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Iran: Weil sie nicht ins Stadion darf: Frau zündet sich selbst an

Iran

Weil sie nicht ins Stadion darf: Frau zündet sich selbst an

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    Bislang ist es im Iran ausschließlich Männern erlaubt, Fußballspiele im Stadion zu verfolgen. Frauen sollen so vor dem Anblick halbnackter Männer geschützt werden.
    Bislang ist es im Iran ausschließlich Männern erlaubt, Fußballspiele im Stadion zu verfolgen. Frauen sollen so vor dem Anblick halbnackter Männer geschützt werden. Foto: Imago Images

    Sahar Khodayari wollte nur ein Spiel ihres Lieblingsvereins sehen. Dafür musste sich die 29-jährige Iranerin als Mann verkleiden: Als einziges Land der Welt verbietet der Iran Frauen den Besuch von Fußballstadien – angeblich, um sie vor dem Anblick halb bekleideter Männer auf dem Rasen zu schützen. Rechtzeitig vor einem WM-Qualifikationsspiel der Iraner am 10. Oktober soll das Verbot jetzt fallen, doch für Khodayari kommt die Reform zu spät.

    Als Khodayari sich im März in ein Stadion in Teheran schlich, weil dort ihr Klub Esteghlal gegen eine Mannschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten antrat, war sie keinesfalls die erste Iranerin, die auf diese Weise zu einem Spiel wollte. Viele Frauen ziehen Männerkleider an, um ein Spiel zu sehen. Laut Menschenrechtsorganisationen sitzen derzeit mehrere Iranerinnen im Gefängnis, weil sie in Stadien entdeckt und festgenommen wurden. Allein im August wurden laut Medienberichten sechs Frauen eingesperrt.

    Die Sicherheitsleute erkannten Khodayari als Frau

    Auch bei Khodayari funktionierte der Trick nicht. Zwar kleidete sie sich ganz in Blau, der Vereinsfarbe von Esteghlal, doch die Sicherheitsleute im Stadion erkannten sie als Frau und ließen sie festnehmen. Nach zwei Tagen im Gefängnis kam sie auf Kaution frei, doch die Justiz bereitete eine Anklage gegen sie vor. Der Vorwurf lautete auf „sündhafte Tat“, weil Khodayari in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch angetroffen wurde, wie Amnesty International berichtet. Die junge Frau musste deshalb Anfang September vor einem Gericht in Teheran erscheinen. Dort erfuhr sie, dass sie bei einer Verurteilung bis zu sechs Monaten ins Gefängnis müsse. Nach der Anhörung übergoss sich Khodayari vor dem Gerichtsgebäude mit Benzin und zündete sich an. Sie starb eine Woche später im Krankenhaus.

    Das Schicksal des „blauen Mädchens“, wie Khodayari seit ihrem Tod genannt wird, löste im Iran und international Empörung aus. Iranische Frauenrechtlerinnen trafen sich vor einem Stadion zu einer Protestkundgebung, auf Twitter machte der Hashtag #BlueGirl Furore, Fußballerinnen in Italien traten aus Zeichen ihrer Verbundenheit mit Khodayari mit blauen Armbändern auf. Masoud Shojaei, der Kapitän der iranischen Nationalmannschaft, nannte das Stadionverbot für Frauen das Produkt einer „verfaulten und ekelhaften Denkweise“.

    Sogar in Saudi-Arabien dürfen Frauen ins Stadion

    Die iranische Führung brachte zunächst nicht mehr zustande als die Ankündigung einer Untersuchung und Ausflüchte. Die „üble Sprache“ von Fußballfans im Stadion sei nun einmal nichts für Frauen, wurde ein Mitarbeiter von Präsident Hassan Ruhani zitiert. Solche Sprüche brachten die Regierung nur noch mehr in die Bredouille. Sogar im streng islamisch regierten Saudi-Arabien werden Frauen in die Fußballstadien gelassen. Der Iran stand als drakonischer Steinzeit-Staat da, der selbst hinter dem östlichen Nachbarn und Bürgerkriegsland Afghanistan zurückgeblieben war.

    Nur ein Mal im vergangenen Jahr durften Frauen ein Spiel in Teheran sehen, doch das war die Ausnahme: Weil Gianni Infantino, Präsident des Weltfußballverbandes Fifa, unter den Zuschauern war, wollten die iranischen Behörden offenbar eine Liberalisierung vortäuschen. Nach Infantinos Abreise wurde das Stadionverbot wieder durchgesetzt.

    Die Fifa geriet ihrerseits in die Kritik

    Nach Khodayaris Tod nahm der Druck auf Teheran jedoch zu – auch weil die Fifa ihrerseits in die Kritik geriet. Die Benachteiligung von Frauen verletzt das Diskriminierungsverbot des Verbandes, doch die Funktionäre hatten das Regime in Teheran jahrelang gewähren lassen. Acht Briefe habe sie an Fifa-Chef Infantino geschrieben, ohne dass etwas geschehen sei, sagte die Frauenrechtsaktivistin Maryam Shojaei, eine Schwester von Mannschaftskapitän Shojaei, dem US-SenderCNN. Wenn die Fifa gehandelt hätte, wäre das „blaue Mädchen“ noch am Leben.

    Infantino und die anderen Funktionäre mussten handeln und schickten vorige Woche eine Delegation in den Iran. Anschließend erklärte der Fifa-Chef, die Iraner hätten „zugesichert“, dass Frauen künftig im Stadion zugelassen seien. Beim Länderspiel gegen Kambodscha im Oktober soll es zum ersten Mal so weit sein. „Das hat es seit 40 Jahren nicht mehr gegeben“, so Infantino. Rund 4600 Plätze auf einer eigens eingerichteten Tribüne für Frauen sind vorgesehen. Ob das Stadionverbot damit aber tatsächlich ein für alle Mal abgeschafft wird, muss sich noch zeigen.

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