Die Migration hat die Wirtschaft als wichtigstes Wahlkampfthema verdrängt. Auslöser dafür ist das Verbrechen von Aschaffenburg. Ein ausreisepflichtiger afghanischer Asylbewerber hatte eine Kindergartengruppe mit einem Messer angegriffen, brachte ein Kind und einen Erwachsenen um. Wenige Wochen nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt bewegt die zweite von einem Migranten begangene Gewalttat das Land. Die Reaktionen darauf haben die Kraft, die politischen Koordinaten des Parteiensystems durcheinander zu bringen. Ein Überblick:
Friedrich Merz: Der Kanzlerkandidat von CDU und CSU will eine harte Kehrtwende in der Asylpolitik des Landes. „Das Maß ist endgültig voll“, hatte er nach Bekanntwerden der Bluttat von Aschaffenburg erklärt. Kündigte er zunächst an, nach dem möglichen Sieg bei der Bundestagswahl Ende Februar und der Ernennung zum Bundeskanzler die Migration von Tag 1 an einzudämmen, prescht er jetzt massiv nach vorne. Schon nächste Woche soll der Bundestag über seinen 5-Punkte-Plan zur Begrenzung der Zuwanderung entscheiden. Darin enthalten sind unter anderem die unmittelbare Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze und stärkere Durchgriffsrechte der Bundespolizei gegen Migranten. Er will alle Grenzen dauerhaft zu kontrollieren und alle illegalen Einreisen zurückweisen. Das gelte auch für Menschen mit Schutzanspruch. „Es wird ein faktisches Einreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland für alle geben, die nicht über gültige Einreisedokumente verfügen oder die von der europäischen Freizügigkeit Gebrauch machen.“
Mit dem Antrag nimmt er in Kauf, ein großes Loch in die Brandmauer zur AfD zu schlagen, die er selbst zuletzt lebhaft verteidigte. „Wer diesen Anträgen zustimmen will, der soll zustimmen. Und wer sie ablehnt, der soll sie ablehnen. Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus“, betonte der CDU-Chef. Noch vor wenigen Tagen klang das ganz anders: „Mit diesen Leuten nicht“, hatte er gesagt. Kommende Woche könnten damit das erste Mal im Bundestag Konservative und Rechtsnationale bei einem wichtigen Vorhaben zusammenarbeiten. Merz setzt alles auf diese Karte, weil ihn AfD Alice Weidel sonst vor sich hergetrieben hätte. Für die Union ist der Schritt nicht ohne. Noch jüngst reagierten CDU und CSU entsetzt über die österreichischen Konservativen der ÖVP, die in ein Bündnis mit der rechtsnationalen FPÖ eintreten wollen. Auch in den ostdeutschen Landesverbänden der CDU gibt es Stimmen, die für eine Zusammenarbeit mit der AfD plädieren.
Alice Weidel: Der Kampf gegen die Zuwanderung ist das Leib- und Magenthema der AfD. Die Ablehnung der Politik der offenen Grenze von Alt-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sie stark gemacht. Kanzlerkandidatin Alice Weidel hatte Merz in den vergangenen Wochen immer wieder vorgeworfen, nach der Wahl die von ihm in Aussicht gestellte Asylwende doch nicht umzusetzen, weil er mit Grünen oder SPD ein neues Regierungsbündnis schmieden werde. Am Donnerstag jubelte Weidel über den Richtungswechsel der Union. „Die Brandmauer ist gefallen! CDU und CSU haben mein Angebot angenommen, in der Schicksalsfrage der Migration im Bundestag gemeinsam mit der AfD zu stimmen.“ Für die 45-Jährige ist der Erfolg dennoch zweischneidig. Wird die Zahl der Flüchtlinge deutlich gesenkt, fehlt der AfD das Zugthema. Der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland hatte die Flüchtlingskrise 2015 einst als Geschenk für die Partei bezeichnet. Andererseits könnte die Partei auch davon profitieren, dass ihre Positionen durch eine gemeinsame Abstimmung mit CDU und CSU hoffähig gemacht werden.
Olaf Scholz: Der Kanzler hält nichts von markigen Ankündigungen und Forderungen in der Asylpolitik. Olaf Scholz setzt auf die Änderung im Klein-Klein der Vorschriften und Gesetze. Gemeinsam mit den Bundesländern hat diese Politik durchaus Wirkung gezeigt. Im vergangenen Jahr sank die Zahl der Asylanträge laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Vergleich zu 2023 um 30 Prozent auf 329.000. Die Zahl der Abschiebungen stieg im gleichen Zeitraum um 20 Prozent auf rund 20.000. Dennoch macht die Abscheulichkeit der Verbrechen die Erfolge in der Asylpolitik zunichte. Denn der Täter von Aschaffenburg hätte nicht mehr in Deutschland sein dürfen. „Es bedrückt mich zutiefst, was in Aschaffenburg passiert ist und das wird noch lange so sein“, sagte Scholz. Er sieht ein Versagen der bayerischen Behörden, denn für das Außerlandesbringen von Asylbewerbern sind die Länder zuständig. Der Kanzler steht im Wahlkampf vor dem Dilemma, dass der Kurs der kleinen Schritte im Vergleich zu den markigen Vorschlägen der Konkurrenz verblasst. Womöglich kann er aber davon profitieren, dass sich potenzielle Merz-Wähler wegen der Zusammenarbeit mit der AfD von der Union abwenden.
Bei wem nur Aschaffenburg die Wahlkampfstrategie und/oder die Politik ändert, ist nicht wählbar.
Da muß ich Ihnen mal wirklich Recht geben, Herr Kraus. Ganz nebenbei: es gibt ungefähr 3x soviel Tote / Tag ... im Strassenverkehr.
Sie können nur Unfälle im Strassenverkehr nicht mit bewaffneten Übergriffen mit fatalen Folgen für die Opfer vergleichen. Es geht nicht an, dass das Gesetz des Dschungels in den gesellschaftlichen Beziehungen zum normalen Alltag wird. Oder sollen wir akzeptieren, dass man damit rechnen muss, dass irgendeine durchgeknallte Person anderen ein Messer in den Bauch rammt, einfach so.
Mir scheint, Sie versuchen nur noch zu provozieren, indem Sie zwei Dinge miteinander verbinden, die überhaupt keinen Zusammenhang haben. Ist das eine neue Strategie?
Das scheint die Katz und Maus Strategie von Weidel zu sein, respektive denen die die AFD für wählbar halten.
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