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Foto: Fabian Sommer, dpa
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Das Leben wird teurer. Müssen wir uns an höhere Inflationsraten gewöhnen?

Preise
23.10.2021

Wie geht es weiter mit der Inflation?

Von Michael Kerler

Bisher sagen die meisten Fachleute, dass sich die Lage nächstes Jahr beruhigt. Doch die Inflation könnte dauerhafter bleiben als gedacht.

Das Tanken ist massiv teurer geworden, der Gaspreis explodiert. Der regnerische Sommer und eine schlechte Ernte lassen die Preise für Gemüse und Obst steigen. Dazu kommen Materialengpässe und Lieferprobleme weltweit, so dass auch Elektronikartikel, Fahrräder oder Elektroautos knapper sind. Es sind mehrere Gründe, die derzeit die Preise steigen lassen. Deshalb ist es kein Wunder, dass die Inflationsrate Höhen erklimmt, die man schon lange nicht mehr gesehen hat. Erste Stimmen geben zu bedenken, dass mit dauerhaft höheren Inflationsraten zu rechnen ist.

Vor allem aufgrund der höheren Energiekosten haben die Verbraucherpreise in Deutschland im September gegenüber dem Vorjahresmonat um 4,1 Prozent zugelegt. Das teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch mit. Eine ähnlich hohe Inflationsrate gab es zuletzt im Dezember 1993 mit 4,3 Prozent. Die Geldentwertung liegt damit deutlich über der Zielmarke der Europäischen Zentralbank von 2 Prozent. Sie ist problematisch für Sparerinnen und Sparer, weil die Rücklagen an Kaufkraft verlieren. Bei Zinsen um die null Prozent haben die Sparer mit klassischen Geldanlagen wie Tagesgeld oder dem Sparbuch kaum eine Möglichkeit, den Kaufkraftverlust auszugleichen. Für höhere Beträge fallen häufig inzwischen Negativzinsen an.

Sondereffekte durch die Corona-Krise

Ökonominnen und Ökonomen führen die Preissteigerungen auf Sondereffekte durch die Corona-Krise zurück. Die meisten rechnen deshalb damit, dass die Inflationsrate im nächsten Jahre deutlich zurückgeht. Der Internationale Währungsfonds geht zum Beispiel davon aus, dass die Inflation bis Mitte 2022 für die meisten Ländern wieder auf den Wert vor der Corona-Pandemie fallen wird. Ähnlich sieht man es bei der Bundesbank.

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Foto: Patrick Pleul, dpa
Foto: Patrick Pleul, dpa

Die Inflation hat im September die 4-Prozent-Marke überschritten.

Die Bundesbank hält kurzfristig in den kommenden Monaten zwar nochmals höhere Inflationsraten für wahrscheinlich. "Aus heutiger Sicht sind ab September bis zum Jahresende vorübergehend Raten zwischen 4 Prozent und 5 Prozent möglich", schrieb sie in ihrem letzten Monatsbericht. "Anfang2022 dürfte sich die Teuerung zwar spürbar ermäßigen, aber bis zur Jahresmitte noch über 2 Prozent liegen."

Und doch gibt es Stimmen, die darauf hinweisen, dass derart niedrige Inflationsraten wie vor der Corona-Krise vielleicht nicht mehr erreicht werden und mit einer dauerhaft höheren Inflation zu rechnen ist. Zur Zeit spielen mehrere Effekte bei der Inflation eine Rolle, erklärt Mario Peric, Bereichsvorstand Süd für Privat und Unternehmerkunden bei der Commerzbank. Einige Effekte könnten wieder verschwinden, andere dagegen weiter inflationstreibend wirken.

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Höherer CO2-Preis bleibt auf Dauer und verteuert Energie

Ein Grund für die aktuell hohen Inflationsraten ist der Anstieg der Mehrwertsteuer von 16 zurück auf 19 Prozent, erklärt Peric. "Dieser Effekt wird im Januar 2022 nicht mehr sichtbar sein.", sagt er. Der zweite Effekt seien die genannten Lieferengpässe. "Dadurch sind Erzeugerpreise dramatisch gestiegen, was sich auch auf die Verbraucherpreise auswirkt. Sobald die Lieferprobleme überwunden sind, wird auch dieser Preiseffekt auslaufen - voraussichtlich im Jahr 2022", vermutet er. "Mit dem Abebben der Corona-Pandemie im Frühjahr und dem Auslaufen von Sonderfaktoren wie der zwischenzeitlichen Senkung der Mehrwertsteuer in Deutschland dürfte die Inflation wieder sinken", sagt auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

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Foto: Carsten Koall, dpa
Foto: Carsten Koall, dpa

Die Preise für Benzin sind im September stark gestiegen.

Zuletzt sei noch der gestiegene Rohölpreis als Inflationstreiber zu nennen, derzeit bei 80 Dollar je Barrel. "Hier erwarten wir ein Einpendeln auf 75 Dollar bis Ende 2021", sagt Commerzbank-Experte Peric. Eine Belastung im Sinne des Klimaschutzes wird hier nicht verschwinden: Seit Januar 2021 zahlen Verbraucher auf Benzin, Heizöl und Gas weitere 25 Euro je Tonne CO2-Steuer, erklärt Peric. "Bis 2025 soll diese Abgabe noch auf 55 Euro je Tonne steigen. Dieser Effekt wird bleiben", betont er.

Insgesamt gebe es damit drei vorübergehende Effekte für die Inflation, aber auch einen der weiterhin wirkt. "Wir werden nicht mehr auf das niedrige Teuerungsniveau der letzten Dekade zurückfallen", sagt Peric deshalb. "Strukturelle Faktoren wie Demographie oder Klimaschutz sprechen ab 2024 für strukturell höhere Inflation", fügt er an. Was die nächste Zeit betrifft, rechnet auch die Commerzbank bis Ende 2021 mit einem Anstieg der Inflation auf knapp fünf Prozent. Im Jahresdurchschnitt 2022 dürfte sie noch 2,75 Prozent betragen, sagt Peric.

Bayerns Bäcker, Metzgerinnen, Müller, Konditorinnen und Brauer warnten allerdings jüngst, dass sie die hohen Energie- und Rohstoffpreise stark belasten. „Die Marktentwicklung wird im kommenden Jahr zu massiven Kostensteigerungen führen, was hohe Auswirkungen auf die Verkaufspreise haben wird“, sagte Lars Bubnick vom bayerischen Fleischerhandwerk. Das trägt zur Inflation bei.

Ob die Inflation langfristig ein Problem wird, hängt aber vor allem von den künftigen Lohnabschlüssen ab. Höhere Preise sind auf Dauer durchsetzbar, wenn die Menschen mehr Geld zum Ausgeben haben. Manche Expertinnen und Experten sehen die Entwicklung kritisch.

Billiges Geld der EZB

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer wies unlängst im Gespräch mit unserer Redaktion darauf hin, dass die gestiegene Geldmenge durch die lockere Notenbankpolitik der EZB zusammen mit einem anziehenden Arbeitsmarkt nicht in den nächsten Monaten, aber in den nächsten Jahren zu höheren Inflationsraten führen könnte. „Die Wähler in den meisten westlichen Ländern akzeptieren nach den Erfahrungen der Corona-Krise einen größeren Staat und höhere Haushaltsdefizite“, sagt er. Der Kredithunger der Staaten bleibe ebenso hoch wie die Bereitschaft der EZB, ihn zu stillen. Die Folge: „Es gelangt weiter zu viel Geld in Umlauf“, warnt Krämer. Falls in ein paar Jahren die Arbeitslosigkeit wieder niedrig ist und Gewerkschaften und Arbeitnehmer höhere Löhne durchsetzen, steige das Risiko, dass sich das Zuviel an Geld in einer höheren Inflation entlädt, erklärt er.

DIW: Gefahr droht von psychologischer Seite

Eine Gefahr droht dabei auch von psychologischer Seite, warnt man am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Erwarten viele Menschen, dass die Inflation steigt, könnte es am Ende auch dazu kommen. Was derzeit die Inflation treibt – Lieferengpässe und Konjunkturpakete –, laufe in absehbarer Zeit aus. „Gefahr droht eher von den Erwartungen, zu der auch gerade die alarmistische Berichterstattung beiträgt“, sagt DIW-Ökonomin Kerstin Bernoth, die mit ihrem Kollegen Gökhan Ider die Preistreiber untersucht hat.

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„Gehen die Konsumentinnen, aber auch die Unternehmen davon aus, dass die Preise weiter so steigen, werden die Menschen Käufe vorziehen und höhere Löhne fordern“, erläutert Bernoth. „Die Unternehmen wiederum werden auf ihre Preise aufschlagen, wenn sie damit rechnen, höhere Löhne und höhere Erzeugerpreise zahlen zu müssen.“ Dies könne eine klassische Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen, die weniger auf realen Faktoren als auf einer psychologischen Dynamik basiert. „Höhere Inflationserwartungen könnten dann zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden und die tatsächliche Inflation ankurbeln.“

Bleibt die Frage, wie Sparerinnen und Sparer auf die gestiegene Inflation reagieren können. "Wir sprechen bereits seit 12 Jahren von der schleichenden Enteignung des Sparers, weil der Zins für Tagesgeld & Co nicht mehr ausreicht, um die Inflation zu kompensieren", sagte Commerzbank-Experte Peric. Durch den Anstieg der Teuerung habe sich dieser Effekt in den letzten zwei Jahren noch einmal dramatisch beschleunigt. Mittlerweile sei die Lücke zwischen Zins (bei null) und Inflation (in Deutschland nun 4, 1 Prozent) so groß wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr, sagt er. "Von daher ist ein Umschichten in konservative Wertpapiere absolut sinnvoll", meint Peric. "Generell lässt sich sagen: solange die Inflation nicht ausufert, bieten Sachwerte wie Aktien, Rohstoffe oder Immobilien einen sehr guten Inflationsschutz. Auch inflationsgeschützte oder inflationsindexierte Anleihen helfen." (mit dpa)

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