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Bayerns Brauer-Präsident Schneider: Bier müsste teurer werden

Interview

Bayerns Brauer-Präsident: „Bier müsste auf alle Fälle teurer werden“

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    Georg Schneider, geschäftsführender Gesellschafter der gleichnamigen Weißbier-Brauerei, ist Präsident des Bayerischen Brauerbundes.
    Georg Schneider, geschäftsführender Gesellschafter der gleichnamigen Weißbier-Brauerei, ist Präsident des Bayerischen Brauerbundes. Foto: Bayerischer Brauerbund

    Herr Schneider, als bayerischer Brauer-Präsident beklagen Sie, die Betriebe der Branche könnten erforderliche Preisanpassungen nicht durchsetzen. Warum gelingt das den Unternehmen nicht?

    Georg Schneider: Dass wir keine höheren Preise durchsetzen können, liegt vor allem an der extrem hohen Konzentration im Einzelhandel. Vier Konzerne bilden hierzulande ein Oligopol. So müssen sich Brauer Preisphantasien nach oben abschminken. Die Konzerne diktieren die Preise. Und diese Konzerne bürden uns auch noch bürokratische Lasten auf.

    Welche Lasten sind das?

    Schneider: Selbst Brauer müssen die Regeln des deutschen Lieferketten-Sorgfaltpflichtengesetzes einhalten. Obwohl Unternehmen eigentlich erst ab 1000 Mitarbeitern nachweisen müssen, dass sie Menschenrechte global gewährleisten und die meisten Brauereien viel weniger Beschäftigte haben, müssen sie dennoch auf Druck der Einzelhandels-Riesen diese aufwendigen Nachweis-Pflichten erfüllen. Das sind zusätzliche Kosten für uns. 

    Doch auf der Wiesn und in den Restaurants klappt das ganz gut mit den Preissteigerungen für Bier. Am Viktualienmarkt hat ein Wirtshaus die Sechs-Euro-Grenze für eine Halbe überschritten und auf der Wiesen fällt die 15-Euro-Marke für eine Maß. Sind das nicht obszöne Preise?

    Schneider: Für unser Weisses Bräuhaus im Münchner Tal haben wir gesagt: Wir wollen nicht die billigsten in der Innenstadt sein, aber auch nicht die teuersten. Deswegen sind wir mit 4,90 Euro für das Weißbier unter der Fünf-Euro-Grenze geblieben. Unser Wirtshaus lebt nicht nur von Touristen, sondern vor allem von Einheimischen und Stammtischen. 

    Und was ist mit der Wiesn?

    Schneider: 15 Euro für eine Maß Bier auf der Wiesn empfinde ich nicht als obszön, weil man mit dem Kauf einer Maß den Aufbau von Zelten, die Sicherheit und die Musik mitbezahlt. 15 Euro für eine Maß Bier auf der Wiesn sind in Ordnung bei dem, was dort geboten wird. Man könnte die Kosten für die Wiesn auch über Eintritts-Gelder regeln. Bisher funktioniert das über den Bierpreis. 

    Sie kritisieren, die Politik in Berlin leiste an der Brauerei-Branche „eine Art Sterbehilfe“. Warum wählen Sie eine derart drastische Formulierung?

    Schneider: Damit spiele ich auf die Flut an Verordnungen an, die wir zu erfüllen haben. Da mag mancher Brauer zum Schluss kommen: Entweder ich riskiere es bewusst, dass ich ins Gefängnis gehe, weil ich aus Zeit- und Personalmangel all diese bürokratischen Regeln einfach nicht erfüllen kann, oder ich komme all den Vorgaben nach, stelle aber die Arbeit ein. Mein Braumeister sagte mir: Lieber Georg, ich kann all die neuen Vorschriften, die immer wieder in loser Blattform kommen, nicht mal mehr in den Sammelordner einsortieren. Mir fehlt die Zeit dafür, muss ich doch Bier brauen und Personal einteilen. 

    Wie teuer müsste ein Kasten Bier nach Ihren Vorstellungen sein?

    Schneider: Meine Brauer sind stinksauer, wenn der Kasten Bier im Handel zu Spott-Preisen von 9,99 Euro angeboten wird. Das ist eine Watschen für uns und unsere Arbeit. Unsere Arbeit wird offensichtlich nicht mehr wertgeschätzt. Das gefährdet die Existenz unserer mittelständischen Brauereien.

    Was müsste ein Kasten Bier also kosten, damit ein mittelständischer Brauer auskömmlich wirtschaften kann?

    Schneider: Bier müsste auf alle Fälle teurer werden. In anderen Ländern Europas kostet Bier, wenn man den Preis der dort vor allem in Sixpacks oder einzeln verkauften Flaschen auf einen deutschen Bier-Kasten hochrechnen würde, zum Teil rund 80 Euro. Ich habe mit meiner Familie Club-Urlaub in Griechenland gemacht, da kostete ein alkoholfreies 0,3-Liter-Bier 8,50 Euro. Da wurde ich vorübergehend zum Wasser-Trinker. In Deutschland ist Bier im europäischen Vergleich mit am günstigsten. Wir bei Schneider verkaufen den Kasten Bier zwischen 18 und 20 Euro. 

    Und was wäre ein fairer Preis für den Kasten?

    Schneider: Um vernünftig wirtschaften zu können, müsste ein Kasten Bier eines mittelständischen Handwerks-Betriebs zwischen 25 und 30 Euro kosten.

    Das wird schwierig. Setzt sich derweil das Brauerei-Sterben fort?

    Schneider: Ich würde nicht von einem Brauerei-Sterben sprechen, das klingt mir zu dramatisch. Wenn Brauereien aufgeben, vollzieht sich das still und leise. Sie stellen einfach den Betrieb ein, ohne dass dies außerhalb der Region groß publik wird. Das sind stets kleine regionale Nadelstiche, die in der Summe richtig wehtun. In Bayern ging die Zahl der Braustätten zuletzt von 635 auf 624 zurück. Im Jahr 2018 waren es noch 654 und 1993 mit 768 weitaus mehr.  

    Beschleunigt sich das Brauerei-Sterben?

    Schneider: Es muss viel passieren, ehe eine Brauerei aufgibt. Brauer sind in hohem Maße leidensfähig, schließlich arbeiten sie in einer sehr emotionalen Branche. Brauer haben in ihrer Region einen hohen sozialen Status. Da spielen wirtschaftliche Überlegungen oft eine untergeordnete Rolle. Vom Draufzahlen kann man auf Dauer aber nicht leben, auch wenn mancher Betrieb Grundstücke verkauft, um weiter existieren zu können. Es wird immer schwerer, unter den problematischen Rahmenbedingungen eine Brauerei wirtschaftlich zu betreiben. 

    Wohl auch, weil die Deutschen immer weniger Bier trinken.

    Schneider: Das setzt uns zu. In Deutschland lag der Bier-Konsum pro Kopf 1976 noch bei gut 145 Litern im Jahr. Doch zuletzt waren es nur noch 91,8 Liter. Brauer können das mit ihren guten Exportgeschäften nicht wettmachen.

    Doch Konsumenten trinken immer mehr alkoholfreies Bier. Ist das ein Hoffnungsschimmer?

    Schneider: Der Boom alkoholfreier Biere hält zwar an, kann aber die Verluste bei alkoholhaltigen Bieren nicht ausgleichen. Inzwischen ist etwa jedes neunte Bier, das Bayerns Brauer verkaufen, alkoholfrei. 

    Wie gestaltet sich denn der Bier-Konsum der Generation Z, also der zwischen 1995 und 2010 geborenen Menschen?

    Schneider: Die Generation Z trinkt situativ.

    Was meinen Sie damit?

    Schneider: Das Kölner Rheingold-Institut hat das Konsumverhalten der Generation Z untersucht. Konsum ist für die Mitglieder dieser Generation stressig: Wenn sie sündigen, wissen sie, dass sie sündigen. Trotzdem sündigen sie, weil sie nicht anders können. Aber eigentlich möchten sie nicht sündigen. Diese Frauen und Männer fragen sich, wie viel Eiweiß, wie viele Ballaststoffe und wie viele Vitamine in Lebensmitteln stecken. Die Rheingold-Experten sprechen davon, der unschuldige Genuss gehe verloren.

    Das ist schlecht für Brauer. Unschuld trinkt sicher mehr Bier. 

    Schneider: Das Trinkverhalten der Generation Z ist schlecht und gut zugleich für Brauer. Diese Generation hat zwar nichts gegen Bier, trinkt aber nicht regelmäßig Bier, sondern eben situativ, also anlassbezogen, etwa wenn man zum Feiern geht, auf dem Oktoberfest ist oder ein Konzert besucht.  Auf der Wiesn trinken sie dann ordentlich, unter Woche eher nicht und gehen ins Fitness-Studio. 

    Heißt die Devise also „Fitnessstudio statt Stammtisch“?

    Schneider (lacht): Beides sind Sehnsuchtsorte, die man gleichermaßen gerne aufsuchen würde, schafft es aber oft nicht, weil der Alltag zu stressig ist. Und weil oft die Zeit fehlt, zu einem Stammtisch zu gehen, wurden Stammtische online in soziale Netzwerke wie Facebook oder Instagram verlagert.

    Was wiederum schlecht für Brauer ist, weil Menschen dort in der Regel nicht gemeinsam Bier trinken.

    Schneider: Genau das ist das Problem für uns. Dabei haben analoge, also Stammtische in Wirtshäusern gegenüber digitalen einen großen Vorteil: Was dort geratscht und getratscht wird, ist am nächsten Tag vergessen. Kaum einer kann sich mehr daran erinnern. Die Festplatte ist gelöscht. Stammtische in sozialen Medien können einem Menschen, der in 25 Jahren für den Bundestag kandidiert, wegen des digitalen Gedächtnisses zum Verhängnis werden. Der Blödsinn aus jungen Jahren holt einen ein. 

    Für Bayerns Brauer war 2023 eines der schlechtesten Jahre in der jüngsten Geschichte – und das, obwohl nach den Corona-Zeit Menschen wieder zusammengekommen sind und gefeiert haben. Warum haben die Brauer im Freistaat spürbar weniger Bier verkauft?

    Schneider: Auch weil die Unternehmen im Würgegriff von Absatz-Rückgängen und extremen Kostensteigerungen stecken. Der erhoffte Aufschwung nach Corona blieb aus. Als unsere Brauer erleichtert waren, dass Corona vorbei ist, wurden sie voll von den enormen Preissteigerungen erfasst und damit auf dem falschen Fuß erwischt. Vor allem angesichts extremer Energiepreis-Steigerungen waren die Verbraucher verunsichert, was sich negativ auf den Bierabsatz auswirkte. Und wenn Lokale wegen Personalmangels nur noch drei, vier Tage die Woche aufsperren, wird dort natürlich auch deutlich weniger Bier als früher ausgeschenkt, was Brauereien schmerzlich spüren. 

    Die Konsumenten sind also verunsichert und trinken weniger Bier. Haben wir eine Bier-Krise?

    Schneider: Die Stimmung muss passen, sonst vergeht den Menschen der Appetit und der Durst. Wir stellen als Brauer schließlich ein Genuss-Produkt her. Wenn Menschen verunsichert sind, bleiben sie öfter zu Hause, gehen weniger in Gaststätten und trinken damit weniger Bier. Mit diesem Dämpfer im Zuge einer immer höheren Inflation hatten wir nicht gerechnet. Und ich musste persönlich schmerzlich lernen, wie nachteilig sich Entwicklungen der Lieferketten auf unsere Brauerei auswirken: Erst wird Energie teurer. Deswegen steigen die Preise für Holz, was wiederum die Papierpreise in die Höhe treibt und damit auch Bier-Etiketten verteuert.

    Und der Sommer war im vergangenen Jahr auch noch verregnet.

    Schneider (lacht): Das ist eine typische Brauer-Ausrede für Absatzrückgänge, die nicht mehr gilt. Wir sollten uns nicht auf das Wetter rausreden. Das Wetter passt nie, entweder ist es zu heiß oder zu kalt.

    Wird dieses Jahr besser für die bayerischen Brauer?

    Schneider: Die Kosten sind für die Brauer nach wie vor hoch. Zwar ist Energie günstiger geworden, aber sie ist deutlich teurer als in der Vor-Corona-Zeit. Und die Fußball-Europa-Meisterschaft hat die hohen Erwartungen der Brauer nicht erfüllt. Der Push ist ausgeblieben und wird bei ähnlichen Fußball-Ereignissen auch in Zukunft ausbleiben. Das deutsche Sommermärchen von 2006 hat sich nicht wiederholt. Zudem sind Fußball-Großereignisse inflationär geworden. Ständig gibt es Fußball-Spitzen-Spiele. Nach den bisher vorliegenden Absatzzahlen wird 2024 für die Brauer genauso schlecht wie 2023. 

    Zur Person: Georg Schneider, 56, geschäftsführender Gesellschafter der Schneider Weisse G. Schneider & Sohn GmbH, ist seit 2016 Präsident des Bayerischen Brauerbundes. Der Vater von vier Kindern ist mit einer Journalistin verheiratet und entspannt gerne beim Malen und Bergwandern. Die mittelständische Brauerei hat ihren Sitz im niederbayerischen Kelheim an der Donau. Früher hat das Unternehmen auch in München gebraut. Doch die Sudstätte wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. In München betreibt die Familie noch zwei Wirtshäuser, darunter das berühmte Weisse Bräuhaus im Tal.

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    5 Kommentare
    Rainer Kraus

    Früher war der Brotpreis der Inflationsindikator und Grund für Kriege, heute wohl der Bierpreis.

    Franz Wagner

    8,50 für ein 0,3 Liter Bier findet er nicht angemessen im Cluburlaub? Könnt er sich doch auch damit trösten dass damit auch Personal und Unterhaltung dort querfinanziert werden... Aber auf der Wiesn 15 EUR ist kein Problem für den Herrn! Mit der selben Begründung....

    Franz Xanter

    Langsam sollte doch bei vielen die Frage auftauchen, warum bzw. konkret durch was diese angeblich notwendigen Preissteigerungen eigentlich verursacht werden würden. Es vergeht fast kein Tag, an welchem nicht von irgendeiner angeblich notwendigen Preissteigerung die Rede ist. Begründet mit z.B. Energiepreisen (sind im sinken), Personalkosten (angeblich fehlt fast überall Personal), Rohstoffpreise (nur vereinzelt sind solche gestiegen), etc. Aber nachweislich durch viel zusätzliche aber unnötige Bürokratie ergibt sich ein immenses Mehr an Aufwand (kostenpflichtig!), welches definitiv nicht notwendig wäre. Nur da wird aus verbal gegründet, nicht und niemals daran gerüttelt. Wenn schon Unternehmen zusätzliches Personal dafür einstellen müssen bzw. aufgrund der Komplexität Fachpersonal beauftragen müssen, dann steht doch definitiv fest, dass da etwas nicht stimmt! Nur die Politik verschließt davor die Augen; lässt sich ja scheinbar einfach mit Preiserhöhungen kompensieren.

    Klara Rasper

    Die Preise fuer einen Kasten Bier reichen von unter 10EUR bis deutlich ueber 20EUR. Dabei sind die guenstigen keineswegs untrinkbar. Der Mehrpreis ist bei einem derart genormten Produkt wie Bier(Reinheitsgebot) schwer verstaendlich. Bei allen Unterschieden, die es in der Produktion geben kann.

    Klaus Heiß

    Es kann doch jeder selbst entscheiden, was ihm ein Produkt wert ist. Es gibt ja auch Leute, die gehen zu Fußball-Bundesliga-Spielen oder leisten sich dafür das Bezahlfernsehen. Gleichzeitig unterstützen sie damit Jungmillionäre, die oft recht wenig in der Birne haben. Da leiste ich mir dann doch lieber ein qualitativ hochwertiges Getränk, produziert von Könnern ihres Fachs. Fußballprofis würde ich niemals direkt unterstützen.

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