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Kommentar: Deutsche Tesla-Fabrik ist eine Kampfansage an Daimler, BMW und Co.

Kommentar

Deutsche Tesla-Fabrik ist eine Kampfansage an Daimler, BMW und Co.

Stefan Stahl
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    Elon Musk: Tesla baut eine europäische Fabrik bei Berlin Foto.
    Elon Musk: Tesla baut eine europäische Fabrik bei Berlin Foto. Foto: Jae C. Hong/Hannes Breustedt, dpa/APA

    Der drohende Brexit hat auch seine gute Seiten: So zeichnete sich früh ab, dass die neue und riesige europäische Tesla-Fabrik mit hoher Wahrscheinlichkeit nach Deutschland kommt. Elektro-Pionier Elon Musk hat nun medienwirksam bei der Verleihung des "Goldenen Lenkrads" verkündet, dass seine Wahl auf einen Standort bei Berlin fällt. Hinzu kommt ein Ingenieur- und Designzentrum in der Hauptstadt.

    Tesla-Fabrik bei Berlin: Musk will mit "Made in Germany" werben

    Der amerikanische Visionär, sozusagen der Business-Punk der Elektromobilität, könnte jetzt über sich sagen: "Ich bin ein Berliner." Er belässt es einstweilen nicht ganz so pathetisch bei einem Tweet mit Herzen in den Farben Schwarz, Rot und Gold.

    Dabei haben den oft ungestüm, emotional, ja wie US-Präsident Trump sogar irrational wirkenden Amerikaner sachliche Argumente für den Bau einer Giga-Factory in Deutschland bewogen. Denn damit schaut er dem Tiger der Autoindustrie, also den heimischen Champions Daimler, BMW, Volkswagen, Porsche und Audi, direkt in die Augen.

    Musk kann künftig mit Teslas made in Germany werben. Ein bisschen deutsch sind die US-Stromer ohnehin. Denn nachdem Musk massive Probleme mit der Massenfertigung seiner Autos verzeichnen musste, kaufte er einfach die deutsche Firma Grohmann, die auf die Automatisierung von Produktionsprozessen spezialisiert ist – eine Disziplin, in der deutsche Ingenieure und Facharbeiter weltweit führend sind.

    Die spektakulären Projekte von Elon Musk

    Tesla ist das eine. Mit der Automarke will Elon Musk die E-Mobilität in den Massenmarkt bringen. Doch der Milliardär hat noch andere Großprojekte am Laufen, die er mit missionarischem Eifer betreibt. So will er etwa mit seinem Unternehmen SpaceX nicht weniger als die Raumfahrt revolutionieren.

    Touristen zum Mond: Mithilfe von SpaceX sollten ursprünglich noch in diesem Jahr zwei Weltraumtouristen zum Mond fliegen. Zwar sind seit 2001 schon mehrere gut betuchte Reisende ins All gestartet. Eine Mondumrundung mit Raumfahrt-Amateuren gab es aber bisher nicht. Aus den aktuellen Plänen scheint jedoch vorerst nichts zu werden. Die Mission werde frühestens Mitte 2019 starten, berichtete das „Wall Street Journal“ im Juni und berief sich dabei auf Unternehmenskreise. Es gebe Probleme mit der Technik und bei der Produktion.

    Womöglich werde sich der Start sogar noch weiter nach hinten verschieben. Zugleich will Musk bereits im kommenden Jahr seine für Marsflüge gedachte Rakete testen. So soll SpaceX gerade an dem ersten Raumschiff „Big Falcon Rocket“ bauen. Mittelfristig will Musk sogar den Mars besiedeln.

    Mehrweg-Raketen: Im Dezember 2015 kehrte mit der „Falcon 9“ erstmals eine Trägerrakete nach einer Mission heil und aufrecht zum Startplatz auf die Erde zurück – ein Meilenstein der Raumfahrt. Sie hatte elf Kommunikationssatelliten im All ausgesetzt. Nach einem Zwischenfall im September 2016 wurde sie mittlerweile verbessert.

    Hyperloop: Per Unterdruck will Musk irgendwann Passagiere mit nahezu Schallgeschwindigkeit wie eine Art futuristische Rohrpost transportieren. Im August 2013 stellte er seine Pläne für Kapseln vor, die auf Luftkissen schweben. Geschätzte Kosten: bis zu 7,5 Milliarden US-Dollar.

    Der Tesla-Gründer ist also trotz aller Eskapaden und fiebrigen Träume von der Besiedlung des Mars in seinem Innersten ein rationaler Unternehmer, der Fehler erkennt und nicht eher ruht, bis sie abgestellt sind. Er bleibt natürlich Visionär und träumt von dem Fertigungstempo eines "Maschinengewehrs". Mit solchen bizarren Vergleichen ist er Donald Trump nicht unähnlich.

    Tesla-Fabrik in Deutschland ist für Musk logische Konsequenz

    Was den Tesla-Gründer trotz der gemeinsamen Aversion gegenüber kritischen Journalisten aber fundamental vom US-Präsidenten unterscheidet, sind seine Kenntnisse, wie Globalisierung funktioniert. Es war für ihn klar, dass er als Amerikaner in Europa eine große Fabrik bauen muss, um dort ein neues, für breitere Käuferkreise erschwingliches Elektroauto verkaufen zu können. Denn Fertigung in den Zielmärkten senkt die Logistikkosten für Automobilhersteller. Deswegen ist es für Tesla die logische Konsequenz, nach einer Produktion in China nun auch stärker auf Europa zu setzen. Total global zu sein, heißt auch immer lokal zu arbeiten.

    Mit dem Model 3 will Tesla auch in Deutschland einen breiteren Markt erschließen.
    Mit dem Model 3 will Tesla auch in Deutschland einen breiteren Markt erschließen. Foto: Silas Stein, dpa

    Gerade für Daimler, BMW, Audi und Porsche ist der Bau einer Tesla-Fabrik bei Berlin eine Kampfansage. Die deutschen Hersteller haben den Visionär Musk zu lange unterschätzt und müssen nun gegenüber dem Amerikaner eine Elektro-Aufholjagd starten. Manch heimischer Auto-Manager sieht das immer noch viel zu gelassen. Der Verweis darauf, dass keine Nation besser Premium-Fahrzeuge derart perfekt industriell herstellen kann wie Deutschland, zieht bald nicht mehr. Musk bedient sich gerade dieser urgermanischen Kompetenzen. Er ist der Treiber, die deutschen Anbieter sind die Getriebenen, auch wenn sie das nicht zugeben wollen.

    Tesla gegen Daimler, BMW und Co.

    Der Amerikaner zieht den deutschen Auto-Tiger an den Schnurrhaaren. Doch noch haben Daimler & Co. gute Chancen, Musk einzuholen und abzuhängen. Denn sie verfügen über die Macht und die davon ausgehende Faszination extrem starker und weltweit begehrter Marken. Das kann ein Aufsteiger und Revoluzzer in wenigen Jahren nicht aufholen.

    Musk muss aufpassen: In Deutschland, dem wundersamen Land unendlich langer Genehmigungsverfahren, kann Tesla nicht wie zuletzt in China im Rekordtempo eine Autofabrik hochziehen. Die Amerikaner müssen auch im Raum Berlin/Brandenburg erst einmal Tausende Facharbeiter und Ingenieure finden.

    Und dann wäre Musk klug beraten, anders als Betonköpfe des US-Versandhändlers Amazon anzuerkennen, dass Gewerkschafter von Anfang an einbezogen werden müssen. Sonst bekommt er die Tatzen eines anderen deutschen Tigers, der IG Metall, zu spüren.

    Um hierzulande erfolgreich und ungestört Autos bauen zu können, muss der Amerikaner gut zahlen und sich anpassen. Sonst stehen die Gewerkschafter wie bei Amazon vor den Werkstoren.

    Lesen Sie dazu auch unser Porträt über Elon Musk aus dem Jahr 2018: Tesla-Chef wandelt zwischen Genie und Größenwahn

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