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Petition: Sind Tiere durch eine EU-Verordnung in Gefahr?

Petition

Sind Tiere durch eine EU-Verordnung in Gefahr?

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    Tierärzte kämpfen gegen ein EU-Antibiotikaverbot.
    Tierärzte kämpfen gegen ein EU-Antibiotikaverbot. Foto: Inga Kjer, dpa-tmn

    Die traurigen Kulleraugen eines Hundes blicken von einem Plakat. Daneben ist der dramatische Schriftzug "Mein Leben ist in Gefahr" abgedruckt. In vielen Tierarztpraxen liegen zurzeit Unterschriftenlisten aus, oder Tierfreunde schicken sich die dazugehörige Petition im Internet weiter. Tierhalter sind besorgt, was das für ihre Vierbeiner bedeutet, wenn plötzlich von einem Antibiotikaverbot für ihre Vierbeiner die Rede ist. Doch sind Haus- und Nutztiere wirklich in Gefahr, wie die Kampagne suggeriert?

    Um was geht es in der Petition?

    Die vom Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt) gestartete Unterschriftenkampagne "EU will weitreichendes Antibiotikaverbot für Tiere - Gefahr für unsere Tiere" hat auf der Plattform change.org bereits über 300.000 Unterschriften und wird vom Bundesverband für Tiergesundheit und dem Tierärzteverband unterstützt. Die Initiatoren fordern, dass Tierärzte auch in Zukunft alle zugelassenen Antibiotika weiter zur Behandlung von allen Tieren einsetzen dürfen. Die Protestaktion richtet sich gegen eine Resolution des EU-Umweltausschusses.

    Grünen ist neue EU-Verordnung zu unscharf

    Wieso steht die Antibiotika-Behandlung von Tieren überhaupt zur Debatte?

    Die neue Tierarzneimittelverordnung soll 2022 EU-weit in Kraft treten. Unter anderem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) haben daran mitgearbeitet. Die Behandlung von Nutztiergruppen mit Antibiotika wird nach diesem Gesetzesvorschlag verboten. Es wird stark reglementiert, wann welches Antibiotikum zum Einsatz kommen darf. Seit 2006 gibt es bereits ein Verbot von Antibiotika als Wachstumsförderer in Futtermitteln, wie es lange in der Nutztierhaltung üblich war. Jetzt soll unter anderem auch die vorbeugende Behandlung verboten werden.

    Doch dieser Entwurf ist dem Europaabgeordneten Martin Häusling (Bündnis 90/Die Grünen) zu unscharf. Damit hätte es kaum Einschränkungen gegeben, sagt er. Mit ihm schlägt deshalb der EU-Umweltausschuss vor, die Einschränkungen genauer zu definieren und aufzulisten, welche Antibiotika nun erlaubt und welche künftig verboten sein sollen.

    Warum sollen Antibiotika in der Tiermedizin eingeschränkt werden?

    Der neue Vorstoß will ein Anwendungsverbot für Reserve-Antibiotika. Das sind die Wirkstoffklassen, die als Reserve fungieren, wenn ein Keim resistent gegen alle anderen ist. Diese Reserve dürfte dann nicht mehr für die Behandlung von Tieren verwendet werden. Tierärztinnen und Tierärzte könnten diesen Wirkstoff dann weder kaufen noch Reste verwenden. Unter anderem geht es um ein Anwendungsverbot von Cephalosporinen der vierten und dritten Generation. Diese sind aber nicht nur für den Menschen, sondern auch für die Behandlung von Tieren von großer Bedeutung. Da EFSA und WHO den Menschen vor dem Tier priorisiert, müssten solche Antibiotika also auch auf einer Verbotsliste für die Tiermedizin stehen.

    Neue EU-Verordnung aus Sorge vor multiresistenten Erregern

    Was sind multiresistente Keime?

    Das sind Bakterien, gegen die eine oder mehrere Antibiotika-Klassen wirkungslos sind. In diesem Kontext sind vor allem die sogenannten Krankenhauskeime bekannt. Das ist ein schwerwiegendes Problem. Derzeit soll es jährlich 33.000 Tote in der EU wegen Antibiotika-Resistenzen geben. Eine Möglichkeit dieses Problem einzudämmen, ist, den Gebrauch von Antibiotika zu verringern. Denn je mehr ein Antibiotikum verwendet wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Mutation entsteht, die das Bakterium resistent macht. Zum Beispiel durch den Verzehr von Fleisch sollen resistente Keime in den menschlichen Körper eindringen. Laut Bundesverband praktizierender Tierärzte stammen fünf Prozent der multiresistenten Keime aus der Tierhaltung.

    Für Änderungen bleiben der EU wenig Zeit

    Was befürchten die Initiatoren der Kampagne?

    Der Bundesverband Praktizierender Tierärzte sieht in diesem neuen Entwurf folgendes Szenario auf sich zukommen: Ein Verbot bestimmter Antibiotika-Klassen könnte bedeuten, dass ihre vierbeinigen Patienten nicht mehr umfassend behandelt werden können. Als konkrete Beispiele werden Katzen mit Blasenentzündungen oder Kaninchen mit bakteriellen Infekten erwähnt, die nicht mehr mit einem wirksamen Antibiotikum behandelt werden können und schlimmstenfalls sterben. Der Europaabgeordnete Häusling beschuldigt den Tierärzteverband der falschen Tatsachenbehauptung und betont, dass das Veto den Einsatz in der Massentierhaltung verhindern soll, und nicht die Einzelbehandlung von Tieren betreffe.

    Zwei Entwürfe, wenig Zeit: Wie geht es weiter?

    Das Europäische Parlament wird Mitte September über das Votum des Umweltausschusses abstimmen. Dann müsste die EU-Kommission im Anschluss darüber beraten, ob zwischen der Massenvergabe von Antibiotika und Einzelbehandlungen kranker Tiere unterschieden werden soll. Die Umsetzung könnte zeitlich jedoch ein Problem werden: Die neue Tierarzneimittelverordnung soll schließlich in wenigen Monaten in Kraft treten. Die Unterschriftenkampagne der Gegner läuft noch bis zum 8. September.

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