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Umstrittene Reform: Wahlrecht wird zum Dauerbrenner vor dem Bundesverfassungsgericht

Umstrittene Reform

Wahlrecht wird zum Dauerbrenner vor dem Bundesverfassungsgericht

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    Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe muss sich mit dem alten und dem neuen Wahlrecht beschäftigen.
    Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe muss sich mit dem alten und dem neuen Wahlrecht beschäftigen. Foto: Uli Deck, dpa (Symbolbild)

    So schnell, wie es auf den ersten Blick scheint, ist das höchste deutsche Gericht dann doch nicht. Wenn am Dienstag das Bundesverfassungsgericht die Verhandlung über das Bundestagswahlrecht beginnt, geht es nicht um die heftig umstrittene Reform der Ampel-Koalition, sondern das noch gültige Gesetz aus Zeiten der Großen Koalition. Dennoch könnte das Verfahren Auswirkungen für die Zukunft haben. Denn kippt das Verfassungsgericht die Wahlrechtsreform der Ampel, könnte das alte Gesetz bei der Bundestagswahl 2025 gelten.

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    Derzeit bereiten die CSU, die Unionsfraktion, die bayerische Regierung und auch die Linke Verfassungsklagen gegen das Mitte März von SPD, Grünen und FDP beschlossene Wahlrecht vor. Einreichen können sie ihre Beschwerden aber erst im Juni, wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Reform mit seiner Unterschrift formal abgesegnet hat. An Steinmeiers Unterschrift wird trotz manch verfassungsrechtlicher Bedenken nicht gezweifelt, obwohl Bayerns Ministerpräsident und

    Das letzte Mal verweigerte 2009 der damalige Bundespräsident Horst Köhler vorübergehend die Unterschrift unter das Gesetz gegen Internetsperren, das später aufgehoben wurde. Allerdings heißt es in Berlin, das Bundespräsidialamt plane beim Wahlrecht nur die übliche Prüfung, was nicht auf übermäßig große Bedenken schließen lässt. Wie so oft bliebe es dann den Roten Roben in Karlsruhe vorbehalten, ob das neue Wahlrecht tatsächlich angewendet wird oder nicht. 

    Umstritten ist vor allem der Wegfall der sogenannten Grundmandatsklausel, die bislang einer Partei bei drei gewonnenen Direktmandaten den Einzug in den Bundestag sichert, selbst wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde landet, wie es bei der Linkspartei 2021 mit 4,9 Prozent der Fall war. Die CSU gewann in 45 von 46 bayerischen Wahlkreisen die Direktmandate und erhielt bundesweit gerechnet 5,2 Prozent der Stimmen.

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    Würde sie nach dem neuen Wahlrecht unter der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, käme kein einziger CSU-Abgeordneter in den Bundestag. Nur drei der 36 Sitze, die die CSU bei Modellrechnungen verlieren würde, blieben bei anderen Parteien in Bayern, der Rest würde auf andere Bundesländer aufgeteilt. Manche Verfassungsrechtler sehen deshalb das föderale Prinzip des Grundgesetzes verletzt, manche zudem das Grundprinzip der Stimmengleichheit, wenn nicht mehr alle Direktmandatsgewinner in den Bundestag einziehen sollen. 

    Kommt es in Karlsruhe zum großen Knall? Der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer hatte als Kompromiss jüngst eine Absenkung der Sperr-Hürde auf vier Prozent angeregt, andere Ampel-Politiker schlagen die Möglichkeit einer Listenverbindung für die CSU mit der CDU vor, was die auf Eigenständigkeit stolze bayerische Regierungspartei als „übergriffig“ entschieden abgelehnt hat. 

    SPD-Chefin erteilt Nachbesserungen am neuen Wahlrecht klare Absage

    Auch SPD-Chefin Saskia Esken erteilt allen Änderungen der Ampel-Reform eine klare Absage, bevor über die angekündigten Klagen entschieden ist: „Eine Debatte über Nachbesserungen an dem gerade geänderten Wahlrecht können wir erst dann sinnvoll führen, wenn sich das Verfassungsgericht damit befasst hat“, sagt sie unserer Redaktion. „Es waren aber die von der Union benannten Sachverständigen, die in der Anhörung zum ersten Entwurf darauf hingewiesen haben, dass die Grundmandatsklausel mit dem gestärkten Verhältniswahlrecht nicht mehr vereinbar sein und deshalb vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern könnte“, erklärt Esken. „Diesen Einwand der Fachleute hat sich die Koalition zu eigen gemacht und deshalb die Grundmandatsklausel gestrichen.“ 

    Die Verantwortung für den Streit um die Wahlrechtsreform sieht die SPD-Vorsitzende bei der CSU. „Alle bisherigen Versuche, mit einer Wahlrechtsreform die Stimmengewichte gerechter zu verteilen und gleichzeitig den Bundestag zu verkleinern, sind letztlich am Widerstand der CSU gescheitert, die nur bereit ist, Veränderungen zu akzeptieren, die ihre eigene Position stärken. Es ist deshalb gut, dass die Ampel-Regierung nun die Kraft gefunden hat, eine wirksame Wahlrechtsreform anzugehen.“

    So wird das Wahlrecht Karlsruhe noch lange beschäftigen. Auch für das alte noch von SPD und Union beschlossene Gesetz, gegen das Linke, Grüne und FDP wegen der vielen Überhangmandate geklagt hatten, wird frühestens in einigen Monaten mit einem Urteil gerechnet.

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