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Foto: Bernhard Weizenegger
Foto: Bernhard Weizenegger

Den Ausbau erneuerbarer Energien steuert vor allem das Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG. Hier steht jetzt eine große Überarbeitung an.

EEG-Novelle
18.09.2020

Fehlt der Mut im neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz?

Von Michael Kerler

Wirtschaftsminister Altmaier bereitet eine große Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vor. Kritiker fordern aber 75 Prozent grünen Strom bis zum Jahr 2030.

Blickt man nach Schwaben, leben wir bereits in der besten aller Energie-Welten. Im ersten Halbjahr deckten im Bereich der Lechwerke die Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bereits rund 80 Prozent des Bedarfs der Kunden. Die Lechwerke sind für große Teile der regionalen Energieversorgung zuständig. Bundesweit lag der Anteil der Erneuerbaren in den ersten sechs Monaten bei 52 Prozent, das zeigen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes – beides sind Rekordwerte. Die Rahmenbedingungen im ersten Halbjahr waren aber auch besondere: Die Bedingungen für Strom mit Sonne und Wind waren gut, zudem ist in der Corona-Epidemie die Stromnachfrage spürbar gesunken. Dies wird nicht immer so bleiben.

Um die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien dauerhaft zu steigern und damit auch die Klimaziele der Regierung zu erreichen, bringt CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier derzeit eine umfassende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, kurz EEG, auf den Weg. Demnächst soll sich das Kabinett damit befassen, bereits am 1. Januar 2021 soll die Novelle in Kraft treten. Kritiker bezweifeln aber, dass die Pläne ausreichen.

Der Entwurf sieht vor, dass erneuerbare Energien im Jahr 2030 dann 65 Prozent des deutschen Stromverbrauchs bereitstellen. Dafür ist ein beschleunigter Ausbau vorgesehen. Mehr Flächen sollen für die Energiewende nutzbar sein. „Um den Windausbau an Land wieder anzukurbeln, können künftig auch weniger windstarke Standorte genutzt werden, und auch für Solaranlagen in der Freifläche wird die Gebietskulisse erweitert“, heißt es im Entwurf. Dazu kommen viele einzelne Maßnahmen.

Mehr Akzeptanz für Windkraft durch Beteiligung der Bürger am Ertrag

Um mehr Akzeptanz für Windkraft zu schaffen, sollen die Bürger an den Erträgen von Windparks in ihrer Nähe beteiligt werde. Auch für Besitzer älterer Photovoltaik-Anlagen auf dem Hausdach, für die nach 20 Jahren die Förderung ausläuft, wird eine Perspektive geschaffen. Sie müssten ihren Strom nicht aufwendig selbst vermarkten. Stattdessen können sie ihn bis Ende 2027 auch dem Netzbetreiber zur Verfügung stellen und erhalten hierfür den Marktwert abzüglich der Vermarktungskosten.

Soweit der Entwurf. Generell aber gibt es Zweifel, ob die Pläne ausreichen. Das Ziel eines Anteils von 65 Prozent erneuerbarer Energien am Strommix sei weder mit dem Klimaschutzziel von Paris noch mit der erwarteten Anhebung der Klimaziele der EU zu vereinbaren, kritisiert der Bund für Umwelt- und Naturschutz, kurz BUND.

BUND-Expertin Caroline Gebauer: Mindestens 75 Prozent an erneuerbaren Energien bis 2030

„Wir müssen bis 2030 mindestens 75 Prozent erneuerbare Energien in der Stromerzeugung einsetzen und den Ausbau der Photovoltaik verdoppeln“, sagt Caroline Gebauer, BUND-Expertin für Klimapolitik, im Gespräch mit unserer Redaktion. Dafür gebe es drei Gründe. Zum einen schreite der Klimawandel schneller voran als gedacht – „das merken wir jedes Jahr aufs Neue“. Um die Erderwärmung auf plus 1,5 Grad zu begrenzen, müssten schneller Treibhausgase eingespart und auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Zudem steige der Druck durch den Kohleausstieg. Der Strom muss jetzt aus anderer Quelle kommen. Und schließlich bestehe die Gefahr, dass der prognostizierte Strombedarf Deutschlands von 580 Terawattstunden im Jahr 2030 zu niedrig angesetzt sei. Denn Elektroautos, Wärmepumpen für das Heizen von Gebäuden und die Erzeugung von Wasserstoff werden zusätzlich Strom verbrauchen.

Der BUND ist mit der Kritik nicht alleine: Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, kurz BDEW, sieht ähnliche Probleme. Der Bundesverband Solarwirtschaft warnt: „Ein zu langsamer Ausbau erneuerbarer Energien würde unweigerlich zu verlängerten Laufzeiten fossiler und atomarer Kraftwerke in Europa führen.“

Idee für eine bundesweite „Solarpflicht“

Ein Beitrag, um das Problem zu lösen, wäre eine bundesweite Solarpflicht, schlägt der BUND vor. Denn in vielen Städten ist Photovoltaik – anders als auf dem Land – noch die Ausnahme. „Wir brauchen in den Städten eine Solar-Revolution“, sagt Klima-Expertin Gebauer – und meint damit mehr Photovoltaik auch auf innerstädtischen Mietshäusern oder Bürogebäuden. „Ein Anfang könnte es sein, dass zumindest alle Neubauten – ob Gewerbe oder Einfamilienhäuser – eine Solarpflicht erfüllen müssen.“

Was utopisch klingt, ist mancherorts bereits Realität: Baden-Württemberg plant eine Solarpflicht im Nicht-Wohnbereich ab dem Jahr 2022. „Im Bereich der Photovoltaik brauchen wir endlich einen Boom auf den Dächern. Hier ist der Entwurf noch viel zu zaghaft!“, sagt auch BDEW-Chefin Andreae.

Eines also ist sicher: Taffe klimapolitische Ziele sind schnell gesetzt. Um sie zu erreichen, kommt es stark auf konkrete Projekte an – zum Beispiel darauf, Strom erneuerbar zu erzeugen. „Um die klimapolitischen Ziele zu erreichen, brauchen wir einen weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien“, sagt deshalb Markus Litpher, Vorstand der Lechwerke in Augsburg. „Hier kommt es entscheidend auf die richtigen Weichenstellungen durch die für diesen Herbst geplante Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes an.“

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