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Kommentar: Politik im Eiltempo – schnelle Antworten sind selten die besten

Kommentar

Politik im Eiltempo – schnelle Antworten sind selten die besten

Michael Stifter
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    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bekommt mächtig Gegenwind für sein Heizungsgesetz.
    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bekommt mächtig Gegenwind für sein Heizungsgesetz. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Manchmal fragt man sich ja schon, wie so etwas passieren kann. Da legt ein Bundesminister seine Ideen für ein neues Gesetz vor und noch im selben Moment gibt der Koalitionspartner zu Protokoll, dass dieses Gesetz so auf keinen Fall kommen wird. Die Opposition schimpft über den vermeintlich hektischen Schnellschuss. In sozialen Netzwerken wissen ja eh alle immer alles besser. Und am Ende hat vielleicht auch noch das Bundesverfassungsgericht etwas auszusetzen. Aber was soll's, musste halt schnell gehen, nicht wahr? 

    Das Heizungsgesetz ist ein Musterbeispiel für die Atemlosigkeit, mit der heute oft Politik gemacht wird. Wer regiert, soll immer auf alles eine Antwort haben. Nur: Diese Erwartungshaltung macht die Antworten ganz selten besser. 

    Es gehört zum politischen Alltag, dass der Weg von einer Idee im Parteiprogramm über den Gesetzentwurf bis zum tatsächlichen Gesetz lang und kurvenreich ist. Auch wenn es der arme Peter Struck wahrscheinlich nicht so gerne gesehen hätte, immer wieder auf diesen einen Satz reduziert zu werden, hatte der frühere SPD-Fraktionschef doch recht, als er einmal sagte, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es einst hineingekommen war. Und das ist auch gut so. Denn Hinterzimmerverhandlungen dürfen niemals eine auf offener Bühne ausgetragene Debatte ersetzen. Das Problem an der Sache ist ein anderes: Schwachstellen zu korrigieren, Lücken zu schließen, nachzujustieren und auch mal Kompromisse zu machen – das alles wird heute viel zu oft pauschal als Scheitern interpretiert. 

    Es muss um die Sache gehen und nicht darum, wer sich wo durchgesetzt hat

    Es geht dann – auch in der medialen Betrachtung – vor allem darum, wer sich wo durchgesetzt hat und wer in welchem Punkt eingeknickt ist. Wer der bessere Stratege ist, wer am meisten für sich und seine Wählerinnen und Wähler rausgeholt hat und was das für die internen Machtverhältnisse bedeutet. Dabei wäre es doch viel wichtiger, sich damit zu befassen, ob das Ergebnis gut ist. 

    Vielleicht fehlt Politikerinnen und Politikern heute auch der Mut klarzumachen, dass ein haltbares, gut durchdachtes Gesetz Zeit braucht. Das hat auch damit zu tun, dass der Typus Angela Merkel oder Olaf Scholz, dem es zuwider ist, ständig aus der Hüfte zu schießen, schnell den Stempel Zauderer, Aussitzer oder Entscheidungsverweigerer aufgedrückt bekommt. 

    Die gleichen Leute, die heute fragen, warum eigentlich noch keine fertigen Konzepte auf dem Tisch liegen, beschweren sich morgen über Schnellschüsse. Wer mal zwei, drei Stunden nicht auf einen virtuellen Shitstorm reagiert, wird auf Twitter oder Facebook umgehend als vermisst gemeldet. Dabei weiß doch eigentlich jeder, dass diejenigen, die immer zu allem etwas sagen, selten wirklich etwas zu sagen haben.

    Es wäre besser gewesen, das Heizungsgesetz nicht mit heißer Nadel zu stricken

    Nein, das alles ist kein Grund, in übertriebenes Mitleid mit den politischen Führungskräften dieses Landes zu verfallen, die ja durchaus wissen konnten, worauf sie sich einlassen. Aber es konfrontiert uns alle durchaus mit der Frage, was wir denn nun eigentlich von einer Regierung erwarten beziehungsweise erwarten sollten. 

    Dass Robert Habeck mit seinem Heizungsgesetz zu scheitern droht, liegt – wie vielfach kommentiert – nicht nur daran, dass selbiges im Wirtschaftsministerium mit heißer Nadel gestrickt worden war. Aber es gehört zur Wahrheit, dass es besser gewesen wäre, nicht zu versuchen, ein Projekt, das sich massiv auf große Teile der Bevölkerung auswirkt, im Eiltempo durchzupauken. Die schnellsten Antworten sind selten die besten.

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