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Kommentar: Fußball-WM in Katar: Wie der Sport seine Glaubwürdigkeit verkauft

Kommentar

Fußball-WM in Katar: Wie der Sport seine Glaubwürdigkeit verkauft

Florian Eisele
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    Die Fußball-WM findet Ende des Jahres in Katar statt.
    Die Fußball-WM findet Ende des Jahres in Katar statt. Foto: Christian Charisius, dpa

    In diesen Tagen würden bei der Fußball-Weltmeisterschaft gerade die K.-o.-Spiele anstehen. In den Biergärten wäre der Platz in der Nähe der Bildschirme knapp, während das Volk der 80 Millionen Bundestrainer darüber diskutiert, ob Hansi Flick auch wirklich die richtige Taktik gewählt hat. Fußball-WM eben. Weil der Weltverband Fifa das diesjährige Turnier aber bekanntermaßen an das Emirat Katar vergeben hat und es dort im Sommer überraschenderweise unerträglich heiß ist, finden die Spiele im November und Dezember statt. Das Finale etwa geht am vierten Advent über die Bühne.

    Der Zeitplan ist das Erste, was gewöhnungsbedürftig ist an diesem Turnier – es ist beileibe aber nicht das Einzige, was hier negativ auffällt. Denn selten war ein WM-Gastgeber im Vorfeld derart öffentlich diskreditiert: Mehr als 6500 Gastarbeiter sind im Zuge der Stadionbauarbeiten gestorben. Homosexualität ist in Katar ein Straftatbestand (und wird es auch während der WM bleiben), Menschenrechte oder Pressefreiheit sind in der Monarchie nach Ansicht von Menschenrechtsorganisationen massiv beeinträchtigt.

    400 Millionen Dollar für Newcastle: Sportswashing soll einen Imagetransfer bewirken

    Katar selbst will die Strahlkraft des Sports als Bühne nutzen, um das ramponierte internationale Image aufzupolieren. Diese Praxis ist mittlerweile so beliebt, dass für sie ein eigener Begriff geprägt wurde: Sportswashing. Rund um den Erdball liefert der Sport, dessen Funktionäre gerne jegliche politische Verantwortung von sich weisen, Beispiele dafür: Die Fußball-WM 2018 fand in Russland statt; China durfte zweimal Olympia austragen; Belarus sollte lange Zeit die Eishockey-WM 2021 ausrichten; die Formel-1-Saison 2022 startete in Bahrain und Saudi-Arabien und endet in Abu Dhabi.

    Stichwort Saudi-Arabien: Der Staat, der den Mord an dem Journalisten Dschamal Kaschoggi in Auftrag gegeben hat, liefert sich mit dem verfeindeten Katar ein Wettrennen um das höchste Sport-Sponsoring – und dürfte derzeit vorne liegen. Im vergangenen Jahr erwarb ein Investment-Fonds, dessen Vorsitzender Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman ist, die Mehrheit am Premier-League-Klub Newcastle United. Kostenpunkt: 400 Millionen US-Dollar.

    Zwei Milliarden US-Dollar für eine Golfserie: Saudi-Arabiens Kraftakt

    Sogar zwei Milliarden Euro war den Saudis ihr eigenes Golf-Turnier wert: Auf der LIV- Tour, die Mitte Juni an den Start gegangen ist, werden Preisgelder in Rekordhöhe ausgezahlt. Der erste Gewinner, der Südafrikaner Charl Schwartzel, erhielt fünf Millionen US-Dollar für seine Erfolge im Einzel und Team. Die Gleichgültigkeit, mit der einige Sportler auf das offenkundige Sportswashing reagieren, ist bemerkenswert. Golf-Legende Greg Norman, der das Gesicht von LIV ist, sagte zu den Vorwürfen rund um Kaschoggi: "Wir haben alle Fehler gemacht und wollen nun aus ihnen lernen."

    Es wird mehr brauchen als die mutmaßlich flache Lernkurve von Greg Norman, um die beschädigte Akzeptanz von Sportveranstaltungen wie Olympia, der Fußball-WM oder anderer Events aufzubessern. Denn ein Image-Transfer findet auch in der anderen Richtung statt. Olympia etwa ist durch die bisherige Vergabepraxis so beschädigt, dass sich nur noch wenig Bewerber als Ausrichter finden. Eine Initiative fordert dazu auf, keine Produkte von WM-Sponsoren zu kaufen oder nach Katar zu reisen. Angesichts der Haltung der Verbände scheint Boykott der einzige Weg zu sein, etwas zu bewirken. Sehr wahrscheinlich aber werden viele wieder einschalten, wenn der erste Ball rollt. Und das auch bei einer WM in Advent.

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