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Interview: Anton Hofreiter: "Scheuer hat seinen Job nicht gemacht"

Interview

Anton Hofreiter: "Scheuer hat seinen Job nicht gemacht"

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    Anton Hofreiter ist seit 2013 einer der beiden Fraktionssprecher der Grünen im Bundestag. Saubere Autos sind für ihn ein zentrales Thema.
    Anton Hofreiter ist seit 2013 einer der beiden Fraktionssprecher der Grünen im Bundestag. Saubere Autos sind für ihn ein zentrales Thema. Foto: Hendrik Schmidt, dpa

    Herr Hofreiter, viele sehen in Ihnen ja schon den künftigen Bundesverkehrsminister – wenn es so kommt, wird man Sie dann weiter auf ihrem alten lila Herrenrad durch Berlin kurven sehen?

    Anton Hofreiter: An Ämterspekulationen beteilige ich mich nicht. Jetzt kommt erst einmal die Wahl, dann schauen wir, mit wem wir unsere Inhalte am besten umsetzen können. Und auf mein Radl werde ich auch in Zukunft nicht verzichten, das ist mir seit 15 Jahren nicht geklaut worden, was mich sehr freut.

    Lastenräder, deren Anschaffung die Grünen ja mit 1000 Euro fördern wollen, sind für viele andere Radfahrer inzwischen ein Ärgernis, weil sie viel Platz auf den Radwegen wegnehmen …

    Hofreiter: Am meisten Platz nehmen mit Abstand immer noch Autos weg. Deshalb sind viele Radwege nach wie vor sehr schmal. Wir brauchen eine neue Mobilitätspolitik. Und wir wollen Kommunen dabei unterstützen, ihre Infrastruktur einfacher nach ihren Bedürfnissen selbst planen zu können.

    Gerade läuft ja in München die Automesse IAA, das Hochamt der Branche. Waren Sie schon dort?

    Hofreiter: Ich werde am Samstag vor Ort sein.

    Als Besucher oder zum Demonstrieren?

    Hofreiter: Ich werde mir die Messe anschauen und dort viele Gespräche mit der Industrie führen. Und dann werde ich zusammen mit einem breiten Bündnis für eine andere Mobilitätspolitik demonstrieren. Das ist kein Widerspruch. Wir brauchen die Autoindustrie, denn das Auto wird Transportmittel bleiben. Es geht darum, dass wir jetzt gemeinsam den Weg in eine klimaneutrale Mobilität schaffen und dabei Wertschöpfung und Arbeitsplätze erhalten. Da geht es jetzt darum, die richtigen Entscheidungen und Schwerpunkte zu setzen. Wenn ich zum Beispiel sehe, dass in der Regierung entgegen der Expertenmeinung noch von synthetischen Kraftstoffen für Pkw geschwafelt wird und wir gleichzeitig in Deutschland ein völlig unzureichendes Netz an Ladesäulen für Elektroautos haben, dann merkt man, dass die Autoindustrie bei dieser Regierung ganz schlecht aufgehoben ist.

    Mindestens 800.000 Menschen sind in der Autobranche tätig. Für Elektroautos werden weniger Teile gebraucht. Mit wie vielen wegbrechenden Stellen rechnen Sie?

    Hofreiter: Es gibt weitere Studien, die besagen, dass durch den Umbau der Autoindustrie auf Elektromobilität sogar ein Stellenzuwachs entstehen wird. Denken sie zum Beispiel an die Batterieproduktion. Entscheidend ist, dass die politischen Rahmenbedingungen richtig gesetzt werden. Wir wollen mit einem Qualifizierungs-Kurzarbeitergeld dafür sorgen, dass Beschäftigte in der Automobilbranche gezielt für neue Anforderungen weitergebildet werden.

    Elektroautos sind nicht für jeden erste Wahl. Wer etwa einen Anhänger ziehen will oder häufig sehr lange Strecken bewältigen muss, kommt rasch an seine Grenzen. Was spricht denn gegen Autos, die mit grünem Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen fahren?

    Hofreiter: Das ist ganz einfach die Physik. Verbrenner mit synthetischen Kraftstoffen brauchen die acht- bis neunfache Primärenergiemenge des batterieelektrischen Fahrzeugs. Beim Wasserstoff ist es immer noch die drei- bis vierfache Menge. Solche Autos sind zu teuer und darum baut sie auch keiner. Daher investiert die Industrie fast ausschließlich in batterieelektrische PKW.

    Warum sollten denn Vielfahrer die mit E-Autos durch die Ladestopps länger unterwegs werden, keine Alternativen haben, etwa Hybrid-Modelle?

    Hofreiter: Es gibt doch heute schon Elektroautos, die eine Reichweite von deutlich über 500 Kilometer haben. Man kommt damit mit einem Ladestopp von Berlin nach München. Die Batterie ist dann in 20 Minuten wieder zu 80 Prozent voll. Bei so einer Fahrzeit sollte eine solche Pause sowieso mal drin sein.

    Die Autos, von denen Sie sprechen, sind aber noch so teuer, dass sie für viele nicht erschwinglich sind.

    Hofreiter: Elektroautos werden sehr bald deutlich kostengünstiger sein als Benzinautos. Für manche Anwendungen sind sie es bereits jetzt, weil sie im Unterhalt wesentlich billiger sind.

    Jetzt mal angenommen, es läuft alles nach ihren Vorstellungen und das Elektroauto setzt sich rasch durch – warum wollen die Grünen den Autoverkehr dann weiter gängeln, mit einem Tempolimit, mit Fahrverbotszonen in Innenstädten oder indem keine Autobahnen mehr gebaut werden?

    Hofreiter: Ein Tempolimit brauchen wir vor allem aus Sicherheitsgründen, bei hohen Geschwindigkeiten nehmen die Risiken zu, auch wenn Autos künftig teilweise oder ganz autonom fahren. In der Stadt geht es aber auch darum, wie der Raum gerecht verteilt wird – und zwar so, dass auch Menschen, die zu Fuß unterwegs sind oder mit dem Fahrrad, gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer werden. Das ist auch eine Frage von Lebensqualität.

    Davon würden ja auch gern die Landbewohner profitieren, doch die dürften selbst mit dem neuen Elektroauto nicht mehr in die Innenstadt, ist das nicht ungerecht?

    Hofreiter: Das entscheiden die Kommunen, je nach ihren Bedürfnissen vor Ort. Mir geht es darum den Nahverkehr auszubauen, um ihn als schnelle und komfortable Alternative anzubieten. Dafür brauchen wir einen Ausbau von Bus- und Bahnlinien und vernünftige Park&Ride-Anlagen, um in die Innenstädte gelangen zu können. Gerade in den Innenstädten ist der Platz knapp. Es gibt eben auch andere Wünsche, die Raum brauchen: Raum zum Flanieren, Radeln, Kaffeetrinken und Spielen. Im Übrigen: Gerade auf dem Land kann das Elektromobil seine Vorteile am besten ausspielen.

    Gibt es nicht doch irgendein Auto, von dem Toni Hofreiter träumt, haben Sie als Bub denn nie Autoquartett gespielt?

    Hofreiter: Schon als Bub und dann als Jugendlicher hab ich immer von einem alten VW-Bus geträumt …

    So was ähnliches, ein Bully im Retro-Stil, soll doch bald als elektrisches Modell auf den Markt kommen.

    Hofreiter: Ja, der schaut sehr gut aus. Elektroautos machen Spaß und wir brauchen die Autoindustrie. Aber Verkehrsminister Andreas Scheuer von der CSU hat einfach seinen Job nicht gemacht, sich nicht um die Infrastruktur gekümmert. Stattdessen schwafelt er von einer Benzinpreisbremse. Was interessant ist, denn solche Preisbindungen, kennen wir eher aus dem Sozialismus. Scheuers Versagen geht aber noch viel weiter.

    Was werfen Sie ihm vor?

    Hofreiter: Beim autonomen Fahren hinkt Deutschland total hinterher. Da braucht man ein gutes Glasfasernetz und schnellen Mobilfunk, auch dafür ist sein Ministerium verantwortlich. Die Zukunft des Autos ist autonom und elektrisch. Moderne Straßen bestehen deshalb nicht nur aus Beton und Teer, sondern auch aus Ladesäulen und schnellem Datennetz. Beides ist in Deutschland nur ansatzweise vorhanden. So gefährdet die Bundesregierung diese Industrie.

    Das klingt nun schon sehr nach Bewerbungsrede …

    Hofreiter: Wir kämpfen jetzt erst einmal für ein starkes grünes Ergebnis, dann sehen wir weiter.

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