Viele Menschen verschwenden an die Pandemie keinen Gedanken mehr. Dabei hat sie tiefe gesellschaftliche Wunden hinterlassen. Wir dürfen das nicht verdrängen – weil die Demokratie geschützt werden muss.
Dinge zu verdrängen gehört zu den bemerkenswertesten Mechanismen unseres Gehirns. Traumatisches oder Belastendes wird ins Unbewusste abgeschoben, als würde sich eine Art Vorhang senken. Vorstellung beendet. An diesem Ort liegen wohl auch die Abermillionen Bilder aus der Pandemie. Pandemie? War da was? Genau.
Viele Menschen verschwenden an Corona keinen Gedanken mehr. Aber wenn man mal im Gedächtnis kramt, dann findet man sie natürlich, die Szenen des Ausnahmezustands. Spuckschutzplastikpaneele, Hamsterkäufe, Maske, Abstand, Beatmung, Bergamo. Manche Psychologen sprechen von einem Kollektiv-Trauma. Trotzdem scheint ein Großteil der Bevölkerung und auch der Politik kein allzu ausgeprägtes Interesse daran zu haben, sich weiter mit dem Virus zu beschäftigen. Einen festen, jährlichen Gedenktag etwa für die mehr als 180.000 deutschen Corona-Toten gibt es nicht, mit dem Thema Long-Covid will man sich auch nicht so recht befassen, die Forderungen nach Aufarbeitung verhallen zunehmend im Sound neuer Sorgen.
Das Coronavirus hat den sozialen Kitt schwer beschädigt
Dabei ist die Gesellschaft längst nicht gesund. Wenn man so will, dann leidet sie an Long-Covid, an Spätfolgen der zermürbenden Corona-Jahre. Das Virus hat, das zeigen zahlreiche Studien, den sozialen Kitt schwer beschädigt.
Was man spürt, ist eine kollektive Erschöpfung. Bei den Kindern, die nicht mehr in die Schule, in den Sportverein durften, bei den Pflegekräften, die gehofft hatten, dass man ihnen nun endlich zuhören würde, dann aber erleben mussten, dass der Beifall längst verhallt ist und sich an den Arbeitsbedingungen nichts ändern wird. Aber auch bei den Menschen, die während der Pandemie monatelang allein zu Hause waren, teilweise verlernt haben, sich in einem sozialen Gefüge zu bewegen. Oder bei denen, die jemanden verloren haben, manchmal ohne einen richtigen Abschied.
Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass nach den ersten 24 Pandemie-Monaten das Vertrauen sowohl in politische Institutionen als auch in die Mitmenschen stark gesunken ist. Während am Anfang der Pandemie noch Nachbarschaftshilfen gebildet wurden, nahm dieses mentale Unterhaken später drastisch ab. Der Bertelsmann-Studie zufolge waren 59 Prozent der Befragten der Meinung, die Menschen würden sich nicht umeinander kümmern, 28 Prozent sagten, man könne sich auf niemanden mehr verlassen. Beide Werte lagen erheblich höher als vor der Pandemie.
Um die Demokratie zu schützen, braucht es ein Verständnis für die Gefahren
Dass der Glaube an die Sicherheit sozialer Netze bröckelt, ist gefährlich. Denn das bereitet den Boden für radikales Gedankengut. In der "Mitte-Studie" 2022/23 der Friedrich-Ebert-Stiftung wird deutlich: Das Vertrauen in das Funktionieren der Demokratie hat drastisch nachgelassen. Ein erheblicher Teil der Befragten – 38 Prozent – vertritt verschwörungsgläubige Positionen, populistische und völkisch-autoritär-rebellische Positionen sind ebenfalls deutlich verbreitet. Zudem stimmten mit 30 Prozent fast doppelt so viele Befragte wie noch 2020/21 der Aussage zu, dass die regierenden Parteien das Volk betrügen würden. Und ein Fünftel glaubt, dass Deutschland eher einer Diktatur gleiche als einer Demokratie.
Die Zahlen sind höchst beunruhigend. Denn die Demokratie ist verwundbar. Um sie zu schützen, braucht es aber ein Verständnis für die Gefahren, die ihr drohen. Und eine Aufarbeitung, eine ehrliche Kommunikation, das Eingestehen von Fehlern. Das tut weh, freilich. Aber die vergangenen Jahre einfach zu verdrängen, das hilft niemandem.
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Wenn jemand unbedingt Aufarbeitung möchte, dann kann er ja dank der Archiv Funktion bei sich selbst anfangen und sich seine eigenen Wörter durchlesen!
Als Hilfestellung : - ) und (eIn) Beispiel,für Michael K.:
„ Die Politik muss uns einen Ausweg aus den Corona-
Beschränkungen zeigen “ - 13.04.2020 -
mit Kommentaren . . . .
„ . . . . und ein weiteres ( zum nachstehenden
Kommentar vom 25.03. ) Beispiel . .
„Man“ sollte auch die zahlreichen nach meiner Meinung
gerade in der Coronazeit vorschnellen kurzlebigen Kom-
mentare aufarbeiten, die mit
„Kein Grund zur Panik: Deutschland hat das Coronavirus
im Griff - 28-02.2020 -
begannen - und damit nicht endeten . . . . .
Wilhelm von Humboldt meinte: "NUR, WER DIE VERGANGENHEIT KENNT, HAT EINE ZUKUNFT"
Wenn alle eine sichere Zukunft in einem demokratischen Staat haben möchten, müssen wir die Corona-Jahre aufarbeiten und nicht unter einem mentalen Betondeckel zum vergessen bringen.
Gunther Kropp, Basel
Na, hoffentlich kommt es zu einer Aufarbeitung und es werden die Versager und Abzocker gefunden und bestraft, die sich in einer Notsituation am Steuerzahler und Bürger bereichert haben.
Da muß nichts groß aufgearbeitet werden. Die Justiz hatdas größtenteils schon erledigt.
Ich finde das toll.
Die Aufarbeitung sollte durch ein Team, bestehend aus Karl Lauterbach, Katharina Schulze, Jörg Hans, Alena Buyx und Christian Drosten erfolgen.
Dann kommt schon das richtige Ergebnis raus.
Oder um es mit Robert Habeck zu sagen:
„Der Staat macht keine Fehler!“
Ja, das dürfte das richtige Team für diese Aufgabe sein ;-)
Herr Tomas T. und Herr Lothar B.,
warum nehmen Sie nicht Herrn Spahn und
Herrn Söder mit ins Team ?
Ja, warum wohl ??
Herr Spahn darf da gerne dazu, mit Herrn Söder wird's schwierig, dreht er sich doch zu sehr wie eine Fahne im Wind.
Sehr geehrter Herr Wolfgang S.
Ich finde die Union in meiner „Team-Zusammenstellung“ repräsentativ vertreten.
Warum erkennen Sie das nicht? Ja warum wohl?
Herr Thomas T.,
wer ist Jörg Hans ?
Warum kenne ich den nicht ?
Richtig Frau Sartor. Wollen Sie bzw. die AZ bzw. die Medien auch zur Aufarbeitung beitragen?
Ich gehe mit dem Kommentator in der BZ völlig konform (nicht nur mit dem folgenden Zitat):
"Eine gerechte, gründliche und offene Aufarbeitung der Pandemie ist unzweifelhaft eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Auch wenn die Bundespolitik diese Aufgabe nicht allein schultern kann, so steht sie dennoch in der Verantwortung. Denn die notwendige breite gesellschaftliche Diskussion braucht, um den Worten Heribert Prantls zu folgen, einen „Kern“: Sie benötigt Sachgrundlagen für einen aufgeklärten Dialog und einen Katalysator zur Überwindung der bisherigen Diskurs-Lethargie."
https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/corona-ohne-offenheit-und-transparenz-kann-es-keine-aufarbeitung-geben-li.2198604