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Kommentar: Mit immer mehr PS retten wir das Klima nicht

Kommentar

Mit immer mehr PS retten wir das Klima nicht

Stefan Stahl
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    Auch ein SUV: Der Lamborghini Urus.
    Auch ein SUV: Der Lamborghini Urus. Foto: Ulrich Wagner

    Mitten in der Diesel-Krise steuert die Auto-Industrie auf die nächste Sackgasse zu. Es ist der SUV-Irrweg, der Trend zu immer größeren und schwereren Autos, eben Geländewagen für die Stadt. Wie schon bei den Abgas–Betrügereien ist es ein Tunnelblick, der Vertreter des Wirtschaftszweigs nur nach vorne schauen lässt. Kritik wird links überholt. Zu üppig sind die Renditen, die sich mit als „Vorstadt-Panzer“, „Ego-Krücken“ oder „rollenden Eigenheimen“ verspotteten Gefährten erzielen lassen. Der Wirtschaftspsychologe Rüdiger Hossiep spricht treffend vom Trend zum „gepanzerten Selbst“.

    So war 2018 gut jedes vierte in Deutschland neu zugelassene Auto ein SUV. In nicht allzu langer Zeit soll es bereits jedes dritte sein. Die Autos sind wahre Ego-Schmeichler: Fahrer sitzen höher, haben eine bessere Sicht und fühlen sich sicher. Auch immer mehr Frauen schätzen SUVs. Doch dank der Kolosse geht es zunehmend eng auf Straßen zu. Der Platz in Parkhäusern schrumpft. Wenn sich zwei SUVs in Altstadtgassen begegnen, kommt es zu komischen Szenen.

    Natürlich gibt es zunehmend kleinere SUVs, die den Trend zu weniger Platz zumindest etwas abmildern. Dies ändert nichts daran, dass Fahrer normaler Autos, etwa eines Polo, sich tiefer gelegt vorkommen und sich angesichts von hinten aufblendender Riesen und von der Seite überholender Monster bedrängt fühlen, ja es auf Autobahnen mit der Angst zu tun bekommen. Irgendwann geben SUV-Opfer auf und kaufen sich selbst ein derartiges Auto. Der Trend verstärkt sich also selbst.

    Klima-Aktivistin stellt Volkswagen an den SUV-Pranger

    Doch der Widerstand gegen das Wettrüsten im Straßenverkehr wächst. So wurde etwa Volkswagen-Chef Herbert Diess auf der Hauptversammlung von einer 18-jährigen Klima-Aktivistin an den SUV-Pranger gestellt. Die Aussagen der knapp und zugespitzt formulierenden Clara Mayer verbreiteten sich in Windeseile zum Schaden von VW im Netz.

    Wie Youtuber Rezo der CDU zusetzte, legte die Schülerin den Finger in die Volkswagen-Wunde: „Heute haben Sie ihre neue Flotte SUVs vorgestellt. Das ist bedauerlich. Denn schon bevor ich geboren wurde, entwickelte VW ein Drei-Liter-Auto, das mit 84 Gramm CO2 deutlich unter dem kommenden EU-Grenzwert von 95 Gramm liegt.“

    VW verkaufe aber immer schwerere Autos, die mehr Benzin verbrauchten und mehr CO2 ausstoßen würden. Clara Mayer nennt das „Rückschritt durch Technik.“ Durch Familien wird bald ein Graben geben: Kinder klagen ihre SUV-Eltern an.

    Und Diess musste sich trotz seiner Elektroauto-Revolution von der Frau anhören: „Was Sie hier tun, ist nicht genug.“ Clara Mayer hat Recht, denn es ist widersinnig, eine ökologische Verkehrswende auszurufen und auf große SUVs zu setzen, die schon in der Produktion die Umwelt stärker als normale Autos belasten.

    Eingreifen der Politik gegen SUV-Trend wäre ein Armutszeugnis

    Dabei versuchen die Autohersteller die Schuld bei den Verbrauchern abzuladen. Diese wollten bulligere Autos fahren und nicht in dem Maße vernünftig dimensionierte Fahrzeuge wie etwa das Elektroauto i3 von BMW.

    Manch einer könnte sich vorstellen, dass der Staat regulierend, also durch spezielle Steuern, eingreifen muss, um dem SUV-Wahnsinn Einhalt zu gebieten. Das wäre ein Armutszeugnis, wenn die Politik Autofahrer vor ihrem Hang „zum rücksichtslosen Konsum“, wie es der Politologe Markus Wissen nennt, in Schutz nähme.

    Der Industrie selbst sollte daran gelegen sein, nach dem Diesel-Skandal vernünftige Elektro-Autos zu präsentieren und nicht mit rollenden E-Traktoren zum Ziel der Kritik eines Teils der jungen Generation zu werden, deren Motto es ist: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“

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