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Spanien: Finale im spanischen Wahlkrimi: Staatsfeind kürt Regierungschef

Spanien

Finale im spanischen Wahlkrimi: Staatsfeind kürt Regierungschef

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    Der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont ist später heimlicher Wahlsieger der Wahl in Spanien.
    Der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont ist später heimlicher Wahlsieger der Wahl in Spanien. Foto: Europa Press, dpa

    Dreieinhalb Monate wurde hart verhandelt: um Einfluss, um Geld und um eine Generalamnestie, mit der alle Strafverfahren gegen katalanische Separatisten beendet werden sollen. Nun wurde ein Durchbruch erzielt, der Spaniens bisherigem sozialdemokratischem Regierungschef Pedro Sánchez und seiner Mitte-links-Koalition eine zweite Amtszeit sichert. Die konservative Opposition, die schon von einem Machtwechsel geträumt hatte, schäumt.

    Spaniens Linke sehen historische Chance Katalonien-Konflikt zu lösen

    Denn die entscheidende Unterstützung für Sánchez kommt ausgerechnet von Separatistenchef Carles Puigdemont – jenem Mann, der in den vergangenen Jahren von der spanischen Justiz als Staatsfeind gejagt wurde und sich nach Brüssel absetzte. Nachdem Spaniens Parlamentswahl im Juli mit einem Patt zwischen dem progressiven und dem konservativen Lager ausgegangen war, fiel Puigdemonts kleiner katalanischer Unabhängigkeitspartei im spanischen Parlament die Rolle des Königsmachers zu.

    Kann neue Regierung bilden: Spaniens amtierender Ministerpräsident Pedro Sánchez.
    Kann neue Regierung bilden: Spaniens amtierender Ministerpräsident Pedro Sánchez. Foto: Paul White, dpa

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    Der sozialdemokratische Verhandlungsführer Santos Cerdán bestätigte nach einer langen Verhandlungsnacht in Brüssel den Pakt mit Puigdemont: „Wir haben nicht nur ein Abkommen für die Regierungsbildung geschlossen, sondern für die gesamte vierjährige Amtsperiode.“ Dazu gehöre die Vereinbarung eines Amnestiegesetzes für Puigdemont und dessen Weggefährten. „Der Pakt ist eine historische Chance, um den Katalonien-Konflikt zu lösen, der nur auf politischem Weg beendet werden kann.“ 

    Ministerpräsident Sánchez kann mit absoluter Mehrheit rechnen

    Schon in den nächsten Tagen will sich der 51 Jahre alte Sánchez vom Parlament als Premier bestätigen lassen. Nach einem Verhandlungsmarathon schaffte er es, eine knappe Mehrheit der Abgeordneten hinter sich zu vereinen. Mit den sieben Abgeordnetenstimmen von Puigdemonts Partei „Zusammen für Katalonien“ kann Sánchez im Parlament jetzt mit der Unterstützung von 178 Abgeordneten rechnen, drei Stimmen mehr als die absolute Mehrheit. 

    Wie schon die vergangenen Jahre strebt Sánchez eine Minderheitsregierung an, die aus seiner sozialdemokratisch orientierten Sozialistischen Arbeiterpartei und dem linken Juniorpartner Sumar besteht und im Parlament von katalanischen sowie baskischen Regionalparteien gestützt wird.

    Attentat überschattet Regierungsbildung in Spanien

    Vor allem Kataloniens Ex-Präsident Puigdemont, der nach seinem illegalen Unabhängigkeitsreferendum 2017 aus dem Land floh, inzwischen aber in Brüssel Europaabgeordneter seiner Partei ist, trieb den Preis für seine Stimmen extrem hoch. Er setzte bei Sánchez eine Generalamnestie durch, von der er auch persönlich profitieren wird. Aber auch Hunderte weitere separatistische Aktivisten, gegen die wegen der unerlaubten Abspaltungsabstimmung noch ermittelt wird, können damit aufatmen. 

    „Die Amnestie ist illegal, unmoralisch und antidemokratisch“, poltert der konservative Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo. „Der Rechtsstaat ist in Gefahr“, warnte er. Für den 62-jährigen Feijóo ist Sánchez‘ erwartete Wiederwahl ein persönliches Scheitern. Der Vorsitzende der Volkspartei hatte selbst versucht, eine Regierung zu bilden – zusammen mit der rechtsnationalen Partei Vox. Feijóo bekam jedoch im Parlament keine Mehrheit, weil sich die nach mehr Autonomie strebenden Basken und Katalanen weigerten, eine konservativ-nationalistische Regierung zu stützen. Die Opposition will die Generalamnestie von Spaniens Verfassungsgericht prüfen lassen.

    Überschattet wurde der Durchbruch bei der Regierungsbildung in Spanien von Schüssen auf einen prominenten konservativen Politiker. Kurz nachdem am Donnerstag der Pakt der linken Parteien mit den katalanischen Separatisten bekannt wurde, schoss ein Unbekannter im Zentrum der Hauptstadt Madrid dem 78-jährigen Konservativen Alejo Vidal-Quadras mit einer Pistole in den Kopf. 

    Der Politiker wurde schwer verletzt ins Hospital gebracht. Vidal-Quadras war von 1991 bis 1996 Chef der oppositionellen spanischen Volkspartei in Katalonien. Der Politiker hatte kurz vor dem Schussangriff den Pakt zwischen dem Sozialdemokraten Pedro Sánchez und Puigdemont in einer Kurznachricht auf dem Netzwerk X (früher Twitter) scharf kritisiert: „Jetzt wurde ein niederträchtiger Pakt zischen Sánchez und Puidgemont geschlossen, der in Spanien den Rechtsstaat zermalmt“, schrieb Vidal-Quadras. Eine Stunde später, gegen 13.30 Uhr, wurde Vidal-Quadras niedergeschossen. 

    Augenzeugenberichten zufolge hatten sich die Täter ihrem Opfer auf einem Motorrad genähert. Der Beifahrer sei – ohne den Helm abzunehmen – abgestiegen und habe dem Politiker, der zu Fuß unterwegs war, ins Gesicht geschossen. Der Hintergrund der Tat war zunächst unklar. Politiker aller Parteien verurteilten die Tat.

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