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Foto: fizkes, stock.adobe.com
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Bewerber hinterlassen in Video-Gesprächen einen schlechteren Eindruck, als wenn sie vor Ort zum Jobinterview erscheinen.

Studie aus Ulm
05.12.2020

Bewerber im Online-Vorstellungsgespräch schneiden schlechter ab

Von Jonathan Lindenmaier

Plus In der Corona-Krise finden Jobinterviews vermehrt digital statt. Doch im Videogespräch schneiden Bewerber schlechter ab. Woran das liegt und was sich dagegen tun lässt.

2020 ist das Jahr der Videokonferenzen. Statt in der Bar zu sitzen, treffen Freunde sich via FaceTime. Anstatt im Büro zu konferieren, diskutieren Mitarbeiter über Zoom. Und selbst Bewerbungsgespräche finden im Corona-Jahr häufiger digital statt. Doch eine Studie der Uni Ulm hat jetzt herausgefunden: Bewerber hinterlassen in Video-Gesprächen einen schlechteren Eindruck, als wenn sie vor Ort zum Jobinterview erscheinen.

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Im Video-Jobinterview fällt es schwerer, das Gegenüber zu beeindrucken

Im Vorstellungsgespräch will sich jeder von seiner besten Seite präsentieren. Dafür greifen die Bewerberinnen und Bewerber zu unterschiedlichen Methoden. Man kramt sucht das beste Outfit heraus und überlegt sich schon Tage vorher, welche Fragen gestellt werden könnte. Und wie man am besten darauf antwortet. In der Wissenschaft spricht man von „Impression Management“ - ein Oberbegriff für diese Taktiken. „Impression Management ist ein Konstrukt, bei dem sich gezeigt hat, dass es positiv mit Interview-Bewertungen einhergeht“, sagt Dr. Johannes Basch, Erstautor der Ulmer Studie, die im Fachblatt Journal of Business and Psychology erschienen ist.

„Man kramt zum Beispiel eine Geschichte aus der Vergangenheit heraus, in der man besonders erfolgreich war.“ Das soll den Interviewer im besten Fall beeindrucken. „Oder man betont auch die Gemeinsamkeiten von Interviewer und Interviewtem, das ist eigentlich ein bisschen wie beim flirten.“

Zum Impression Management gehören aber auch nonverbale Techniken. Darunter fällt die Körperhaltung oder die Gestik. Beide sind im Videogespräch schwerer einzusetzen. Einer von drei entscheidenden Nachteilen, die Bewerber im Videogespräch haben.

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Foto: Elvira Eberhardt
Foto: Elvira Eberhardt

Dr. Johannes Basch hat in einer Studie die Erfolgschancen zwischen Bewerbungsgesprächen vor Ort und im Videogespräch untersucht.

Im Videocall müssen sich Bewerber entscheiden: Blickkontakt herstellen oder Blickkontakt wahrnehmen

Ein zweiter Nachteil: Im Videogespräch fehlt das, was Wissenschaftler „Soziale Präsenz" nennen. „Das ist ein schwammiger Begriff. Eigentlich ist es definiert als die physische Wahrnehmung des Gesprächspartners im gleichen Raum. Man könnte das auch als eine Art Aura beschreiben. Da hat man schon in anderen Studien herausgefunden, dass dieses Gefühl bei Videocalls deutlich schwächer ausgeprägt ist.“

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Und drittens: Im digitalen Gespräch fehlt Blickkontakt. Denn Bewerber müssen sich entscheiden, ob sie Blickkontakt herstellen oder wahrnehmen wollen. Blickt ein Bewerber in die Kamera, kann das Gegenüber den Augenkontakt wahrnehmen. Und andersherum: Schaut er auf den Bildschirm, kann der Bewerber zwar den Blickkontakt des Gegenübers registrieren, baut aber selbst keinen auf. „Blickkontakt ist wichtig, um wahrnehmen zu können, wie der andere gerade reagiert. Außerdem ist der Blickkontakt auch eine nonverbale Taktik, weil das eine Nähe zum Gegenüber aufbaut“, sagt Basch.

Für die Studie aus Ulm haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 114 simulierte Bewerbungsgespräche führen lassen. Die Probanden wurden aufgeteilt in zwei Gruppen: Videogespräch und Face-To-Face-Interview. Die Fragen waren die gleichen. Die Interviewerinnen bewerteten im Nachhinein den Auftritt der Bewerber.

Identische Bewerberantworten wurden dabei von den Interviewern kritischer bewertet, wenn sie in einer Videokonferenz geäußert wurden. „Die vermeintlichen Bewerber haben dann auch nochmal in einem Fragebogen erklärt, inwiefern sie Impression Management benutzt haben“, sagt Basch. „Abgefragt wurde auch, wie sie den Blickkontakt empfunden und wie sie Fairness und Flexibilität des Gesprächs wahrgenommen haben.“

Das Videogespräch ist trotzdem eine gute Alternative

Gleichwohl kann das Videogespräch ein durchaus adäquater Ersatz zum Face-To-Face-Interview sein. „Es gibt ja verschiedene Arten, ein Interview durchzuführen. Einmal am Telefon, das wird vor allem in der Vorauswahl-Phase verwendet, um erstmal in Kontakt zu kommen", sagt Basch.

"Eine andere Möglichkeit ist das asynchrone Videointerview.“ Dabei geht die Bewerberin auf eine Website, bekommt dort bestimmte Fragen gestellt und zeichnet die Antworten mit Kamera und Mikrofon auf. Die Personalabteilung kann sich die Antworten zu einem späteren Zeitpunkt ansehen und anhören. „Beides hat Vor- und Nachteile. Beim Telefon fällt die nonverbale Information weg. Beim asynchronen Videointerview fällt die zweiseitige Interaktion weg.“ Nachteile, die das Videogespräch nicht aufweist.

Video-Jobinterview: Was Personalabteilung und Bewerber beachten sollten

Gerade in der Corona-Pandemie kann ein Videotelefonat also ein adäquater Ersatz zum Face-to-Face-Interview sein. „Ein Punkt ist uns aber wichtig. Nämlich, dass von Seiten des Unternehmens nicht gewechselt wird, zwischen Face-to-Face und Videokonferenz. Man sollte sich auf eine Version für alle Bewerber einigen, um niemanden zu benachteiligen.“

Gleichzeitig können Bewerber einige Tipps anwenden, um die Nachteile des Videogesprächs ein wenig auszugleichen. Zum Beispiel das Chat-Fenster, auf dem das Gegenüber zu sehen ist, möglichst nah an die Kamera schieben. Blickkontakt vermitteln und gleichzeitig wahrnehmen fällt dadurch leichter. „Ich würde auch immer das eigene Bild ausschalten, dass man sich nicht selbst sieht. Da gibt es auch eine Studie, die zeigt, dass das vor allem ablenkt“, sagt Basch.

Der Hintergrund sollte möglichst neutral sein. Wenn an der Wand Urlaubsfotos der Bewerber mit Cocktail in der Hand hängen, hinterlässt das nicht gerade einen positiven Eindruck. "Ansonsten sollte man auch im Videocall darauf achten, Gestik und Mimik einzusetzen. Auch einfach mal zu lächeln. Wie in einem normalen Interview eben auch.“

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