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Interview: Porsche-Vorstand: "Unsere Mitarbeiter sind unsere Kronjuwelen"

Interview

Porsche-Vorstand: "Unsere Mitarbeiter sind unsere Kronjuwelen"

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    In der deutschen Fahrzeugindustrie werden in vielen Unternehmen in den nächsten Jahren reichlich Arbeitsplätze abgebaut. Bei Porsche sieht die Situation anders aus. Hier werden reichlich Beschäftigte umgeschult.
    In der deutschen Fahrzeugindustrie werden in vielen Unternehmen in den nächsten Jahren reichlich Arbeitsplätze abgebaut. Bei Porsche sieht die Situation anders aus. Hier werden reichlich Beschäftigte umgeschult. Foto: Marijan Murat, dpa

    Herr Haffner, Sie nennen Mitarbeiter „die Kronjuwelen“ von Porsche, eine Formulierung, die aus anderen großen Unternehmen so selten zu hören ist. Kronjuwelen sind ja auch teuer.

    Andreas Haffner: Für Porsche sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kronjuwelen. Auf Kronjuwelen muss man besonders achtgeben. Und sie müssen regelmäßig poliert werden, damit sie ihren Glanz behalten. Denn eines ist klar: Diese Firma wäre nicht so erfolgreich, wenn wir nicht so tolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten.

    Wie poliert Porsche Mitarbeiter?

    Haffner: Indem wir alles unternehmen, um sie langfristig an uns zu binden. Nach der aktuellen Gallup-Studie fühlen sich gut zwei Drittel der Beschäftigten in Deutschland ihrem Betrieb nur wenig verbunden und machen Dienst nach Vorschrift. Sie beklagen, dass ihre Arbeit nicht wertgeschätzt wird. Das ist bei Porsche zum Glück ganz anders. Wir geben Mitarbeitern viel Freiheit und vermitteln ihnen, dass wir sie und ihre Arbeit schätzen. Wir sind wie eine Familie, die mit viel Herzblut zusammenhält, auch wenn wir uns intensiv fordern.

    Wie lässt sich Ihr positives Porsche-Bild belegen?

    Haffner: Die Fluktuation liegt unter einem Prozent. Die meisten unserer Mitarbeiter bleiben ein ganzes Arbeitsleben lang. Jährlich ermitteln wir ein Stimmungsbarometer. 93 Prozent der Mitarbeiter sagen: Porsche ist für sie ein attraktiver Arbeitgeber. Mehr als 80 Prozent sind extrem zufrieden mit ihrer Arbeit. Das ist ein Spitzenwert. Trotz Corona erhalten die Mitarbeiter für das Geschäftsjahr 2020 eine freiwillige Sonderzahlung von bis zu 7850 Euro.

    Porsche prüft eine Rückkehr in die Formel 1.
    Porsche prüft eine Rückkehr in die Formel 1. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Der Bonus fiel aber um knapp 2000 Euro geringer als 2019 aus. Drückt das nicht zumindest etwas auf die gute Kronjuwelen-Stimmung der verwöhnten Beschäftigten?

    Haffner: Ganz im Gegenteil: Nach Bekanntgabe der Sonderzahlung habe ich über hundert Dankes-Mails erhalten. Unsere Mitarbeiter können das ganz gut einordnen. Mancher war sogar verblüfft, dass wir in harten Corona-Zeiten einen solchen Bonus zahlen. Aber die Mannschaft hat sich das verdient. Ganz wichtig: Bei uns bekommen die Mitarbeiter nicht einen bestimmten Prozentsatz des Gehalts als Bonus. Alle bekommen den gleichen Bonus. Die Kolleginnen und Kollegen in der Küche ebenso wie Ingenieure der höchsten Tarifgruppe.

    Das hört sich nach ein bisschen Luxus-Sozialismus bei Porsche an.

    Haffner: Das hat nichts mit Luxus-Sozialismus zu tun. Unser Unternehmenserfolg ist das Resultat einer tollen Mannschaftsleistung. Bei Porsche ist es gelebte Tradition, dass wir diejenigen gleichberechtigt am Erfolg beteiligen, die ihn durch harte Arbeit erwirtschaften. Bei uns gibt es auch keine Neiddiskussion.

    Wirklich? Das wäre ja menschlich.

    Haffner: Mir hat unlängst ein Entwickler geschrieben, dass er es richtig findet, allen die gleiche Sonderzahlung zu gewähren. Das zeichnet die Porsche-Familie aus. Ebenso, dass wir im Gastronomiebereich rund 500 Personen selbst beschäftigen und die Gastronomie eben nicht outsourcen. Selbst im Reinigungsbereich haben wir zum Teil noch eigene Mitarbeiter. Auch diese bekommen den Bonus – abhängig von der Arbeitszeit und Betriebszugehörigkeit – in voller Höhe.

    Um sich so viel Großzügigkeit und Familiengeist leisten zu können, braucht man entsprechende Gewinne. Manch Zulieferbetrieb mit dürftigeren Renditen kann sich das nicht leisten.

    Haffner: Das bestreite ich nicht. Porsche hat ja 2020 ein operatives Ergebnis von rund 4,2 Milliarden Euro und eine Umsatzrendite von 14,6 Prozent eingefahren. Wir könnten aber auch sagen, wir wollen noch mehr Rendite erwirtschaften. Aber wir haben ganz bewusst entschieden, über den Bonus einen Teil unseres Erfolges an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückzugeben.

    Ein elektrischer Porsche Taycan Turbo S im Porsche Zentrum Stuttgart.
    Ein elektrischer Porsche Taycan Turbo S im Porsche Zentrum Stuttgart. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Entsprechend müsste sich Porsche vor Bewerbungen kaum retten können.

    Haffner: Wir haben rund 36.000 Mitarbeiter und sind in der glücklichen Lage, weit über 100.000 Bewerbungen im Jahr zu bekommen. Sicherlich tragen dazu auch unsere Top-Plätze in Arbeitgeberrankings bei. Bei einer Umfrage des Instituts für Automobilwirtschaft haben wir erst jüngst wieder bei Studenten und Young Professionals den ersten Platz in der Automobilindustrie belegt.

    Aber die Transformation der Branche, also die Digitalisierung und Elektrifizierung, wirbeln auch Porsche durcheinander. Beschäftigte müssen sich radikal umstellen. Das liegt vielen nicht.

    Haffner: Die Veränderungen sind gewaltig. 20 bis 25 Prozent der Mitarbeiter werden in fünf Jahren nicht mehr auf ihrem heutigen Arbeitsplatz sitzen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Von 500 Ingenieuren, die sich bei Porsche mit Verbrennungsmotoren beschäftigt haben, werden wir einen Großteil auf neue Antriebstechnologien umschulen müssen.

    Wie funktioniert das?

    Haffner: Um die Bedarfe für die Zukunft zu ermitteln, erstellen wir für jedes Vorstandsressort sogenannte Transformationslandkarten. Dabei schauen wir uns jeden einzelnen Mitarbeiter an und prüfen, wen wir um- oder weiterqualifizieren müssen. Alleine in den kommenden fünf Jahren investieren wir dafür einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Wir nehmen die Mitarbeiter dabei an die Hand, sie müssen aber auch mitlaufen.

    Zurück in die Zukunft: Stilistisches Vorbild für den Porsche Boxster war der 550 Spyder - dem Typ, in dem James Dean tödlich verunglückte.
    Zurück in die Zukunft: Stilistisches Vorbild für den Porsche Boxster war der 550 Spyder - dem Typ, in dem James Dean tödlich verunglückte. Foto: Porsche AG

    Das klingt anstrengend. Wie funktioniert das?

    Haffner: Im engen Zusammenspiel aller Beteiligten und mit umfassender Kommunikation. Zudem nutzen wir entsprechende Werkzeuge, beispielsweise ein Skill-Matching-Tool.

    Was ist das denn?

    Haffner: Ein Mitarbeiter, der sich verändern möchte, gibt freiwillig seinen Lebenslauf in ein Computerprogramm ein. Dabei macht er auch Angaben zu seinen Qualifikationen, sogenannten Skills. Dann kommt Künstliche Intelligenz zum Einsatz. Sie ‚matcht‘ die Angaben des Mitarbeiters mit offenen Stellen in unserem Unternehmen. Das System zeigt dem Mitarbeiter auch auf, wie er sich weiterqualifizieren kann, um einen bestimmten Job zu bekommen. Am Ende entscheidet natürlich immer noch das direkte Gespräch.

    Was passiert mit Mitarbeitern, denen all das zu viel wird? Versucht Porsche solche Stellen dann doch wie viele andere Firmen über Altersteilzeit abzubauen, ja sogar Beschäftigte mit Abfindungen aus der Firma zu drängen?

    Haffner: Wir lassen keinen Beschäftigten zurück. Wir bauen kein Personal ab. Mit aktuell rund 36000 Mitarbeitern haben wir eine gesunde Größe, die wir beibehalten wollen. Wir haben also auch keine Abfindungsprogramme. Das wäre aus meiner Sicht der falsche Weg. Gerade die Erfahrung der älteren Kolleginnen und Kollegen ist für uns enorm wertvoll.

    Und wie sieht es mit Altersteilzeit aus?

    Haffner: Die bieten wir in einem begrenzten Umfang an. Aber nochmals: Ältere Mitarbeiter sind für uns keine Belastung. Ihr Know-how ist für uns extrem wichtig. Ein älterer Facharbeiter löst ein technisches Problem oft viel schneller als ein junger Ingenieur. Und im Zusammenspiel profitieren beide. Wir drängen ältere Beschäftigte nicht in die Altersteilzeit ab. Wir qualifizieren sie weiter. Sie sind fester Bestandteil unseres Umbaus im Unternehmen.

    Ein Elfer ist ein Elfer ist ein Elfer? Zwar hat Porsche seine Ikone 911 immer noch im Programm, aber hat sie mit den ersten klassischen Modellen wie diesem 911 S Coupé von 1970 freilich nicht viel mehr als den Namen und eine verwandte Silhouette gemeinsam.
    Ein Elfer ist ein Elfer ist ein Elfer? Zwar hat Porsche seine Ikone 911 immer noch im Programm, aber hat sie mit den ersten klassischen Modellen wie diesem 911 S Coupé von 1970 freilich nicht viel mehr als den Namen und eine verwandte Silhouette gemeinsam. Foto: Porsche AG, dpa

    Dennoch nutzen rund 400 Mitarbeiter allein in diesem Jahr das Angebot der Altersteilzeit bei Porsche.

    Haffner: Das ist richtig, aber auf freiwilliger Basis. Wenn ein langjähriger Mitarbeiter in Altersteilzeit gehen möchte, sei es aus gesundheitlichen Gründen oder weil er die Transformation der Branche nicht mehr mitmachen möchte, dann sind wir natürlich gesprächsbereit. Das Angebot ist auch attraktiv: Diese Mitarbeiter bekommen de facto 95 Prozent ihres letzten Nettogehalts. Grundsätzlich stellen wir aber erfreut fest, dass die meisten älteren Mitarbeiter den Wandel zur Elektromobilität mitgestalten möchten.

    Stellen Sie ältere Bewerber neu ein?

    Haffner: Wir stellen durchaus auch ältere Mitarbeiter ein. Bei Porsche versuchen wir für jeden Mitarbeiter einen guten Job zu finden – solange er es will und gerne bis zum regulären Eintritt ins Rentenalter.

    Ist Porsche eine Art Job-Paradies?

    Haffner: Nein, das würde ich so nicht sagen. Auch bei uns fließt der Honig nicht von den Wänden. Unsere Mitarbeiter müssen hart arbeiten für ihr Geld. Aber das Gesamtpaket passt ganz offensichtlich. Die Kolleginnen und Kollegen sind gerne bei Porsche. Nicht wenige weinen sogar, wenn der Tag des Ruhestands gekommen ist.

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