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Urteil am Finanzgericht: Trotz Verdacht auf Betrug: Wirte brauchen keine Registrierkasse

Urteil am Finanzgericht

Trotz Verdacht auf Betrug: Wirte brauchen keine Registrierkasse

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    Digitale Kassensysteme sind nützlich, aber nicht vorgeschrieben.
    Digitale Kassensysteme sind nützlich, aber nicht vorgeschrieben. Foto: Peter Endig, dpa

    Die Revolution ist ausgefallen. In der Gastronomie gibt es auf absehbare Zeit wohl weiter keine Pflicht zur Einführung manipulationssicherer Kassen. Das ist die Botschaft eines am Freitag veröffentlichten Urteils des höchsten deutschen Finanzgerichts. Geklagt hatte der oberschwäbische Gastronom Klaus Baldauf, der am Bodensee zusammen mit einem Partner drei Restaurants führt. In seinem angestammten Beruf betreibt er in Ravensburg eine Kanzlei für Wirtschafts- und Steuerrecht und hat es sich zur Aufgabe gemacht, gegen den in Deutschland grassierenden alltäglichen Steuerbetrug zu Felde zu ziehen.

    Baldauf wirft Staat und Steuerbehörden vor, in der Gastronomie „massenhafte Steuerhinterziehung“ zu tolerieren. Er argumentiert, dass die fehlende gesetzliche Verpflichtung zur Führung einer elektronischen Kasse zur verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Wirte führe: Gastronominnen und Gastronomen mit manipulationssicheren Kassen könnten ihre Einnahmen kaum vor dem Finanzamt verstecken – anders als Wirtinnen und Wirte, die altmodische analoge Kassen haben oder die Einnahmen in der Schublade aufbewahren. Die Leidtragenden der Kontrollmisere des Staates seien die ehrlichen Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihre Steuern korrekt an den Fiskus abführten.

    Gastronom: Staat nimmt Geldwäsche und Steuerbetrug seit Jahren einfach hin

    Er sei es leid, dass der Staat Geldwäsche und Steuerbetrug seit Jahren einfach hinnehme, sagte Baldauf unserer Redaktion vor dem ersten Verhandlungstag. Getrickst werde in Deutschlands Restaurants und Kneipen von vielen, und zwar jeden Tag. Anders als in anderen Ländern Europas sind Restaurants und Kneipen, aber auch Dönerbuden, Kioske, Friseure, Bäcker oder Metzgereien in Deutschland nicht verpflichtet, elektronische Registrierkassen vorzuhalten. Zwar sind in den vergangenen Jahren die Gesetze verschärft worden, eine Pflicht für sogenannte bargeldintensive Betriebe, elektronische Erfassungssysteme einzuführen, gibt es aber bis heute nicht. Eine einfache Geldschublade wie in Tante Emmas Gemüseladen reicht aus und ist daher noch in einer Vielzahl entsprechender Betriebe an der Tagesordnung.

    Der Bundesfinanzhof (BFH) hat Baldaufs Klage nun zurückgewiesen. Dass es Wirte gibt, die ihre Einnahmen verschleiern, bezweifelt unter Steuerfachleuten niemand. Dementsprechend stellte der vierte Senat des BFH in seinem Urteil zwar fest, dass es Mängel bei der Besteuerung der Gastronomie gibt. Doch sind diese laut Urteil nicht so gravierend, dass die Besteuerung deswegen verfassungswidrig wäre. „Auch für Betreiber einer offenen Ladenkasse bestand ein Entdeckungsrisiko bei Manipulationen“, heißt es in der Mitteilung des BFH.

    Die Kläger müssen in Steuerprozessen immer den Steuerbescheid eines bestimmten Jahres anfechten, Baldaufs Klage bezog sich auf das Jahr 2015. Die Senatsvorsitzende Monika Jachmann-Michel hatte schon in der mündlichen Verhandlung im September Zweifel an der Einschätzung erkennen lassen, dass die Behörden Steuerhinterziehung systematisch tolerieren oder erleichtern: „Wir haben keinerlei Vorgaben für die Finanzverwaltung, in denen steht, ihr dürft nicht prüfen.“

    Durch den Betrug entgehen dem Staat jährlich um die 10 Milliarden Euro Steuern

    Große Mängel bei der Besteuerung bargeldintensiver Betriebe hatte aber nicht nur der Wirt vom Bodensee beklagt, sondern auch die Deutsche Steuergewerkschaft (DSTG). Darunter fallen die Gastronomie ebenso wie der Einzelhandel oder Spielhallen. Das Bundesfinanzministerium – noch unter Regie des heutigen Kanzlers Olaf Scholz (SPD) – hatte widersprochen. Die neue Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag zwar die Bekämpfung des Steuerbetrugs mit „größtmöglicher Konsequenz“ angekündigt und will dabei auch „neue Technologien“ einsetzen. Zu Ladenkassen findet sich dort aber nichts Konkretes. Doch die vermeintliche Kleinigkeit stellt für den Steuerstaat ein echtes Problem dar. Das sehen selbst Bundesbehörden so. Indem Angestellte nicht erfasst und erwirtschaftete Umsätze manipuliert, nur teilweise verbucht oder einfach nicht abgerechnet werden, entstünden dem Staat jedes Jahr Ausfälle an Einkommen- und Umsatzsteuer von bis zu zehn Milliarden Euro, schätzte der Bundesrechnungshof vor einigen Jahren.

    Baldauf gibt seinen Kampf nun verloren. Unserer Redaktion sagte er, seine Motivation sei mit der nun veröffentlichen Urteilsbegründung des BFH verflogen. „Als Fachanwalt für Steuerrecht hatte ich die Intention, den Missstand in der Besteuerungspraxis zu beheben“, so der promovierte Jurist. Nach Jahren der juristischen Auseinandersetzungen sei er nun müde. Die Möglichkeit, den Fall über eine Nichtzulassungsbeschwerde weiterzutreiben, werde er nicht nutzen. (mit dpa)

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