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Interview: Audi-Chef: "Haben Zahl der Manager verdoppelt, ohne besser zu werden"

Interview

Audi-Chef: "Haben Zahl der Manager verdoppelt, ohne besser zu werden"

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    Bram Schot will bei Audi grundlegende Veränderungen. Dabei geht es auch um Elektromobilität und die Mitarbeiter.
    Bram Schot will bei Audi grundlegende Veränderungen. Dabei geht es auch um Elektromobilität und die Mitarbeiter. Foto: Uli Deck, dpa

    Auf dem Genfer Autosalon wirbt der neue Audi-Chef Bram Schot ausgiebig für Elektroautos. Er selbst fährt auch so ein E-Fahrzeug. Das bringe ihm Spaß, wie er sagt. Schließlich lassen sich die stromangetriebenen Wagen so herrlich beschleunigen. Vor dem Interview in einem Genfer Hotel legt der 57-jährige Niederländer sein Sakko über die Stuhllehne.

    Herr Schot, haben Sie die Woche das Fußballspiel von Ajax Amsterdam gegen Real Madrid angeschaut?

    Bram Schot: Das war ein gutes Spiel. Doch es dauerte etwas, bis ich in meinem Hotelzimmer die Übertragung sehen konnte. Ich musste erst 109 Kanäle abklappern. Ich kenne zwei der Spieler persönlich und wollte das Spiel unbedingt sehen. Ich wusste, dass die Ajax-Spieler nach der Hinspiel-Niederlage mit aller Macht gewinnen wollten. So hatte ich als Niederländer natürlich Spaß, auch wenn meine Lieblingsmannschaft Feyenoord Rotterdam ist. Ich stamme ja aus Rotterdam. Aber mein Team wird nur in Ausnahmefällen Meister. Das machen Ajax und PSV Eindhoven meist unter sich aus. So ist für die Niederländer ein Traum in Erfüllung gegangen.

    Sie haben die mehr als 90.000 Audi-Mitarbeiter zum Tagträumen animiert. Von was haben Sie zuletzt am Tag geträumt? Vom geliebten Skifahren? Ihrer Frau und den beiden Söhnen? Oder von Audi?

    Schot: Vom Motorradfahren. Ich liebe es, mit dem Motorrad einfach wegzufahren. So habe ich mir eine Ducati Scrambler gekauft.

    Was sagt Ihre Frau dazu?

    Schot: Meine Frau findet das nicht so toll. Aber meine Leidenschaft reicht weit zurück. Schon früher, als ich in Italien gearbeitet habe, hatte ich eine Ducati.

    Der Audi-Chef setzt auf engen Kontakt mit Mitarbeitern

    Und wie erträumen Sie sich die neue Audi AG? Sie wollen das Unternehmen ja umbauen und kräftig sparen.

    Schot: Audi soll und wird deutlich schneller und agiler als heute werden. Und Audi wird anders als andere Premium-Autobauer sein. Wir müssen für Dynamik und Nachhaltigkeit stehen, für das attraktivste Gesamtpaket, das dem Kunden angeboten wird. Ich möchte ein Unternehmen, in dem die Mitarbeiter ohne Angst, stattdessen voll Mut und Zuversicht, arbeiten können. So aufgestellt, lassen sich auch leichter Fortschritte erzielen.

    Wenn diese neue Audi AG ein Tier wäre, welches erscheint dann in Ihren Tagträumen?

    Schot: Ein Delfin. Denn das sind extrem intelligente, fröhliche und sehr agile Tiere. Delfine sind schnell und wendig. So ziehen Haifische auch schon mal gegenüber Delfinen den Kürzeren.

    Auch wenn die Autoindustrie manchem als Haifischbecken erscheint, soll Audi wie ein Delfin sein?

    Schot: Ja, denn Delfine haben ein ausgezeichnetes Orientierungssystem. Auch wir wollen zuverlässig orten, wo sich welche Chancen ergeben.

    Wer bei Audi zurückblickt, landet in der Ära der Diesel-Haie. Zum Teil herrschte ein Klima der Angst. Sie wollen dies überwinden. Klappt das?

    Schot: Ja, ich stehe in intensivem Kontakt mit unseren Mitarbeitern. Alle können mir eine E-Mail schreiben. Und ich beantworte all diese Mails. Zuletzt war ich wegen des Autosalons in Genf etwas in Verzug, aber ich beantworte die rund 70 Mails, die aufgelaufen sind. Ich nehme mir Zeit dafür. Ich belasse es nicht bei einem kargen „Danke“. Ich bekomme so tolle Ideen aus dem Beschäftigtenkreis. Zum Teil spreche ich das dann mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei einem Frühstück oder einem Mittagessen durch.

    Nach dem Diesel-Skandal will Schot bei Audi die Abläufe vereinfachen

    Sie wollen so verkrustete Strukturen aufbrechen, die auch zum Diesel-Skandal beigetragen haben.

    Schot: Ich brauche die kollektive Intelligenz von allen Mitarbeitern, nicht nur vom Vorstand und dem Top-Management. Die Zeit ist vorbei, wo einige Manager alleine eine Firma steuern können. Mir geht es darum, dass beherzt Entscheidungen auf allen Ebenen getroffen werden. Dazu brauchen wir eine klare Strategie. Dann können Mitarbeiter selbst entscheiden. Darum geht es mir vor allem. Wir müssen mehr horizontal und nicht von oben nach unten denken. Ich biete den Mitarbeitern Vertrauen und Verantwortung an. Das müssen sie aber auch annehmen.

    Sie sollen viele Mitarbeiter duzen. Und viele sagen Bram zu Ihnen.

    Schot: Manche Mitarbeiter duze ich, manche nicht. Jeder Beschäftigte kann selbst entscheiden, ob er mich duzt oder nicht. Respekt kommt nicht von einem Sie oder einem Du. Wenn man langfristig eine Firma erfolgreich führen will, brauchst du nicht nur Respekt oder nur Sympathie, sondern eine Kombination aus Sympathie und Respekt.

    Was heißt das übersetzt auf Audi?

    Schot: Ich will die Prozesse in dem Unternehmen vereinfachen. Doch das können nur selbstbewusste und gute Mitarbeiter, die wissen, wohin die Reise geht. Mittelmäßigkeit produziert nur Komplexität.

    In Genf haben Sie für Ihre Strategie, Audi schneller und produktiver zu machen, auch Rückendeckung von VW- und damit Audi-Großaktionär Wolfgang Porsche erhalten. Auch er sieht Verkrustungen und meint, Audi habe Speck angesetzt und müsse wieder profitabler werden. Wie groß sind die Speckpolster?

    Schot: Wolfgang Porsche hat Klartext geredet. Er ist ein erfahrener Mann.

    Im Arbeitnehmer-Lager kamen die Spar-Appelle von Wolfgang Porsche nicht so gut wie bei Ihnen an.

    Schot: Fakt ist, dass wir uns alle bei Audi in hohem Maße bewusst sind, welchem grundlegenden Wandel die Autobranche unterworfen ist. So befinden wir uns derzeit in intensiven Gesprächen mit der Arbeitnehmerseite, was wir künftig tun müssen.

    Sparen kann ja auch bedeuten, dass langfristig Stellen gestrichen werden. Doch bei Audi gibt es bis 2025 eine Beschäftigungsgarantie. Ihnen sind also die Hände gebunden.

    Schot: Die Beschäftigten und Betriebsräte lieben Audi so wie wir. Wir müssen an einem Strang ziehen. Ich will den Gesprächen mit der Arbeitnehmerseite nicht vorgreifen.

    Noch mal: Wo muss Audi denn jetzt abspecken? Die Fastenzeit hat ja begonnen.

    Schot: Diese Frage ist Gegenstand der Gespräche mit dem Betriebsrat. Klar ist aber, dass wir Speck angesetzt haben und wieder Muskeln aufbauen müssen.

    Audi hat viele gute Jahre hinter sich.

    Schot: Was heißt gute Zeiten?

    Lange wurden immer mehr Autos verkauft.

    Schot: Dieses Volumen-Wachstum ist nur eine Seite der Medaille. Wir müssen auch wieder mehr Geld verdienen.

    Das fordert ja auch Wolfgang Porsche.

    Schot: Die Profitabilität war über viele Jahre nicht befriedigend. Mehr Wachstum muss auch mit höherem Gewinn einhergehen. So haben wir tausende neue Mitarbeiter auf jetzt etwa 44.000 Beschäftigte in Ingolstadt aufgebaut. Die Profitabilität pro Mitarbeiter ist gesunken. Das will ich ändern.

    Dann wollen Sie also doch Stellen abbauen?

    Schot: Diese Sichtweise ist mir zu eng. Es gibt viele Stellschrauben in einem so großen Unternehmen, um die Gesamtleistung zu steigern. Eine wichtige Stellschraube ist zum Beispiel die Form, wie wir uns organisieren. Im Ergebnis muss die Profitabilität steigen, um die hohen Investitionen für die Elektromobilität stemmen zu können. Wir bringen zwölf neue Elektroautos in 24 Monaten auf den Markt. Das muss finanziert werden. Im Jahr 2025 werden es schon 30 E-Modelle sein. Und wir müssen schneller werden. Wir müssen die gleiche Arbeit in 80 Prozent der Zeit erbringen. Und die restlichen 20 Prozent sollten wir nutzen, um uns auf die Zukunft vorzubereiten.

    Dazu brauchen Sie ja alle Mitarbeiter und müssen keine Stellen abbauen.

    Schot: Wenn ich die Mitarbeiter zum Träumen auffordere, meine ich auch, dass Sie darüber nachdenken sollen, wie wir alle effizienter arbeiten können. Ich brauche neue Köpfe und neue Ideen, also auch junge Mitarbeiter. Es kommt auf den richtigen Mix zwischen Jung und Alt an. Und wir brauchen nicht nur überwiegend Deutsche und ein paar Holländer wie mich im Unternehmen, sondern Menschen aus allen Regionen der Erde.

    Sie wollen also Beschäftigte nicht in die Altersteilzeit abdrängen.

    Schot: Hier gilt immer das Prinzip der Freiwilligkeit. Wer ausscheiden möchte, weil seine Lebensplanung so aussieht, kann das tun. Aber mir geht es vor allem darum, die Beschäftigten zu mobilisieren. Sie sollen Spaß an der Arbeit haben und kreativ sein. Das ist ganz wichtig.

    Doch es wird berichtet, Sie wollten zumindest Managern an den Kragen, indem Sie eine Ebene unter diesen Führungskräften rausnehmen. Was ist da dran?

    Schot: Wir haben in fünf bis sieben Jahren bei Audi die Zahl der Manager auf rund 2000 in etwa verdoppelt, ohne entsprechend besser zu werden. Das verkraftet ein Unternehmen nicht. Denn eine so große Manager-Riege erhöht die Komplexität einer Firma enorm. Dadurch wird sie langsamer. Erfolg hängt von Schnelligkeit und einfachen Prozessen ab. Das wiederum erreicht man durch eine schlanke Organisation und selbstbewusste Menschen, die Verantwortung übernehmen.

    Was machen Sie nun mit den zu viel auf dem Delfin Audi sitzenden Managern?

    Schot: Auch hier gibt es die Möglichkeit der Altersteilzeit. Man kann auch eine neue Aufgabe im Konzern übernehmen. Und wir brauchen Manager auch an anderer Stelle bei Audi. So qualifizieren wir zum Beispiel Ingenieure, die bisher Verbrennungsmotoren entwickelt haben, auf die Entwicklung von Elektroantrieben um. Ich will mehr Geschwindigkeit, und das geht nur, wenn man dort, wo es zu viele Managementebenen gibt, eine oder zwei herausnimmt. Es gibt einen simplen Spruch: Wenn man macht, was man bisher gemacht hat, bekommt man, was man bisher gemacht hat. Ich will aber, dass wir Neues machen.

    Reicht es Ihnen langsam mit der Diesel-Krise? Jetzt scheint ja auch Brüssel ein deutsches Abgas-Kartell zu wittern, in dem die Autobauer versucht haben, in Abstimmung die Manipulation der Stickoxid-Werte zu vertuschen. Es drohen wohl hohe Strafen.

    Schot: Bitte verstehen Sie, dass ich das nicht kommentieren werde.

    Die Nachfrage an Elektroautos wird in Zukunft steigen, sagt der Audi-Chef

    Wann ist die Diesel-Krise ausgestanden?

    Schot: Mit dem technischen Mess- und Prüfprogramm sind wir durch. Nun ist es Sache der Behörden, das zu beurteilen. Was die Beurteilung der individuellen Verantwortung angeht, haben darüber Gerichte zu entscheiden. Und es ist ein Grundsatz unserer Rechtsordnung, dass bis zu einer Verurteilung die Unschuldsvermutung gilt.

    Das gilt sicher auch für Ihren über den Diesel-Skandal gestolperten Vorgänger Rupert Stadler.

    Schot: Natürlich. Mir ist wichtig, dass wir organisatorisch die richtigen Lehren aus der Diesel-Thematik gezogen und umgesetzt haben und für volle Transparenz sorgen.

    Voll transparent sind nun die revolutionären Pläne von Volvo-Chef Håkan Samuelsson. Er will die Autos des Unternehmens ab 2020 bei einer Geschwindigkeit von 180 Kilometern abriegeln. Planen Sie auch so ein unternehmenseigenes Tempo-Limit?

    Schot: Ich glaube, dass situative Geschwindigkeitsregelungen viel intelligenter sind. Es gibt durchaus Situationen, wo auch schon 130 Stundenkilometer zu schnell sind, denken Sie an schlechtes Wetter, glatte Fahrbahnen oder dichtes Verkehrsaufkommen.

    Fahren Sie manchmal mehr als 180 Kilometer schnell?

    Schot: Selten. Und das liegt auch daran, dass ich seit einiger Zeit ein Elektroauto fahre. Wenn ich richtig schnell fahren will, dann mache ich das auf einer abgesperrten Rennstrecke.

    Jetzt müssen nur noch die Bürger in hohem Maße Elektroautos kaufen.

    Schot: Ich bin optimistisch, dass die Nachfrage deutlich steigen wird. Jetzt muss aber auch die Infrastruktur zügig ausgebaut werden. Die Politik fordert von uns Autobauern, immer strengere Emissionswerte einzuhalten. Das geht nur mit Elektroautos, und das auch nur, wenn der Strom zunehmend regenerativ erzeugt wird. Jetzt muss die Politik auch Druck für einen raschen Ausbau der Lade-Infrastruktur und eine nachhaltige Energieerzeugung machen. Wir alle stehen hier in der Pflicht.

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