Dem FC Bayern ist einst der Trainer abhandengekommen, weil er sich nicht den unwiderlegbaren Tatsachen der Mathematik beugen wollte. Ottmar Hitzfeld hatte vor einem Uefa-Cup-Spiel die einfache Rechnung angestellt, dass es für den weiteren Saisonverlauf günstig wäre, in einem unwichtigen Spiel (schließlich galt der Wettbewerb Beckenbauer sei Dank als Cup der Verlierer) etliche seiner Stammspieler zu schonen. Das sah Karl-Heinz Rummenigge nach dem 1:1 gegen die Bolton Wanderers anders. "Fußball ist keine Mathematik", stellte der damalige Vorstandschef fest, der unter anderem mit Millionenerlösen vernünftig umgehen sollte, die das Fußballgeschäft erwirtschaftete.
Der studierte Mathematiklehrer Hitzfeld konnte mit derartiger Wissenschaftsleugnung wenig anfangen und verwarf den Gedanken, seinen Vertrag über die Saison hinaus zu verlängern. Die Bayern verpflichteten dafür Jürgen Klinsmann. Eine Rechnung, die nicht aufging.
Taschenrechner sind vor dem Spiel gegen Portugal gefragt
Vor dem zweiten Gruppenspiel der EM sollten die deutschen Spieler und Trainer daher einmal kurz den Taschenrechner bemühen, ehe sie sich in das Duell mit den Portugiesen begeben. Der Gegner weiß am besten, warum. Schließlich gelang es den Portugiesen bei der vergangenen EM, mit lediglich drei Punkten ins Achtelfinale einzuziehen. Als viertbester der sechs Gruppendritten rechneten sie sich gerade noch so in die K.-o.-Runde – und feierten wenig später den EM-Titel.
Auch bei der diesjährigen Ausgabe des Turniers kann sich die Uefa nur schwer von den Mannschaften trennen. Nach der Vorrunde wird das Feld lediglich von 24 auf 16 Mannschaften reduziert. Ein dritter Platz mit vier Punkten sollte genügen, um ein Vorrundenaus abzuwenden – aber nicht einmal das ist sicher. Wie also sollen die Deutschen reagieren, wenn es kurz vor Schluss Unentschieden steht? Mit Gewalt nach dem Siegtreffer zu trachten, kann in einem schmerzhaften Konter enden.
Will man überhaupt vor den Portugiesen landen?
Damit einher geht die Frage, ob es überhaupt ratsam ist, die Portugiesen in der Tabelle hinter sich zu lassen. Als Gruppenzweiter würde im Achtelfinale der Sieger der Gruppe D warten. Das könnten beispielsweise die Engländer sein, die dann die Partie zu Hause austragen dürften.
Als Gruppendritter wiederum würden die Sieger aus B oder C (wo die Niederländer bereits als Erster feststehen) warten. Ob das leichter ist? Ottmar Hitzfeld hätte wahrscheinlich Freude an einer derartigen Ausgangssituation. Letztlich aber lässt sich die Situation auch mit der bekanntesten deutschen Spielvorbereitungsformel auflösen: "Geht’s raus und spielt’s Fußball."