Flaggen von Nato-Mitgliedsländern auf den Schlachtfeldern der Ukraine? Ein schlechter Scherz oder bitterer Ernst? Der französische Präsident Emmanuel Macron weiß genau, dass es auf absehbare Zeit nicht denkbar ist, dass Bodentruppen der Allianz in den Ukraine-Krieg eingreifen. Sein – wie schon oft zuvor – nicht mit den Partnern abgesprochener Vorstoß ist eher als Signal an Russland zu verstehen. Der Präsident will Moskau sagen: Freut euch nicht zu früh über eine vermeintlich sinkende Bereitschaft, Kiew zu unterstützen, wir reden im Hintergrund über ganz andere Strategien, euch zu stoppen, als ihr glaubt. Und er will natürlich zeigen, dass er ein Macher ist und bleibt.
Die Frage ist nur, ob der russische Präsident Wladimir Putin mit solchen Spielchen zu beeindrucken ist. Denn psychologische „Kriegsführung“ funktioniert nur, wenn der Gegner tatsächlich in Betracht ziehen muss, dass die Drohung Substanz hat. Davon dürfte Putin weit entfernt sein, zumal aufgeschreckte Politiker aus vielen Nato-Länder es verständlicherweise eilig hatten, zu versichern, dass die Entsendung eigener Bodentruppen kein Thema sei.
Zurück bleibt der Eindruck, dass den Verbündeten der Ukraine eine klare Linie fehlt. Gleiches gilt für die ermüdenden Diskussionen über Waffensysteme für die Ukraine. Beispiel Taurus. Das monatelange Gezerre in Deutschland über die Lieferung der Marschflugkörper ist ein Beispiel dafür, wie man es nicht macht. Der Kreml konnte sich zurücklehnen und verfolgen, wie das Thema die ohnehin zerstrittene Ampelkoalition spaltet.
Kanzler Olaf Scholz ließ zwar schon früh durchblicken, dass er Taurus-Lieferungen skeptisch sieht, verzichtete aber lange in gewohnter Manier auf eine klare Ansage. Montag kam dann die Absage – allerdings mit Hintertür. Briten und Franzosen agierten ungleich geschickter. Sie bereiteten die Zusage, mit dem Taurus-System vergleichbare Waffen an Kiew zu liefern, vergleichsweise geräuschlos vor und gaben Moskau so gar nicht erst die Gelegenheit, auf offenen oder verdeckten Kanälen gegen die Entscheidungen zu polarisieren. Nun könnte man einwenden, dass Deutschland – anders als London oder Paris – den Bundestag einschalten muss, um die Marschflugkörper in die Ukraine zu schicken. Mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse im Parlament wäre dies ohne größere Reibungsverluste möglich gewesen.
Das endlose Lavieren des Kanzlers verursacht ein kommunikatives Desaster
Doch das endlose Lavieren des Kanzlers und der Ampelkoalition verursachten ein kommunikatives Desaster. Ein zügiger Beschluss in enger Absprache mit den Verbündeten hätte dies verhindert. Die Folgen sind fatal: Deutschland bietet eine große Angriffsfläche und hat den wenig stichhaltigen Bedenken, dass die Taurus-Lieferung das Land näher an eine Kriegsbeteiligung gebracht hätte, erst Nahrung gegeben. Der Kreml wird sich darin bestätigt sehen, dass es sich lohnt, mit allen Mitteln Einfluss auf die Stimmung in Deutschland zu nehmen.
Auch das Argument der Kritiker, dass sich die Unterstützer Kiews erst einmal um Munition kümmern sollten, ist nur halb richtig. Denn es geht darum, die Ukraine so auszustatten, dass Russland sich nie in Sicherheit vor bösen militärischen Überraschungen wiegen kann – genau dafür wäre Taurus prädestiniert.
Bodentruppen westlicher Staaten hingegen werden diesen Krieg nicht entscheiden. Das ändert nichts daran, dass militärische Konflikte eine Eigendynamik entwickeln können, die die Kraft hat, Gewissheiten in kürzester Zeit zu pulverisieren.