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Daimler AG: Das Vermächtnis des Dieter Zetsche

Daimler AG

Das Vermächtnis des Dieter Zetsche

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    Daimler-Chef Dieter Zetsche lässt sich mit Jeans und Sneakers vor dem neuen Elektroauto des Stuttgarter Konzerns fotografieren.
    Daimler-Chef Dieter Zetsche lässt sich mit Jeans und Sneakers vor dem neuen Elektroauto des Stuttgarter Konzerns fotografieren. Foto: Thomas Kienzle, afp

    Er tut es wieder. Allen Frotzeleien über seinen allzu lockeren Kleidungsstil zum Trotz trägt Dieter Zetsche am Mittwoch bei der Bilanzpressekonferenz in Stuttgart eine Jeanshose, die um die Knie Falten wirft. Die Beinkleider des zuletzt 8,6 Millionen Euro im Jahr verdienenden Mannes erwecken nicht den Eindruck, als wären sie kurz vor dem von Zahlen dominierten Anlass aufgebügelt worden. Zum inzwischen schon bekannten Zetsche-Dress gehören auch blaue Sneakers mit weißer Sohle und ein sportliches Jackett mit weißem Hemd. Der oberste Knopf bleibt bei dem 65-jährigen Manager mit dem weißen Walrossbart und der runden, schmalrandigen Brille offen.

    Mit der Verjüngung der angestaubt wirkenden Fahrzeugflotte in den vergangenen Jahren trat auch Zetsche immer jugendlicher auf. Dabei kam seine ohnehin vorhandene Neigung zur Selbstironie, eine in den Top-Etagen deutscher Aktiengesellschaften unterrepräsentierter Wert, zunehmend zum Vorschein. Je mehr sich seine Zeit als Vorstandschef nach 13 Jahren dem Ende entgegen neigt, verstärkt sich die Tugend, die eigene Person auf die Schippe zu nehmen. In seiner letzten Jahresendbotschaft erreicht der Zetsche-Spaß auf eigene Kosten seinen Höhepunkt. Hier tritt er beim Weihnachtsmann zu einem Bewerbungsgespräch an, endet doch sein Vorstandsjob mit der Hauptversammlung am 22. Mai. Dann wird der Schwede Ola Källenius, 49, den Stuttgarter Konzern führen.

    Zetsche selbstironisch: Beim Weihnachtsmann zum Bewerbungsgespräch

    Doch um so viel Selbstironie-PS wie Zetsche auf die Straße zu bringen, muss sich der Skandinavier anstrengen. In dem Video versucht der Noch-Daimler-Boss jedenfalls im Gespräch mit dem als Job-Berater auftretenden Weihnachtsmann herauszufinden, für welche Anschluss-Tätigkeit er sich denn eignet.

    Dabei räumt Zetsche selbst ein, für weitere Funktionen bei dem Autobauer, ob in der Designabteilung oder als Arbeiter am Band, eher weniger begabt zu sein. Und Fußball-Nationaltrainer Jogi Löw, der in dem Filmchen mitspielt, erteilt seinem Freund Dieter eine Absage auf seine Bewerbung als Stürmer: Denn Timo Werner sei dann doch noch schneller als Zetsche. Am Ende scheidet auch ein Arbeitsplatz als Formel-1-Fahrer aus. Zetsche passt nicht ganz in den engen Anzug. Doch er wird nicht arbeitslos, schließlich nimmt ihn der Weihnachtsmann in seinen Experten-Stab auf und drückt dem am Ende seiner Karriere stehenden Manager einen Stapel mit zu bearbeitenden Wunschzetteln in die Hände. So bleibe doch alles beim Alten, meint Zetsche lächelnd und ein wenig resignierend.

    Deutlicher Gewinneinbruch auf 7,6 Milliarden Euro

    Und auch in den letzten Monaten als erster Mann des Konzerns wachsen die Wunschzettel der Daimler-Aktionäre und Finanzanalysten in die Höhe. Das kann den Chef einer Aktiengesellschaft nicht kalt lassen und daher arbeitet Zetsche mit seinem Nachfolger an einem noch nicht näher definierten Effizienzprogramm – nicht das erste in seiner langen Daimler-Karriere, die schon 1976 begann. Denn seit der Konzern im vergangenen Jahr einen deutlichen Gewinneinbruch von rund 10,6 auf 7,6 Milliarden Euro verkraften musste, wird an der Führung des Konzerns herumgemäkelt. Dabei verschweigen mit einem gesunden Hunger ausgestattete Finanzanalysten und Anteilseigner gerne, dass die Daimler AG 2017 mehr als je zuvor verdient hat.

    Sie rufen auch nicht in Erinnerung, wie hart Zetsche kämpfen musste, um die Hinterlassenschaften seines allzu wagemutigen Vorgängers Jürgen Schrempp aufzuräumen. Hier fielen immense Renovierungsarbeiten an, die sich über Jahre hinzogen und den Konzern 2009 mit rund 2,6 Milliarden Euro sogar in die roten Zahlen drückten. Von da an ging es aber in der Tendenz stetig bergauf, bis 2017 schwindelnde Höhen erreicht wurden. Doch auch Daimler konnte sich 2018 nicht dem Gegenwind einer schwächeren Auto-Konjunktur entziehen und fiel mit zwei Gewinnwarnungen negativ auf.

    Spätphase der Daimler-Regentschaft: Note Zwei minus

    Dass die Daimler AG nicht weiter nach dem Spitzenniveau abgestürzt ist, verdankt Zetsche dem guten Lkw-Geschäft, während der Pkw-Absatz stagnierte. So müssen sich die Aktionäre mit einer niedrigeren Dividende anfreunden. Der Bonus soll von 3,65 auf 3,25 Euro je Aktie sinken. Angesichts derartiger Botschaften will sich Zetsche trotz einiger Steilvorlagen von Journalisten nicht loben, obwohl er doch das Unternehmen vom Schrempp-Abgrund weggeführt und erfolgreich modernisiert hat.

    In Erinnerung wird aber auch bleiben, dass der Manager in der Spätphase seiner Daimler-Regentschaft keinen Einser mehr, sondern eher eine Zwei minus, wenn nicht einen Dreier geschrieben hat. So beantwortet der Manager Fragen möglichst nüchtern. Er verzichtet meist auf Ironie. Nur einmal kommt der alte Zetsche durch, als er betont, Daimler habe die Elektro-Wende nicht im Zustand eines „großen Schnarchens“ verschlafen.

    Die Elektromarke EQ kommt 2019 auf den Markt  

    Er sieht den Konzern im Gegenteil gut gerüstet, kommt doch 2019 im Zuge der E-Offensive das erste Auto der neuen Marke EQ auf den Markt. Dabei sei die Nachfrage nach dem Stromer so hoch, dass Daimler diese 2019 und 2020 nicht bedienen könne. Der sonst lockere Zetsche wägt jede Formulierung ab. Er will den Börsianern nicht neues Futter gegen ihn bieten. Die Aktie war ja 2018 ganz unspaßig von etwa 75 auf rund 45 Euro abgeschmiert. Während sie sich im Januar bei Werten von bis zu 53 Euro stabilisiert hatte, ging es am Mittwoch wieder nach unten.

    So vermeidet Zetsche alle kessen Sprüche. Sein lockeres Outfit steht im Kontrast zur angespannten Lage bei Daimler. Von einem Jobabbau ist aber noch nicht die Rede.

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