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Kommentar: Manager-Gehälter: Wir leben im Zeitalter der Maßlosigkeit

Kommentar

Manager-Gehälter: Wir leben im Zeitalter der Maßlosigkeit

Stefan Stahl
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    Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, ist einer der Spitzenverdiener mit rund 7,9 Millionen Euro. 
    Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, ist einer der Spitzenverdiener mit rund 7,9 Millionen Euro.  Foto: Michael Kappeler

    Sie lernen es nicht: Eigennutz geht ihnen vor Anstand. Denn im Schnitt kassieren die Vorstände der Dax-Konzerne 52 Mal so viel wie ihre Angestellten. Dabei fordern Experten, Top-Leute in Konzernen sollten nicht mehr als das 25-Fache eines Mitarbeiters verdienen. Diese sinnvolle Obergrenze überschreiten Dax-Topverdiener wie SAP-Boss Bill McDermott mit seiner Jahresvergütung von viel zu üppigen 10,8 Millionen Euro um Längen.

    Was das Fatale ist: Eine kleine Gruppe, die Aktiengesellschaften lenkt, dominiert das Image des Berufsstandes, ja lässt viele Bürger glauben, eine Kaste von Raffkes kontrolliere die Wirtschaft. Das stimmt jedoch nicht. In unzähligen personengeführten Unternehmen Deutschlands herrscht mit wenigen Ausnahmen ein anderer Geist. Hier geht Anstand vor Eigennutz. Hier kommen Inhaber von Maschinenbaubetrieben mit fünf, sechs Prozent Rendite aus. Hier reinvestieren sie einen großen Teil des Gewinns. Und hier kämpfen sie oft für den Erhalt jedes Jobs.

    Die wahren Helden sind Familienunternehmer

    Die wahren Helden sind keine Dax-Chefs, sondern Familienunternehmer, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden. Leider prägen aber nicht diese Macher-Typen das Bild unseres Unternehmertums. Am Ende wirken die Auswüchse bei der Deutschen Bank meinungsbildender als die Bodenständigkeit etwa der Liebherr-Verantwortlichen, die Krane, Bagger, Kühlschränke oder Flugzeugteile herstellen lassen. Da mag die Deutsche Bank sich in einem desaströsen Zustand befinden, trotzdem verdienten dort 2018 nach Recherchen der französischen Zeitung Les Échos 643 Mitarbeiter jährlich mindestens eine Million Euro.

    Das ist aus Sicht von Aktionären und Mitarbeitern obszön, wie die Tatsache, dass Ex-Daimler-Chef Dieter Zetsche ein jährliches Mindestruhegeld von 1,05 Millionen Euro bekommen soll. So leben wir in einem Zeitalter der Maßlosigkeit.

    Der Sport als Negativ-Beispiel bei Gehältern

    Eine Pseudo-Elite ohne Sinn für Maß und Mitte, der die zügelnden Morallehren etwa des Philosophen Aristoteles fremd sind, ist nicht zur Umkehr bereit. Nach der Jahrtausendwende ging der Anstand in Dax-Konzernen langsam verloren. Ohne Reflexion passten sich die Bosse an den Gehälter- und Boni-Wahnsinn angelsächsischer Machart an. Dabei wirken die Dax-Abkassierer wie Waisenknaben im Vergleich zu den außer Rand und Band geratenen Fußball-Kapitalisten. Hier ist das Epizentrum der maßlosen Gesellschaft zu verorten. So soll ein Fußballer wie Mesut Özil, über dessen Qualitäten die Meinungen auseinandergehen, rund 1,6 Millionen Euro im Monat bekommen. Einer von unbestrittener Spitzenklasse wie Lionel Messi wird auf 8,3 Millionen Grundgehalt pro Monat geschätzt. Da muten die etwa 7,3 Millionen Jahresbezüge von VW-Chef Herbert Diess fast akzeptabel an.

    Doch weder der Volkswagen-Boss noch Messi verdienen so viel Geld. Beide mögen sich ein Beispiel an einer Top-Performerin mit bescheidenem Auftreten nehmen: Kanzlerin Angela Merkel kommt im Monat nach Angaben einer Regierungssprecherin auf insgesamt 29143,91 Euro brutto, also auf rund 55 Mal weniger als Özil. Dabei ist Merkel eine geniale politische Pass-Spielerin.

    Es stimmt etwas Grundsätzliches nicht in der Einkommenswelt. Matthias Ginter, der in Diensten Borussia Mönchengladbachs steht, kritisiert zu Recht: „Wenn ich sehe, wie Krankenpfleger schuften müssen und dafür ein Gehalt bekommen, mit dem sie kaum über die Runden kommen, dann muss ich sagen: Natürlich verdienen wir Fußballer zu viel.“ Sport spalte sich zusehends von der normalen Gesellschaft ab. Das gilt auch für Dax-Manager, was gefährlich für den Zusammenhalt in unserem Land ist.

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