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Interview: Investor Frank Thelen: Wir sollten aufhören, so viel Fleisch zu essen

Interview

Investor Frank Thelen: Wir sollten aufhören, so viel Fleisch zu essen

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    Das Fernsehen war nie wirklich seine Welt: Frank Thelen.
    Das Fernsehen war nie wirklich seine Welt: Frank Thelen. Foto: Christian Charisius, dpa

    Herr Thelen, Sie haben Armin Laschet kritisiert, weil er im Gespräch mit Tesla-Chef Elon Musk auf die Vorzüge der Wasserstofftechnologie als Alternative für Elektroautos eingegangen ist. Was missfällt Ihnen so an den Aussagen des Unions-Kanzlerkandidaten?

    Frank Thelen: Wasserstoff ist zwar eine interessante Technologie, aber keine Alternative zu batteriebetriebenen Elektroautos. Ich habe das als Investor von meinen Experten durchrechnen lassen. Wasserstoff ist allenfalls eine Alternative für Langstreckenflugzeuge, die Schifffahrt und die Stahlindustrie, für Autos und Lkw ist er schlicht zu ineffizient, zu teuer und zu kompliziert.

    Woran machen Sie das fest?

    Thelen: Allein der Ausbau der notwendigen Infrastruktur, etwa eines Wasserstoff-Tankstellennetzes, wäre unfassbar teuer. Wasserstoffautos bestehen aus deutlich mehr Teilen als batteriebetriebene Fahrzeuge und gehen somit öfter kaputt. Hinzu kommt die geringe Gesamteffizienz. Am Ende werden nur 23 Prozent der aufgewendeten Energie in Bewegung umgewandelt. Deswegen habe ich mich über die Aussage von Herrn Laschet so geärgert.

    Hätte sich Laschet auf den Termin mit Elon Musk besser vorbereiten müssen?

    Thelen: Er hat seine Hausaufgaben nicht gemacht, ehe er mit dem Tesla-Chef gesprochen hat. Dennoch ist es gut, dass Laschet sich mit Musk getroffen hat. Und die wichtigsten Themen für Gründer hat er zu 100 Prozent korrekt adressiert: Entbürokratisierung und Entfesselung von grüner Industrie. Hier wird Laschet wichtige Impulse für Deutschland setzen. Und wer weiß, eventuell treffen sich Laschet und ich ja und wir klären das. Ich würde mich freuen, wenn er seine Aussage zum Thema Wasserstoff korrigieren würde.

    Doch Politikerinnen und Politiker korrigieren sich ungern, schon gar nicht in Wahlkampfzeiten.

    Thelen: Doch genau das würde ich mir wünschen, auch von der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock.

    Thelen: "Annalena Baerbock sagt immer wieder andere objektiv falsche Dinge"

    Hat Frau Baerbock auch falsche Dinge zum Thema „Wasserstoff“ gesagt?

    Thelen: Nein, aber Annalena Baerbock sagt immer wieder andere objektiv falsche Dinge, wie etwa, dass es Energiespeicher im Stromnetz gebe. Das ist Unsinn. Auch stimmt es nicht, dass ein Hähnchen, wenn man es bei zwei Grad weniger kühlt, also bei minus 20 statt minus 22 Grad, sich wie ein Energiespeicher verhält. Das war noch mal Thema, als wir gemeinsam bei der ARD-Sendung Maischberger waren.

    Sie haben da mit dem Kopf geschüttelt und Frau Baerbock hat Sie angeschaut und Ihnen vorgeworfen, die Augen zu verdrehen und falsch zu liegen.

    Thelen: Sorry, aber der Speicher ist nicht im Stromnetz und Hähnchen sind auch keine Energiespeicher. Ich weiß, worüber ich rede. Eine der Firmen, an der ich beteiligt bin, Kraftblock, baut thermische Energiespeicher.

    Die von Ihnen favorisierte Elektromobilität ist nur ein Weg, um den Klimawandel zu stoppen. Es gibt ja noch bei weitem größere Hebel.

    Thelen: Was die CO2-Emissionen betrifft, wirkt sich unser extrem hoher Fleisch- und Fischkonsum bei weitem klimaschädlicher als der komplette Transportsektor aus. Doch das einzugestehen, fällt den Menschen schwer. Dafür schmeckt der Burger und der frische Fisch zu gut.

    Ist Fleisch wirklich so klimaschädlich?

    Thelen: Eine Kuh produziert in einem Jahr rund 100 Kilogramm Methan. Das Gas ist zehn bis 20 Mal klimaschädlicher als CO2. Und durch die Grundschleppnetz-Fischerei werden, wie eine im Fachmagazin Nature veröffentlichte Studie zeigt, organische Kohlenstoffverbindungen aus der aufgewühlten Sedimentschicht am Meeresboden freigesetzt und zu klimaschädlichem Kohlendioxid umgewandelt.

    Wie klimaschädlich ist diese Fischerei?

    Thelen: Sie ist in etwa so schädlich wie der Luftverkehr. Wenn wir die Erde retten wollen, sollten wir aufhören, so viel Fleisch und Fisch zu essen. Essen ist ein größerer Hebel für den Klimaschutz als Auto- und Lkw-Fahren. Das will ich künftig auch als Investor in meinen Anlageentscheidungen stärker berücksichtigen. Mir geht es um Fakten. Ich gehöre keiner Partei- und Lobby-Organisation an. Das Fleisch- und Fischthema ist ein Tabuthema, das auch von manchen Umweltschutz-Organisationen zurückhaltend kommentiert wird, weil sie Angst haben, Mitglieder zu verlieren.

    VW-Chef Herbert Diess wirkt hier angstbefreit. Er hat es begrüßt, dass es in Werkskantinen mehr fleischfreies Essen gibt, ja die berühmte Currywurst auch vegan angeboten wird.

    Thelen: Dafür kann ich Herrn Diess sowie für sein Engagement für die Elektromobilität nur applaudieren.

    Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Diess nicht beklatscht und spöttisch geschrieben, wenn er noch im Aufsichtsrat von VW säße, hätte es so etwas nicht gegeben. Die Currywurst aus Fleisch mit Pommes sei einer der Kraftriegel in der Produktion.

    Thelen: Ich mochte Gerhard Schröder als Kanzler. Er war ein guter Kanzler für einen Sozialdemokraten. Doch seine Ansichten sind heute durch die Erkenntnisse zum Klimawandel überholt. Schröder ist alt geworden, kennt sich thematisch nicht mehr aus, auch weil er keine klugen Köpfe mehr um sich herum hat. Wir werden uns bald hauptsächlich vegetarisch oder sogar vegan ernähren. Alles andere verkraftet unser Planet leider nicht.

    Frank Thelen: "Eine Fleisch-Steuer ist also wie ein Verbot wohl nicht der geeignete Weg"

    Doch eine Regierung kann doch nicht den Fleischkonsum verbieten, außer sie plant ein radikales Stimmen-Abmagerungsprogramm für die beteiligten Parteien.

    Thelen: Aber die Regierung könnte Fleischkonsum besteuern.

    Was sozial ungerecht wäre.

    Thelen: Genau, weil sich reiche Menschen wie ich dann immer noch locker ihr Steak leisten können, nur Menschen mit weniger Geld nicht mehr so häufig. Eine Fleisch-Steuer ist also wie ein Verbot wohl nicht der geeignete Weg.

    Was bleibt dann noch?

    Thelen: Wir könnten mit großem Aufwand weniger klimaschädlichen Fisch und Fleisch erzeugen. Also etwa Schluss mit den Schleppernetzen, die den Meeresgrund aufwühlen und das Klima schädigen. Aber auch dann werden Fleisch und Fisch teurer.

    Können uns neue Technologien helfen, den Klimawandel zu stoppen?

    Thelen: Ja, etwa indem wir in großem Stil Fleisch im Labor erzeugen, für das kein Tier sterben muss. Hier gibt es viele interessante Start-ups. Bereits jede Fleischart über Schwein, Rind oder Geflügel wurde schon erfolgreich im Labor gezüchtet. Auf dem Weg zum massentauglichen Fleisch aus dem Labor müssen wir jedoch noch einige technische Hürden überwinden. Neben Zellkulturen und Nährstofflösungen brauchen wir die richtigen Bioreaktoren.

    Frank Thelen 2019 beim Festival der Augsburger Allgemeinen im Kongress am Park.
    Frank Thelen 2019 beim Festival der Augsburger Allgemeinen im Kongress am Park. Foto: Ulrich Wagner (Archivbild)

    Wie weit ist der Weg noch zum künstlichen Fleisch?

    Thelen: Es reicht nicht, nur Zellen zusammenwachsen zu lassen, schließlich ist das richtige Verhältnis von Muskel- und Fettzellen wesentlich, damit die Konsistenz und der Geschmack so sind, wie wir es von herkömmlichem Fleisch gewohnt sind. Hackfleisch ist natürlich einfacher zu züchten als ein komplettes Steak.

    Wo steht Frank Thelen klimamäßig?

    Thelen: Wir versuchen, all unsere Firmen klimaneutral aufzustellen. Ich freue mich über jeden Investor, der nicht mehr in Waffen und Öl, sondern etwa in vegetarische Lebensmittel investiert. Das ist ein extrem wichtiger Impuls. Es bleibt dabei: Geld regiert die Welt, leider.

    Thelen: "Es ist schade, dass sich kein Politiker mehr traut, über Atomkraft zu sprechen"

    Was erwarten Sie sich von der nächsten Bundesregierung? Was muss sie in den ersten 100 Tagen anpacken?

    Thelen: Zunächst einmal „First principle thinking“.

    Was meinen Sie damit konkret?

    Thelen: Die Mitglieder der Bundesregierung müssen nach dem Ansatz zunächst ernsthaft analysieren, wie Dinge funktionieren, ob es um Wasserstoff oder die Klimafolgen von Fisch- und Fleischkonsum geht. Ich wünsche mir eine besser durchdachte und vorab mit Experten diskutierte Politik. Wir müssen offen über unangenehme Fragen sprechen.

    Was wäre neben dem Fleischkonsum noch so ein unangenehmes Thema?

    Thelen: Die Kernkraft.

    Aus der wir endgültig bis Ende 2022 aussteigen.

    Thelen: Es ist schade, dass sich kein Politiker mehr traut, über Atomkraft zu sprechen. Denn Kernenergie 4.0, also die moderne Form der Atomkraft, wie sie Microsoft-Gründer Bill Gates erfolgreich entwickeln ließ, ist eine der besten Energiequellen, die wir haben. Diese Kernkraft stellt eine extrem wichtige Brücken-Technologie dar. Ohne sie wird es schwierig, den Klimawandel zu stoppen und kurzfristig weltweit alle Kohlekraftwerke abzuschalten. Doch statt in Deutschland über einen Einstieg in die moderne Kernkraft zu diskutieren, beziehen wir lieber unsicheren Atomstrom und Kohlestrom aus Nachbarländern. Was für eine widersinnige Situation.

    Doch es wird keine Wiederauflage der Kernenergie in Deutschland geben.

    Thelen: Dabei ist das Konzept von Gates und seinem Team ausgereift. Beinahe wäre so ein modernes Atomkraftwerk in China gebaut worden, wenn das nicht durch die Handelspolitik des Ex-US-Präsidenten Donald Trump verhindert worden wäre. Warum passiert hier in Deutschland nichts?

    Ja, warum nicht? Wohl wegen der ungelösten Atom-Müllproblematik und Unfällen wie in Fukushima.

    Thelen: Es passiert vor allem nichts, weil Atomkraft ein negativ besetztes Wort ist. Wenn man die Atomkraft etwa Hyper-Energy nennt, würden die Menschen diese Form der Energie wahrscheinlich feiern. Es ärgert mich sehr, dass wir uns nicht eingestehen, was die wirklich wesentlichen Probleme sind. Natürlich ist es unangenehm, diese Probleme zu lösen. Aber wir müssen es tun, um das Klima zu retten.

    Ihre Programmatik liest man so aus keinem Bundestagswahl-Programm der führenden Parteien heraus.

    Thelen: Korrekt. Doch ich könnte mir die Kombination eines Kanzlers Armin Laschet mit FDP-Chef Christian Lindner und der CSU-Politikerin Doro Bär gut vorstellen.

    Warum haben Sie mit anderen Gründern der FDP 500.000 Euro gespendet, obwohl die Partei beim Klimaschutz nicht vorneweg marschiert?

    Thelen: Ich habe ja auch der CDU Geld gespendet. Natürlich könnte die FDP mehr für Umweltschutz tun. Doch das Konzept der FDP für eine Ausweitung des Handels mit CO2-Zertifikaten ist grundsätzlich richtig. Nur so garantieren wir eine Reduktion und es setzt die richtigen Anreize.

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