Startseite
Icon Pfeil nach unten
Wirtschaft
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Für ihre Kunden muss die Bahn auch funktionieren

Kommentar

Für ihre Kunden muss die Bahn auch funktionieren

    • |
    Rund zehn Milliarden Euro sind in den Neu- und Ausbau der ICE-Strecke zwischen Berlin und München investiert worden.
    Rund zehn Milliarden Euro sind in den Neu- und Ausbau der ICE-Strecke zwischen Berlin und München investiert worden. Foto: Hendrik Schmidt (dpa)

    Von außen betrachtet erscheint die Deutsche Bahn manchmal wie ein schwerer, in sich unbeweglicher Koloss. Berichte und Klagen über Verspätungen, überfüllte Züge oder unzureichende Informationen kleben wie Pech an dem Unternehmen. Dabei tut es alles, um sich von diesem Image zu lösen und als modernes, konkurrenzfähiges und umweltfreundlichstes Verkehrsmittel wahrgenommen zu werden. Und die Deutsche Bahn hat, was man ihr zugestehen muss, in den vergangenen 30 Jahren einen grundlegenden Wandel vollzogen, weg vom trägen Staatsunternehmen hin zum modernen Dienstleister, der im Wettbewerb bestehen muss.

    Das Unternehmen Bahn steht in einem ständigen Modernisierungsprozess

    Manchmal ist es aber wie beim Fußball: Es gibt genug Eisenbahnexperten – echte und selbst ernannte –, die wie kritische Fans ihre Finger in vorhandene Wunden bohren und alles immer noch besser zu wissen glauben als jene, die tagtäglich die Verantwortung tragen. Das System Bahn ist in der Tat hochkomplex, weil viele Rädchen ineinandergreifen müssen. Und um ehrgeizige, imagefördernde Angebote wie zeitsparende Verbindungen zwischen den Metropolen machen zu können, sind modernste Technik und Verkehrswege notwendig.

    Hier befindet sich die Bahn noch immer in einem Aufholprozess, der mit der Fertigstellung der Hochgeschwindigkeitsstrecke Würzburg–Hannover und Einführung der ersten ICE-Verbindungen im Jahr 1991 begann. Seitdem wurde und wird das Netz schrittweise erweitert. Die „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“, für die Milliardensummen bereitgestellt wurden, haben den Prozess beschleunigt. Die Fertigstellung der Strecke München–Berlin ist hier ein vorläufiger Abschluss. Die für den Bau einer vollkommen neuen Strecke zwischen Ebensfeld bei Bamberg und Erfurt ausgegebenen zehn Milliarden Euro sind aber nur dann sinnvoll investiertes Geld, wenn es der Bahn damit gelingt, Millionen neuer Kunden zu gewinnen.

    Vom Komfort der 50er Jahre hin zur Moderne mit ICE und Triebwagen

    Solche Prestigeprojekte des Hochgeschwindigkeits-Zeitalters, zu denen auch Stuttgart 21 zusammen mit der neuen Strecke nach Ulm gehört, sollten jedoch nicht den Blick auf das Brot- und Buttergeschäft der Bahn versperren: den Nahverkehr mit den treuesten der treuen Bahnkunden. Auch hier hat die Bahn zumindest von der Ausstattungsseite her einen Sprung vom miefigen 50er-Jahre-Komfort („Silberlinge“) hin zur Moderne (Triebwagen) leidlich gut vollzogen. Aber das System knirscht, weil es zu Stoßzeiten an seine Grenzen stößt. Auch hier muss stetig weiter investiert werden, um die Kunden bei der Stange zu halten. Denn die sind kritisch und erwarten vor allem dies: ein Höchstmaß an Pünktlichkeit und Verlässlichkeit.

    Nur eine Bahn, die sich ständig erneuert, die auch die Möglichkeiten der modernen Informationstechnologie weitreichend für sich und ihre Kunden ausschöpft, kann im Wettbewerb auf dem Mobilitätsmarkt mithalten. Bei ihrer neuen Direktverbindung zwischen München und der Bundeshauptstadt hat sie daher auch technisches Neuland betreten. Sie hat sich – zumindest auf dem am Wochenende in Betrieb genommenen Abschnitt zwischen Oberfranken und Erfurt mitten durch den Thüringer Wald – von den üblichen (Licht-)Signalen verabschiedet. Der Mobilfunk hat die Steuerung und Absicherung übernommen. Es ist fast wie bei der fortgeschrittenen Modelleisenbahn, bei der Computer von außen lenken, was sich auf dem Miniaturschienennetz abspielt. Das Pech der Bahn: Trotz aller Tests funktioniert dieses System in manchem Zug nicht so, wie es eigentlich sollte. Für den Riesen Deutsche Bahn zu Beginn einer neuen Ära ein prestigemäßiges Fiasko.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden