denen der Druck der Protestbewegung etwas gelindert werden könnte. Als eine mögliche Maßnahme sollen dabei staatliche Genehmigungen für Kundgebungen ausgewählter Oppositionsgruppen erörtert worden sein.

    Solche politischen Heftpflaster werden die Proteste nicht aufhalten können. Die junge Generation im Iran, die den Aufstand trägt, kämpft um eine Zukunft ohne Bevormundung. Der Graben zwischen den Demonstranten und der Führung um Khamenei ist kaum zu überbrücken.

    Unzufriedenheit im Iran wird wohl Jahre anhalten

    Der israelische Militärgeheimdienst, der den Iran sehr genau beobachtet, sagt voraus, dass die Islamische Republik auf Jahre ein Problem mit ihren unzufriedenen Bürgern haben wird, selbst wenn die derzeitigen Proteste niedergeschlagen werden sollten. Wie dieses Problem aussehen könnte, zeigt sich diese Woche im iranischen Alltag. Nach Angaben von Aktivisten schlossen Händler in Teheran und rund drei Dutzend anderen Städten ihre Läden, Arbeiter traten in den Streik. Dazu brachen neue Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizisten aus.

    Für diesen Mittwoch, den iranischen Tag der Studenten, hat sich Präsident Ebrahim Raisi an der Universität Teheran angesagt. Der Besuch könnte unangenehm für ihn werden. Im Oktober war der Präsident von Studenten mit dem Ruf „Hau ab“ empfangen worden. Seitdem hat sich seine Regierung an den Universitäten noch unbeliebter gemacht.

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