
Politik im Eiltempo – schnelle Antworten sind selten die besten

Das vermasselte Heizungsgesetz steht exemplarisch dafür, dass die Atemlosigkeit, mit der heute oft Politik gemacht wird, ein Irrweg ist.
Manchmal fragt man sich ja schon, wie so etwas passieren kann. Da legt ein Bundesminister seine Ideen für ein neues Gesetz vor und noch im selben Moment gibt der Koalitionspartner zu Protokoll, dass dieses Gesetz so auf keinen Fall kommen wird. Die Opposition schimpft über den vermeintlich hektischen Schnellschuss. In sozialen Netzwerken wissen ja eh alle immer alles besser. Und am Ende hat vielleicht auch noch das Bundesverfassungsgericht etwas auszusetzen. Aber was soll's, musste halt schnell gehen, nicht wahr?
Das Heizungsgesetz ist ein Musterbeispiel für die Atemlosigkeit, mit der heute oft Politik gemacht wird. Wer regiert, soll immer auf alles eine Antwort haben. Nur: Diese Erwartungshaltung macht die Antworten ganz selten besser.
Es gehört zum politischen Alltag, dass der Weg von einer Idee im Parteiprogramm über den Gesetzentwurf bis zum tatsächlichen Gesetz lang und kurvenreich ist. Auch wenn es der arme Peter Struck wahrscheinlich nicht so gerne gesehen hätte, immer wieder auf diesen einen Satz reduziert zu werden, hatte der frühere SPD-Fraktionschef doch recht, als er einmal sagte, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es einst hineingekommen war. Und das ist auch gut so. Denn Hinterzimmerverhandlungen dürfen niemals eine auf offener Bühne ausgetragene Debatte ersetzen. Das Problem an der Sache ist ein anderes: Schwachstellen zu korrigieren, Lücken zu schließen, nachzujustieren und auch mal Kompromisse zu machen – das alles wird heute viel zu oft pauschal als Scheitern interpretiert.
Es muss um die Sache gehen und nicht darum, wer sich wo durchgesetzt hat
Es geht dann – auch in der medialen Betrachtung – vor allem darum, wer sich wo durchgesetzt hat und wer in welchem Punkt eingeknickt ist. Wer der bessere Stratege ist, wer am meisten für sich und seine Wählerinnen und Wähler rausgeholt hat und was das für die internen Machtverhältnisse bedeutet. Dabei wäre es doch viel wichtiger, sich damit zu befassen, ob das Ergebnis gut ist.
Vielleicht fehlt Politikerinnen und Politikern heute auch der Mut klarzumachen, dass ein haltbares, gut durchdachtes Gesetz Zeit braucht. Das hat auch damit zu tun, dass der Typus Angela Merkel oder Olaf Scholz, dem es zuwider ist, ständig aus der Hüfte zu schießen, schnell den Stempel Zauderer, Aussitzer oder Entscheidungsverweigerer aufgedrückt bekommt.
Die gleichen Leute, die heute fragen, warum eigentlich noch keine fertigen Konzepte auf dem Tisch liegen, beschweren sich morgen über Schnellschüsse. Wer mal zwei, drei Stunden nicht auf einen virtuellen Shitstorm reagiert, wird auf Twitter oder Facebook umgehend als vermisst gemeldet. Dabei weiß doch eigentlich jeder, dass diejenigen, die immer zu allem etwas sagen, selten wirklich etwas zu sagen haben.
Es wäre besser gewesen, das Heizungsgesetz nicht mit heißer Nadel zu stricken
Nein, das alles ist kein Grund, in übertriebenes Mitleid mit den politischen Führungskräften dieses Landes zu verfallen, die ja durchaus wissen konnten, worauf sie sich einlassen. Aber es konfrontiert uns alle durchaus mit der Frage, was wir denn nun eigentlich von einer Regierung erwarten beziehungsweise erwarten sollten.
Dass Robert Habeck mit seinem Heizungsgesetz zu scheitern droht, liegt – wie vielfach kommentiert – nicht nur daran, dass selbiges im Wirtschaftsministerium mit heißer Nadel gestrickt worden war. Aber es gehört zur Wahrheit, dass es besser gewesen wäre, nicht zu versuchen, ein Projekt, das sich massiv auf große Teile der Bevölkerung auswirkt, im Eiltempo durchzupauken. Die schnellsten Antworten sind selten die besten.
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Schnelle Antworten da wo es notwendig ist. Ob dieses Heizungsgesetz, oder wie immer das auch heißen mag, 6 oder 12 Monate früher oder später auf den "Markt" kommt, ist absolut egal. Ein Schnellschuß ist/war nicht notwenig, da es sich hier wohl um eine mittel- bis lanfristige Maßnahme handelt.
Zumal ja der aktuelle Stand nicht bekannt ist! Dies soll ja erst durch ein neues Gesetz ermittelt werden.
Zusammengefasst: Ich weiß wo alle hinkommen müssen, weiß aber noch gar nicht wo wir aktuell herkommen!
Da muss ich mich dann doch fragen:
Wenn ich nicht weiß wo ich bin (aktueller CO2-Ausstoß), wie kann ich dann das Ziel kennen (Unterschied CO2-Ausstoß) und dann dies so restriktiv umsetzen wollen.
Mittlerweile gibt es bereits "Grüne" in einigen Bundesländern (z.B. BY, BW), die die Vorgehensweise von Habeck in Frage stellen.
Habecks Theorie: "erst handeln, dann warten" passt mit der Realität "erst denken, dann lenken" nicht zusammen!
Habe ich vergessen zu erwähnen, dass Habeck Wirtschaftsminister ist?
Viele Kleinunternehmer (Metzger, Bäcker, usw.) sind bereits insolvent bzw. demnächst.
Ich hoffe daher, dass die aktuelle Koalition an diesem Problem scheitert (lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende)
Habeck ist ein "Grüner Minister", den es aktuell hier Deutschland noch nicht gibt und sollte entweder seine Aufgaben als Wirtschaftsminister endlich wahrnehmen, oder abtauchen!
Es ist immer kontraproduktiv und gefährlich, wenn Menschen in der Verantwortung fach- und sachlich keine Kompetenz besitzen - in einem Unternehmen ist dies fatal und in der Politik normal.
Dass das "Gesetz", das noch nicht einmal in den Bundestag eingebracht ist geschweige denn in die Ausschüsse gekommen ist, hat auch damit zu tun, dass es in der Presse bereits zerredet wurde, bevor es zu Ende gestrickt ist. Noch ehe bekannt war (und ist, denn es ist ja noch kein Gesetz), hat man die Opposition ins Boot geholt, um die Regierung in Misskredit zu bringen. Das gehört auch zur Wahrheit, Herr Stifter. Da waren Sie vielleicht nicht in dem Maße beteiligt wie Ihre Kollegen, aber auch die AZ muss sich damit auseinandersetzen, dass der Leser nicht informiert, sondern instrumentalisiert wurde – nicht für eine bessere Klimapolitik, nicht für neue Heizmöglichkeiten, sondern um alles herunterzuziehen, was Habeck angefasst hat.
Dass Sie das Tempo kritisieren, mit dem heute Gesetze gemacht werden … vielleicht liegt es daran, dass auch die Medien ständig Druck machen, wann denn endlich … wie lange noch usw. Da ist die AZ nicht alleine, aber auch gut mit dabei. So wird der Leser zusätzlich aufgestachelt statt informiert. Als seriöse Tageszeitung muss man doch nicht unbedingt die Schlagwort-Strategie der BILD verfolgen – man könnte Sachverhalte erklären und den Leser aufklären. Ich erinnere mich, dass es vor nicht allzulanger Zeit noch Infokästen gab, wo in Stichpunkten das Wichtigste aufgelistet war. Die sind gänzlich verschwunden – warum wohl?
K. Brenner
Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Frau Reichenauer. Über Jahre hinweg wurde durch die ruhige Hand Frau Merkels alles verpennt. Und jetzt wacht jeder auf und stellt fest, "Huch, der Grünen-Anteil der Regierung will wirklich tun, was er vor der Wahl angekündigt hat." Aber keine Angst, die Springerpresse um Robin Alexander, Oppositionspolitiker wie Frau Klöckner, Herr Spahn oder Top-Mann Herr Dobrinth, Persönlichkeiten, die ihre Qualitäten schon in Regierungsverantwortung gezeigt haben, kämpfen Robin-Hood-mäßig für den deutschen Michel, der am 01.01.24 ja für Zehntausende von Euro eine neue Heizung einbauen muss, wenn das Gesetz bis dahin verabschiedet wird.
Es war schon immer erst ein Gesetzentwurf aus dem Hause Graichen, äh Habeck. Und dieser Gesetzentwurf ist handwerklich schlecht gestrickt, was nicht nur Medien oder Opposition, sondern auch namhafte Institutionen oder Experten angemahnt haben. Völlig zurecht!
Politik mit der Brechstange war und ist nie gut...
Auch ich bin der gleichen Meinung Frau Reichenauer und Frau Brenner wie Sie beide. Ich habe es glaube schon mal in einem Kommentar erwähnt, die CDU/CSU kommen einfach nicht klar damit, das sie in der letzten Bundestags Wahl in die Opposition geschickt wurden der Stillstand und die Probleme aussitzen, zurecht abgewählt. Gerate Herr Spahn als Gesundheitsminister und Herr Söder als Ministerpräsident in Zeiten der Corona Kriese, keine Glanzleistungen und einige Politiker in der Maskenaffäre recht gut verdient, allen voran Herr Nüsslein und Herr Sauter von der CSU, zu dem können sie den Zustand den Sie hinterlassen haben auch endlich mal Vorschläge machen, wenn sie welche haben? Nicht immer nur drauf los hauen mit populistischen aussagen, die absolut nicht zu den Lösungen beitragen, dass ist bester Wahlkampf für die AFD. Die neue Regierente Regierung musste erst den Scherbenhaufen beseitigen den die Vorgängerregierungen hinterlassen haben auch eine SPD unter Kanzler Schröder!! Um Ihre Politik im Koalitionsvertrag an zu Packen! verging leider nochmal viel Zeit!!!