
Die fünf größten Gefahren für die schwäbische Konjunktur

Plus Eigentlich könnte die Wirtschaft nach dem Ende des Lockdowns zur großen Erholung ansetzen. Doch gleich mehrere Faktoren bremsen den Aufschwung, bevor er richtig begonnen hat.

Die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler freuen sich, dass sie endlich wieder offen haben können, die Gäste kehren in die Gasthäuser zurück. Fußballarenen, Kinos und Theater können wieder Publikum empfangen. Die Zeichen stehen eigentlich gut, dass im Zuge der Impfungen und dem Ende des letzten Corona-Lockdowns die Wirtschaft in Schwung kommt. Doch gleich mehrere Faktoren bremsen derzeit den Aufschwung. In Schwaben als Industriestandort schlagen einige Faktoren besonders hart zu Buche.
Risiko 1: Ganze 99 Prozent der Metall- und Elektro-Betriebe in Schwaben klagen über Materialmangel
Das unmittelbarste Problem für zahlreiche Unternehmen ist derzeit ein Mangel an Material und Lieferprobleme ihrer Zulieferer. Besonders hart ist die Industrie getroffen. Satte 99 Prozent der Betriebe in der schwäbischen Metall- und Elektroindustrie berichten aktuell, dass sie durch einen Mangel an Rohstoffen, Material und Vorprodukten in ihrer Produktion beeinträchtigt seien. Das geht aus einer Umfrage der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) hervor. 39 Prozent der Metall- und Elektrobetriebe sagen sogar, dass sie stark betroffen seien. „Das sind alarmierende Zahlen“, warnte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. „Der an Dynamik gewinnende Aufschwung aus dem tiefen Corona-Tal droht an Lieferengpässen und Materialknappheit zu scheitern“, sagte er.
Im Detail kämpfen der Umfrage zufolge mehr als vier von fünf Unternehmen mit einem Mangel an Material und Rohstoffen, ähnlich sehe es bei den Vorprodukten aus. Nahezu alle Betriebe bekommen Lieferungen verspätet. „Besonders erschreckend ist, dass mehr als die Hälfte der Betriebe einzelne Materialien überhaupt nicht mehr bekommt“, so Brossardt. „Da steht mitunter die gesamte Produktion still.“
Viele Betriebe gehen davon aus, dass der Mangel weit in das Jahr 2022 hineinreicht. Im Schnitt rechnen die Betriebe angesichts der Situation mit 13 Prozent weniger Umsatz. Um gegenzusteuern, ist die aus der Corona-Krise reichlich bekannte Kurzarbeit schon wieder ein Thema: „Schon jetzt müssen rund 19 Prozent der Betriebe wegen der Lieferengpässe kurzarbeiten“, sagte Brossardt.
Über fehlendes Material berichtet auch das Handwerk, das in Schwaben derzeit nach eigener Aussage den Erholungskurs fortsetzt. „Für Probleme sorgen weniger die Pandemieeinschränkungen, sondern vielmehr Lieferengpässe und stark gestiegene Preise für Vorprodukte und Baumaterial“, teilte kürzlich die Handwerkskammer für Schwaben mit.
Risiko 2: In der IT und im Gastgewerbe herrscht Personalnot
Die Wirtschaft erholt sich von der Corona-Krise, da kehrt ein altbekanntes Problem in neuer Form zurück: der Mangel an Fachkräften. Es fehlen IT-Spezialistinnen und IT-Spezialisten, aber auch in den Gasthäusern wird das Personal im Service und der Küche knapp, berichtete kürzlich Marc Lucassen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Schwaben. Gerade im Gastgewerbe haben sich viele Beschäftigte während der Corona-Lockdowns offenbar andere Arbeit gesucht. Ganze 56 Prozent der Betriebe aus Industrie und Handel in Schwaben gaben in der aktuellen Konjunkturumfrage der Kammer an, offene Stellen derzeit nicht längerfristig besetzen zu können. Ein Jahr davor waren es nur 37 Prozent. Da viele Beschäftigte aus der Generation der Babyboomer bald in den Ruhestand gehen, könnte sich das Problem noch verschärfen.

„Wenn wir unseren Wohlstand sichern wollen, müssen wir uns Gedanken machen, woher die Fachkräfte dafür kommen sollen“, sagte Lucassen. Die Kammer setzt neben einer Stärkung der dualen Ausbildung für heimische Jugendliche unter anderem Hoffnung auf das Fachkräfteeinwanderungsgesetz – also Fachkräfte aus dem Ausland.
Risiko 3: Stark gestiegene Preise für Strom, Gas und Öl
Stark gestiegene Preise für Gas, Öl und lange Jahre auch Strom machen den Unternehmen in Schwaben Sorgen. Ganze 61 Prozent sehen die hohen Energie- und Rohstoffpreise als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten, berichtete die IHK. „Die Energiewende wird inzwischen als Belastung wahrgenommen“, sagte Hauptgeschäftsführer Lucassen. Als besondere Sorge komme in der Region die Frage hinzu, wie das regionale Energiesystem die endgültige Abschaltung des Kernkraftwerks Gundremmingen Ende 2021 verkraftet. Die Region werde dann zum Netto-stromimporteur, sollte es keinen signifikanten Zubau von neuen Anlagen geben, warnte die Kammer kürzlich.
„Die Politik muss dringend handeln“, sagte dazu IHK-Präsident Andreas Kopton. „Wir brauchen schnellere Genehmigungsverfahren beim Ausbau der Übertragungsnetze und ein entschlossenes Eintreten für die Beschlüsse zum Ausbau der Versorgung.“
Risiko 4: Wie geht es weiter in China und Nordamerika?
Interessant dürfte werden, wie sich wichtige Auslandsmärkte weiterentwickeln. Lange Jahre waren China und die USA als Exportmärkte Zugpferde für die heimische Wirtschaft. Derzeit ist die Situation differenzierter: „Die außereuropäischen Märkte – insbesondere China und Nordamerika – entwickeln sich weniger positiv. Die gute Entwicklung in der Eurozone beflügelt dagegen das Auslandsgeschäft schwäbischer Unternehmen“, berichtet IHK-Hauptgeschäftsführer Lucassen.
Risiko 5: Corona und andere unkalkulierbare Ereignisse
Viele Krisen zeichnet aus, dass sie am Ende doch überraschend kommen. Auf die Finanzkrise 2008 oder die Corona-Krise 2020 war die Welt schlecht vorbereitet. Wie es mit der Corona-Pandemie weitergeht, ist nach wie vor ein heißes Thema. Sorgen vor der nächsten Infektionswelle und möglichen neuen Corona-Einschränkungen trübten die Stimmung ein, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Lucassen.
Auch andere Unwägbarkeiten gibt es viele. Wie geht es weiter mit dem schlingernden chinesischen Immobilienriesen Evergrande? Wie entwickelt sich das angespannte Verhältnis zwischen den USA und China? Sicher tauchen noch ganz neue Probleme auf.
Die heimischen Wirtschaftsvertreter wünschen sich deshalb eine schnelle Regierungsbildung in Deutschland, damit zumindest die bekannten Probleme angegangen werden.
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