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Augsburg: Wie Manroland seine Zukunft sichern will

Augsburg

Wie Manroland seine Zukunft sichern will

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    Bei Manroland web production in der Alois-Senefelder-Allee werden Druckmaschinen für Kunden aus der ganzen Welt gebaut.
    Bei Manroland web production in der Alois-Senefelder-Allee werden Druckmaschinen für Kunden aus der ganzen Welt gebaut. Foto: Michael Hochgemuth

    Unternehmen, die Druckmaschinen verkaufen, haben es derzeit nicht leicht. „Der Markt ist deutlich rückläufig. Daraus brauchen wir kein Geheimnis machen“, sagt Alexander Wassermann, Geschäftsführer von Manroland Goss in Augsburg. Mit 15 bis 20 Prozent beziffert er den Rückgang an Neumaschinengeschäft pro Jahr und liefert damit gleich einen der Hauptgründe dafür, warum der weltweit führende Hersteller von Rollenoffsetdruckmaschinen für den Druck von Zeitungen, Zeitschriften und Werbeprospekten seit Jahren enorm unter Druck steht und in der Vergangenheit auch Personal abgebaut wurde. Betriebsrat und Gewerkschaft fordern daher seit Längerem ein Zukunftspaket und die Erschließung neuer Geschäftsfelder, um das Unternehmen auf sichere Beine zu stellen und den rund 700 Mitarbeitern am Hauptsitz Augsburg eine Perspektive zu bieten.

    Eine solche Strategie gibt es jetzt und hat mit dem kürzlich vollzogenen Zusammenschluss von Manroland web systems und dem US-Mitbewerber Goss International an Fahrt aufgenommen. Das US-Unternehmen bringt zu den 1500 Manroland-Maschinen am Markt weitere rund 6000 Anlagen dazu, die gewartet und betreut werden müssen. Hier soll das Geschäftsfeld Service, das bei der Zukunftsstrategie eine wesentliche Rolle spielt, enorm gestärkt werden. „Auf diese Weise gewinnen wir etwa 100 Millionen Euro an Umsatz auf diesem Gebiet dazu“, rechnet Wassermann vor. Ziel sei es, die derzeit rund 300 Millionen Euro Umsatz der Manroland Goss zu zwei Drittel aus dem Service zu generieren und nur noch ein Drittel aus dem Neumaschinengeschäft. „Dann wären wir unabhängiger von den Schwankungen am Markt“, so Wassermann.

    Das Zukunftskonzept beinhaltet neben dem Ausbau des Services aber noch vier weitere Säulen, mit denen neue Geschäftsfelder erschlossen werden sollen. Dazu gehört der Ausbau der bestehenden Online-Verkaufsplattform (E-Commerce), das Angebot von Automatisierungslösungen, die Weiterentwicklung intelligenter Maschinen (Industrie 4.0) sowie der Einstieg in die Nische für Verpackungsdruckmaschinen. „Diese Struktur wird helfen, uns sicher für die Zukunft aufzustellen, ohne uns dabei zu weit von unserem Kerngeschäft zu bewegen“, erklärt Wassermann. Auf manchen dieser Felder sei man nahezu konkurrenzlos oder hochkompetent und damit ein gefragter Ansprechpartner. Ein Aspekt, der ihm, der mit „Herz und Seele“ dem Rollenoffsetdruck verschrieben ist, wichtig ist. „Wir müssen uns darauf konzentrieren, was wir können“, ist der 53-Jährige überzeugt. Völlig neue Produkte am Standort zu entwickeln, wie es Arbeitnehmervertreter für unerlässlich halten, hält er für falsch, wäre aber dennoch möglich. Dass das Unternehmen an den Erfolg des eingeschlagenen Weges glaubt, zeige auch die Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiter bis 2023.

    Bei den Arbeitnehmervertretern sieht man die Entwicklungen mit gemischten Gefühlen. „Ja, der Zusammenschluss mit Goss bringt uns im Bereich Service sicher Zuwächse und die Beschäftigungsgarantie über fünf Jahre war psychologisch wichtig, um Sicherheit für die Belegschaft zu erreichen“, sagt Betriebsrat Sascha Hübner. Aber als Allheilmittel sieht er die Lösung dennoch nicht. Der Goss-Eigner American Industrial Partner (AIP) hat bereits angekündigt, sich nach drei Jahren aus dem Joint Venture zurückzuziehen und Manroland Goss verkaufen zu wollen. „Wie läuft es dann weiter und wie reagiert der zweite Manroland Goss-Eigner Possehl darauf?“ Hübner hält es daher nach wie vor für unerlässlich, die gewonnene Zeit zu nutzen, um über neue Produkte nachzudenken. „Es muss ja nicht sein, dass wir fortan Kühlschränke produzieren. Aber wir hätten durchaus Ideen, die im weitesten Sinne auch noch mit Druck zu tun hätten“, erzählt er.

    Neben Manroland Goss ist Sascha Hübner als Betriebsrat auch für die Manroland web production zuständig. Dahinter verbirgt sich die ehemalige Produktion des Druckmaschinenherstellers, die vor gut eineinhalb Jahren unter großem Protest der Belegschaft und der Arbeitnehmervertreter aus der Manroland web systems ausgegliedert worden ist und nun als eigenständige Fertigungsgesellschaft agiert. Man hatte darauf gesetzt, auf diese Weise mehr Drittgeschäft akquirieren und so Umsatz und Gewinn steigern zu können. „Wenn sie als eigenständiges Unternehmen auftreten ist zum einen der Druck größer, tatsächlich neue Kunden zu gewinnen und auch die Außenwirkung ist eine andere“, beschreibt Alexander Wassermann, warum er den Schritt nach wie vor für richtig hält. Es sei damals nur nicht gelungen, die Mitarbeiter entsprechend abzuholen und ebenfalls davon zu überzeugen. Mittlerweile hätten sich die Wogen aus seiner Sicht allerdings geglättet.

    Tatsächlich berichten Mitarbeiter, dass die Arbeit nun abwechslungsreicher sei und man sich durch die neuen Aufträge besser abgesichert fühle. Es gibt aber nach wie vor auch kritische Stimmen. Für Franz Gumpp, Geschäftsführer der Fertigungsgesellschaft ist das ein Ansporn, weiter am Erfolg der Manroland web production zu arbeiten: „Wir müssen es schaffen, dass unsere 260 Mitarbeiter wieder stolz auf ihr Unternehmen sind und sie ihr Trauma, das sie durch all die Tiefschläge in den letzten Jahren erlitten haben, überwinden.“

    Deshalb versucht er akribisch, externe Neukunden zu akquirieren. Erfolge gibt es bereits. Rund 20 Prozent des derzeitigen Auftragsvolumens kommt von außerhalb, sagt er. Auch namhafte, international tätige Kunden seien dabei. Besonders wachsen will Gumpp im Bereich mechatronischer Baugruppen. „Hier haben wir eine hohe Kompetenz und sind in der Lage, Komplettlösungen aus einer Hand anzubieten. Das müssen wir noch stärker nutzen“, gibt er ein Ziel aus. Für 2018 rechnet Gumpp mit einem Umsatz von rund 37 Millionen Euro. Was zunächst nach einem niedrigen Pro-Kopf-Umsatz aussieht, hängt mit internen Verrechnungen mit der Schwester Manroland Goss zusammen.

    Der Gewinn soll sich in einem hohen sechsstelligen Bereich bewegen, 2019 soll das Drittgeschäft um 30 Prozent wachsen. Die langfristige Planung sieht vor, die Hälfte des Geschäfts über Druckmaschinen, die andere über externe Kunden zu erwirtschaften.

    Dass es so lange gut geht, hofft Betriebsratsvorsitzender Sascha Hübner. „Noch ist Manroland Goss der größte Kunde der Fertigungsgesellschaft. Wenn hier das Neumaschinengeschäft einbricht, dann bricht auch ein großes Auftragsvolumen für die web production weg. Dann wird es sehr schwer, das aufzufangen.“ Dann helfe es auch kaum, dass im Zuge der Fusion mit Goss auch für die Mitarbeiter der Fertigungsgesellschaft die Beschäftigungsgarantie bis 2023 verlängert worden ist.

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