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Rente: Das merkwürdige Spiel des Kanzlers bei der Rente mit 63

Rente

Das merkwürdige Spiel des Kanzlers bei der Rente mit 63

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    Auf dem Weg zum längeren Arbeitsleben? Bundeskanzler Olaf Scholz stellt bei der Rente mit 63 ein Prestigeprojekt seiner SPD infrage.
    Auf dem Weg zum längeren Arbeitsleben? Bundeskanzler Olaf Scholz stellt bei der Rente mit 63 ein Prestigeprojekt seiner SPD infrage. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Die Wege des Kanzlers sind für seine Ampel-Koalitionäre manchmal unergründlich, dieses Mal hat Olaf Scholz sein Bündnis komplett überrumpelt. In einem Interview stellte der SPD-Mann zur Überraschung aller die Rente mit 63 infrage. „Es gilt, den Anteil derer zu steigern, die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können“, sagte der 64-Jährige den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. 

    Der Vorstoß des Chefs ließ die Abgeordneten des Regierungslagers nach dem Zweck desselben grübeln. Ist es ihm rausgerutscht? Wollte er einen Testballon steigen lassen? Passierte es wegen des grassierenden Fachkräftemangels? Auf alle Fälle sah sich die SPD-Chefin genötigt, den Schaden zu begrenzen. „Es geht überhaupt nicht darum, eine neue Debatte aufzumachen in Bezug auf das Rentenalter", sagte Saskia Esken. Es müsse darum gehen, die Bedingungen für Ältere am Arbeitsplatz zu verbessern. Doch Debatte um den Ruhestand konnte Esken da nicht mehr aufhalten. Zur Erinnerung: Die Rente mit 63 ist ein Prestigeprojekt der SPD, durchgesetzt von der heute in der Partei wieder verehrten Ex-Vorsitzenden Andrea Nahles.

    Andrea Nahles führte einst als Arbeitsministerin die Rente mit 63 ein. Heute ist sie Chefin der Agentur für Arbeit.
    Andrea Nahles führte einst als Arbeitsministerin die Rente mit 63 ein. Heute ist sie Chefin der Agentur für Arbeit. Foto: Nicolas Armer, dpa

    Kanzler Scholz bringt mit seinem Rentenvorstoß eine Gelegenheit für die FDP

    Scholz hatte – versehentlich oder absichtlich – den Rentenkompromiss seines Ampelbündnisses aufgekündigt. Der bedeutet, dass es in dieser Legislaturperiode einen Start in die kapitalgedeckte Aktienrente gibt und das drängende Thema des späteren Ruhestands im älter werdenden Deutschland auf die lange Bank geschoben wird. Der Kanzler eröffnete der FDP damit die Möglichkeit, ihr Modell vom flexiblen Renteneintritt zu spielen. „Über ein flexibles Renteneintrittsalter und verschiedene Arbeitszeitmodelle könnte jeder Einzelne den persönlichen Übergang in die Rente viel passgenauer gestalten als heute“, sagte Fraktionschef Christian Dürr.

    Und Ökonomen bekamen die Chance, die Regierenden auf die mangelnde Zukunftsfestigkeit der gesetzlichen Altersvorsorge hinzuweisen. „Angesichts von Arbeitskräftemangel und knappen Haushaltsmitteln ist gut, dass endlich Bewegung in die Rentendiskussion kommt“, sagte die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer. Das Interview des Kanzlers sei hoffentlich der erste Schritt, um den Trend zur Verrentung mit 63 umzukehren.

    Tatsächlich haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr Beschäftigte entschieden, ohne Abzüge früher aus dem Beruf auszuscheiden, wenn sie auf 45 Beitragsjahre kommen. Lag ihre Zahl 2016 bei 225.000, waren es im vergangenen Jahr bereits 269.000. Das entspricht einem Anstieg um 20 Prozent. Für das laufende Jahr wird mit einer nochmaligen Zunahme gerechnet. Als die Rente mit 63 eingeführt wurde, erwartete die damalige Arbeitsministerin Nahles rund 200.000 Frühverrentungen pro Jahr.

    Grünen-Experte zur Frühverrentung: "Kein Wert, noch Krach zu schlagen"

    Der Rentenexperte der Grünen, Markus Kurth, wundert sich über den Kanzler und warum er bei der Rente diesen Stein in das Wasser geworfen hat. „Ich finde es bedauerlich, dass die Debatte wieder auf die Frühverrentung gelenkt wurde“, sagte Kurth unserer Redaktion. In sieben Jahren laufe die Rente mit 63 ohnehin aus. „Ich sehe keinen Wert darin, jetzt noch Krach zu schlagen.“ 

    Der Grünen-Abgeordnete meint damit, dass die Rente mit 63 schon heute eine Rente mit 64 ist. Denn auch der vorzeitige Ruhestand ist nicht auf das Lebensjahr fixiert, sondern steigt jedes Jahr um zwei Monate an. Ab dem Geburtsjahrgang 1964 können die Beschäftigten auch nach 45 Versicherungsjahren erst im Alter von 65 ohne Abschläge in Rente gehen.

    „Die große Aufgabe ist, für altersgerechte Arbeitsplätze zu sorgen“, sagt Rentenexperte Kurth. Für ihn ist klar, dass ein Tiefbauer oder eine Altenpflegerin nicht bis 70 im gelernten Beruf arbeiten können wird. Seine Idee ist daher, dass Beschäftigte mitten im Berufsleben ein Recht auf Umschulung haben müssen, um in einen Job zu wechseln, der körperlich weniger belastend ist. Außerdem plädiert er für eine Teilrente ab 60. Die Bezieher arbeiten bei diesem Ansatz nebenher weiter, zum Beispiel mit reduzierter Stundenzahl. „Nur so wird man den Leuten die Angst davor nehmen können, dass sie länger werden arbeiten müssen.“ 

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