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EU-Kommission: Warum die EU die deutsche Ausbildung bewundert

EU-Kommission

Warum die EU die deutsche Ausbildung bewundert

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    Manuela Geleng, Direktorin bei der EU–Kommission, testet einen Roboter des Augsburger Unternehmens Kuka.
    Manuela Geleng, Direktorin bei der EU–Kommission, testet einen Roboter des Augsburger Unternehmens Kuka. Foto: Peter Fastl

    Ende des Jahres ist Gentian Veliu fertiger Werkzeugmechaniker bei Borscheid und Wenig in Diedorf. Wie jährlich rund 515.000 andere Menschen hat der 18-Jährige nach der Schule eine Berufsausbildung begonnen. In Deutschland ist dieser Weg normal. Hier hat die Kombination aus Theorie und Praxis Tradition. In anderen Ländern nicht. Sie kämpfen mit hohen Arbeitslosenquoten – vor allem bei Jugendlichen.

    Und sie schauen mit Bewunderung auf das duale System, in dem Auszubildende im Betrieb das praktische Arbeiten lernen und den theoretischen Teil in der Berufsschule. Deshalb will die EU-Kommission, dass andere Länder von dem deutschen Modell profitieren. Die EU-Mitarbeiter Manuela Geleng, Joao Santos und Jan Varchola, die sich mit Berufsbildung beschäftigen, waren darum diese Woche in der Region zu Gast, um sich einen genauen Eindruck von der deutschen Ausbildung zu machen.

    IHK: Deutschland ist mit seiner Berufsausbildung ein Vorbild für Europa

    Gerade wegen der Zusammenarbeit zwischen regionaler Wirtschaft und der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben hat die Kommission sich für die Gegend in und um Augsburg entschieden. „Die Kooperation hat Vorbild- und Modellcharakter für Europa“, betont Barbara Fabian, Leiterin des Referats EU-Bildungspolitik der IHK.

    Das deutsche duale System ist beliebt. Nicht nur die EU ist voll des Lobes. In dem aktuellen Ergebnissen des OECD-Bildungsreport heißt es: Es muss nicht immer ein Abschluss an der Universität sein. Ein Meisterbrief habe den gleichen Wert – zumindest, wenn es um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt geht. Die Forscher würdigten das duale deutsche Berufsbildungssystem wegen der anschließenden hohen Beschäftigungsquote.

    In Deutschland gibt es EU-weit die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit

    Die Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit bestätigen den Erfolg des Konzeptes. In Deutschland beträgt die Quote nur 6,8 Prozent. Im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten ist die Bundesrepublik damit Vorreiter – mit Abstand. In Italien und Spanien liegt die Quote bei über 30 Prozent. In Griechenland sind es mehr als 40. „Deutschland verfügt über ein erstklassiges Berufsbildungssystem“, sagt Manuela Geleng. Das duale System sei der Schlüssel für das gute Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen.

    Bleibt die Frage, warum andere EU-Länder das deutsche System nicht einfach übernehmen. „Ein einfaches copy-paste ist nicht möglich“, erklärt Geleng. „Andere Länder haben andere Traditionen.“ Es gehe um Systeme, die schon jahrelang bestehen. Sie einfach abzuschaffen, ist nach Ansicht der Kommissionsdirektorin nicht zielführend. Joao Santos bestätigt das. „Jedes Land hat seine Geschichte. Etwas daran zu ändern, ist ein langsamer Prozess.“

    Berufsausbildung: Auch andere Länder haben ihre Traditionen

    Deutschland gegenüber anderen Mitgliedsstaaten zum Pionier zu erklären, sei nach Ansicht des IHK-Leiters für Berufliche Bildung, Oliver Heckemann, aus einem weiteren Grund problematisch: „Es geht auch um Stolz. Andere Länder sehen die Gefahr einer deutschen Dominanz.“ Nur selten wird daher von einer kompletten Adaption des deutschen Modells gesprochen. Laut der Kommissionsdelegation ist es vielmehr das Ziel, europaweit „Zentren der beruflichen Exzellenz“ zu fördern und zu vernetzen. Also Einrichtungen der beruflichen Bildung, die als Motor für Innovation auf diesem Gebiet dienen soll. „Die europäische Idee ist es, von den Erfahrungen eines jeden Mitgliedsstaates zu lernen“, sagt Geleng.

    Das ist die duale Berufsausbildung

    In Deutschland besuchen Auszubildende zum einen die Berufsschule. Zum anderen arbeiten viele von ihnen auch in Betrieben mit. Es gibt allerdings auch Ausbildungen – etwa im Gesundheitswesen – die vor allem in der Berufsschule stattfinden.

    Was Azubis in der Schule und in ihren Betrieben lernen, ist festgelegt. Durch einen sogenannten Rahmenlehrplan in der Schule und einen Ausbildungsrahmenplan im Betrieb. Im Großen und Ganzen sind diese beiden Pläne in ganz Deutschland gleich. Allerdings gibt es die Möglichkeit für einzelne Betriebe und Bundesländer, die Vorgaben etwas zu individualisieren. Was in den Plänen steht, legen Arbeitgebervertreter, Gewerkschaften und Lehrer zusammen fest. Und sie passen es ständig neu an, wenn sich die Anforderungen ändern.

    Im Handwerk gibt es zu den beiden genannten Zügen noch einen dritten. Die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung – kurz Ülu. An ihr nehmen ebenfalls alle Lehrlinge teil. Sie gewährleistet, dass zum Beispiel ein Schreinerlehrling, der in einem Treppenbau-Betrieb arbeitet, am Ende seiner Ausbildung nicht nur Treppen bauen kann, sondern auch alle anderen Bereiche des Schreinerhandwerks beherrscht. (hhc)

    Das bedeutet, andere Länder können schauen, was in anderen Nachbarländern gut funktioniert und überlegen, was sie davon übernehmen wollen. Geleng: „Aber das erfolgreiche deutsche Modell, das von den Kammern geleitet wird, ist sehr nützlich für unsere Überlegungen auf europäischer Ebene.“

    Ein System für alle EU-Mitgliedsstaaten ist das Ziel

    Jan Varchola ist für die Führung und Analyse des Referats für Berufsbildung, Lehrlingsausbildung und Erwachsenenbildung zuständig. In seinem Heimatland Slowakei sowie auch in anderen EU Ländern gäbe es bereits erste Pilotprojekte, die sich an den beruflichen Konzepten in Deutschland, Österreich und der Schweiz orientieren. „Sie sind eine Inspiration.“

    Ein flächendeckendes System sei zielführend, bedürfe aber Zeit. Varchola gibt zu, dass ein Problem auch darin liege, dass einige Firmen im Ausland nicht bereit seien, Geld für ungelernte Kräfte zu bezahlen. Doch er ist überzeugt: Von dem dualen System würden nicht nur junge Menschen, sondern ebenso die Firmen und Regierungen profitieren.

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