Defibrillatoren machen Laien zu Lebensrettern
München (dpa) - Leben retten kann so einfach sein. Etwa 140 000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland am plötzlichen Herztod - bis zu drei Viertel davon könnten mit Stromstößen aus dem Defibrillator überleben, sagt der Münchner Notarzt Karl-Georg Kanz.
Der Verein "München gegen den plötzlichen Herztod", bei dem Kanz Berater ist, stellte deshalb 48 der Notfall-Geräte in der U-Bahn der bayerischen Hauptstadt auf - ein in Deutschland einzigartig dichtes Netz an Rettungsgeräten für Jedermann. Passanten eilen damit Herzpatienten zur Hilfe. Zehn Menschen konnten in den vergangenen fünf Jahren gerettet werden, vier Mal kam Hilfe zu spät.
Das sei eine fantastische Quote, sagt Kanz. Schließlich überlebten bei Herzkreislaufzusammenbrüchen sonst nur fünf Prozent. "Es gibt keine einfachere und billigere Chance, Leben zu retten", meint er. Tatsächlich ist das Prinzip der rund 1500 Euro teuren Maschinen simpel: Mit einem Stromstoß soll das flimmernde Herz in geordnete Aktionen zurückversetzt werden, damit wieder Blut durch den Körper gepumpt wird. Zwei Elektroden werden am freien Oberkörper befestigt und ein Knopf wird gedrückt. Der Zeitdruck ist hoch: Jede Minute sinkt die Überlebenschance um zehn Prozent.
Viel zu häufig kämen Rettungskräfte in solchen Fällen zu spät, sagt der Vorsitzende des Vereins gegen den plötzlichen Herztod, Markus Matula. Daher sei die prompte Hilfe von Passanten so wichtig. Der medizinische Laien-Einsatz wird vielerorts aber abgelehnt. Im Nürnberger Verkehrsraum etwa gibt es nur einen Defibrillator am Hauptbahnhof und fünf weitere in Geschäftsräumen der Städtischen Werke. Die dürften aber nur von geschultem Personal bedient werden, sagt eine Sprecherin. Damit halte man sich an die Gesetze.
Juristisch gesehen liegt sie damit auf der sicheren Seite. Denn das Medizinproduktegesetz schreibt vor, dass nur eingewiesenes Personal medizinische Geräte bedienen darf. Daher dürfen ahnungslose Passanten per Gesetz keine "Defis" bedienen.
In München ist das dennoch der Fall. Rechtlich gesehen sei das eine Grauzone, räumt der Kardiologe Matula ein. Wenn Passanten etwas mit dem Gerät falsch machten, könnten sie rein theoretisch wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt werden. "Aber das passiert nicht, schließlich ist ein Defi idiotensicher", sagt Matula. Per Sprachcomputer wird dem Benutzer die Bedienung erklärt. Wenn ein Mensch nur ohnmächtig am Boden liege, werde das von dem Gerät erkannt und ein Stromstoß verhindert. Einmal allerdings vergaß eine aufgeregte Helferin, den Knopf zu drücken. Der Stromstoß blieb aus, das Opfer starb. Natürlich habe es keine juristischen Konsequenzen gegeben, sagt Matula. "Richter und Staatsanwälte stehen schließlich auf dem Boden der Tatsachen."
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, der CSU- Bundestagsabgeordnete Wolfgang Zöller, unterstützt die Verbreitung von frei zugänglichen Defibrillatoren, ob in Firmen, Bankfilialen oder auf öffentlichen Plätzen. Derzeit gebe es Pläne für ein zentrales Register, sagt Zöller. Damit spricht er ein Hauptproblem an: Häufig brechen Menschen zusammen und sterben, obwohl Defis ganz in der Nähe sind - was die Helfer nicht wissen.
Vorbehalte gegen die "Defis" sind weit verbreitet: Im Münchner Rathaus steht so ein Gerät, im Nürnberger Rathaus hingegen nicht. Dazu habe es zwar kürzlich einen Antrag gegeben, sagt ein Sprecher der Nürnberger Stadtverwaltung. Doch der sperrige bunte Kasten durfte nicht angebracht werden - das sei nicht mit dem Denkmalschutz vereinbar gewesen.
Initiative "München gegen den plötzlichen Herztod": www.gegen-den-herztod.de
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