Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Worum Wolodymyr Selenskyj die Deutschen im Bundestag anflehte

Bundestag

Selenskyj im Bundestag: "Wir werden euch immer dankbar sein!"

    • |
    Wolodymyr Selenskyj während seiner historischen Rede im Deutschen Bundestag.
    Wolodymyr Selenskyj während seiner historischen Rede im Deutschen Bundestag. Foto: Bernd von Jutrczenka

    Nun steht er also an jenem Ort, an dem einst Wladimir Putin auf Deutsch vom Aufbau des gemeinsamen Hauses Europa sprach. Im Bundestag, wo die Abgeordneten dem russischen Präsidenten damals stehend applaudierten. Fast 23 Jahre ist das her, Putin ist ein anderer geworden, die Welt ist eine andere geworden. Und am grausamsten bekommen das die Ukrainerinnen und Ukrainer zu spüren. Die Truppen des Kreml-Despoten töten dort jeden Tag Menschen, auch Zivilisten, große Teile des Landes liegen in Trümmern. Wolodymyr Selenskyj ist der Mann, der alles irgendwie zusammenhalten muss. Und nun steht der ukrainische Präsident also am Pult des Bundestags und hat vor allem zwei Botschaften an Deutschland. 

    Es ist ein durchaus historischer Moment, als der 46-Jährige unter großem Beifall an der Seite von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzler Olaf Scholz den Saal betritt. Erstmals wird er nicht per Videoschalte, sondern mit direktem Blickkontakt zu den Parlamentariern sprechen. Doch einige Sitze im Plenum bleiben leer. 

    Wolodymyr Selenskyj hält im Deutschen Bundestag eine Rede. Die Sitze der AfD-Fraktion bleiben weitgehend leer.
    Wolodymyr Selenskyj hält im Deutschen Bundestag eine Rede. Die Sitze der AfD-Fraktion bleiben weitgehend leer. Foto: Christoph Soeder, dpa

    Das Bündnis Sahra Wagenknecht, das in den vergangenen Monaten immer wieder Kreml-freundliche Positionen bezogen hatte, will Selenskyj nicht reden hören. Die Führung in Kiew riskiere eine Ausweitung des Krieges, begründet das BSW diesen Boykott. Auch die Reihen ganz rechts, wo die AfD-Fraktion ihren Platz hat, bleiben nahezu komplett unbesetzt. 

    Wolodymyr Selenskyj spricht zum ersten Mal live im Bundestag

    Anders als seinerzeit Putin trägt Selenskyj keinen Anzug, keine Krawatte. Den Dresscode des Staatsmannes hat er am Tag des russischen Überfalls im Februar 2022 aufgegeben. Militärisches Olivgrün und Schwarz sind seitdem seine Farben. "Liebes deutsches Volk", sind seine ersten Worte. "Ich möchte mich bei Ihnen allen dafür bedanken, dass die Menschlichkeit in Ihren Herzen obsiegt." Er spricht vom Traum eines Europas in Frieden, von einem "glücklichen Haus für unsere Kinder." Immer wieder legt er seine Hand aufs Herz. "Wir werden diesen Krieg beenden – im Interesse der Ukraine und im Interesse von Europa, von uns allen", sagt er. 

    Viele solcher Reden hat Selenskyj in den vergangenen zwei Jahren gehalten. Seine Mission ist klar: Er kämpft darum, dass die Solidarität, die Unterstützung für sein gepeinigtes Land nicht nachlässt, dass sich keiner daran gewöhnt, wenn mitten in Europa Bomben fallen, dass die Kriegsmüdigkeit die Regierungen im Westen nicht ansteckt. Dankbarkeit und die dringende Bitte, die Ukraine nicht alleine zu lassen – das sind die beiden zentralen Botschaften auch an diesem Tag in Berlin. 

    Ukrainischer Präsident Selenskyj erinnert bei Rede an die deutsche Teilung

    Selenskyj erinnert die Deutschen an ihre eigene Geschichte, daran, wie grausam es für sie gewesen war, in einem geteilten Land zu leben. Seine Worte sind auch ein Signal an all jene, die appellieren, sein Land müsse ukrainische Gebiete an Putin abtreten, um ein Ende des Krieges möglich zu machen. Diejenigen, die den Krieg entfesselt haben, hält er entgegen, müssten zur Verantwortung gezogen werden. Nur dann bestehe eine Chance auf Genesung. 

    Der ukrainische Präsident greift auch die Forderung nach Verhandlungen mit Putin auf, die immer wieder aus den an diesem Tag leeren Reihen von AfD und BSW erhoben werden: "Die Zeit für Kompromisse war vorbei, als Putin unsere Städte anzündete." Putin sei es gewohnt, zu unterwerfen, sagt Selenskyj und warnt davor, Russland den "weiteren Marsch durch Europa zu erlauben". 

    Bundeskanzler Olaf Scholz (rechts) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstag in Berlin.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (rechts) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstag in Berlin. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Und wieder zieht er Parallelen zum Schicksal der Deutschen. "Manche dachten, die Mauer bleibt für immer, aber die Mauer verschwand – das hing alleine von der politischen Führung und vom Willen der Menschen ab." Auch heute erscheine es so, als sei Putin "für immer und ewig" und ein Ende des Krieges nicht in Sicht. "Aber das ist eine Illusion, die zerstört werden kann. Und wir werden das zusammen tun. Wir werden euch immer dafür dankbar sein", sagt Selenskyj unter großem Applaus im Bundestag. "Es gibt keine Mauern, die nicht fallen", ruft er den Deutschen in Erinnerung. 

    Selenskyj bedankt sich für deutsche Hilfe

    Der Gast aus Kiew bedankt sich, dass Deutschland seinem Land Flugabwehrsysteme zur Verfügung gestellt hat, um sich gegen russische Attacken zu verteidigen. "Auf diese Weise haben Sie Tausende Menschenleben gerettet." Es gebe nur ein einziges Ziel: ein friedliches Europa. 

    Selenskyj setzt große Hoffnungen auf die am Samstag beginnende internationale Konferenz in der Schweiz. Bei diesem Gipfel soll es um mögliche Wege zu jenem Frieden in der Ukraine gehen. "Wir wollen der Diplomatie eine Chance geben", sagt der ukrainische Staatschef. Der Deutsche Bundestag erhebt sich zum Applaus. 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden