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Reinhold Würth wird 90: Ein Leben im Zeichen von Demut, Erfolg und dem Wunsch nach Arbeit im Himmel

90. Geburtstag

Unternehmer Reinhold Würth: „Ich hätte gerne auch im Himmel etwas zu tun“

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    Reinhold Würth hat seinen Beschäftigten davon abgeraten, AfD zu wählen.
    Reinhold Würth hat seinen Beschäftigten davon abgeraten, AfD zu wählen. Foto: Christoph Schmidt, dpa

    Was wünscht sich ein Mensch, der als zweiter Mitarbeiter der väterlichen Schraubengroßhandlung in Künzelsau einen Welt-Konzern mit mehr als 88.000 Beschäftigten erschaffen hat? Reinhold Würth ist ein Christ. Er glaubt an ein Leben nach dem Tod. Es dürfe im Himmel bloß nicht langweilig sein. Das wäre das Allerletzte für ihn, lässt der auskunftsfreudige Milliardär Interessierte in einem Büchlein vor seinem 90. Geburtstag am Ostersonntag wissen. Der Unternehmer versteigt sich sogar zu dem Wunsch an die Verantwortlichen der Jenseits GmbH, wenn es denn überhaupt eine solche Firma im Paradies-Universum gibt: „Ich hätte gerne auch im Himmel etwas zu tun.“ 

    Meint Würth es ernst mit seiner Arbeitsbereitschaft nach dem Tod oder gönnt er sich im fortgeschrittenen Alter ein Späßchen? Die Vermutung liegt nahe, dass der Wunsch des nach der Forbes-Rangliste mit seiner Familie drittreichsten Deutschen ernst gemeint ist, auch wenn sicher – wie häufig bei ihm – feine Ironie mitschwingt. Würth bekannte einmal in einem Gespräch mit unserer Redaktion, „so viel malocht zu haben, dass es für zwei Leben reichen würde“. Gefragt, wie er einen Global Player aus der Provinz im Hohenlohe-Kreis im Nordosten Baden-Württembergs aus der Taufe gehoben habe, antwortete er: „Schaffe muss man, schaffe, ganz einfach.“ Schaffen hat ihn nach oben gebracht, vor allem die Gabe, Menschen von Schrauben, Dübeln, Beschlägen oder Werkzeugen des eigenen Hauses als geübter, ja charmanter Verkäufer zu überzeugen. Er sieht Kunden als seine Chefs an.

    Reinhold Würth nimmt an einem Rundgang durch das Innovationszentrum Curio des Handelskonzerns Würth teil.
    Reinhold Würth nimmt an einem Rundgang durch das Innovationszentrum Curio des Handelskonzerns Würth teil. Foto: dpa

    Würth ist ein Menschenfischer. Wer dem konsequenten Krawatten- und Einstecktuch-Träger gegenübersitzt, bemerkt als zunächst ein wenig skeptisch von ihm betrachteter Nicht-mehr-Krawattenträger die funkelnden Augen und das immer wieder aufscheinende Lächeln des Unternehmers. Würth spricht mit leiser Stimme. Der Mann wird auch nicht laut, wenn er sich kritisch mit Ärgernissen wie dem US-Präsidenten Donald Trump oder der AfD auseinandersetzt. Ist das die Gelassenheit des Alters? Bei ihm entspricht es seinem Naturell, nicht mit der Faust auf den Tisch zu hauen und krachende Reden zu schwingen, schließlich kann er mehr als alles andere eine Untugend nicht ausstehen: Würth verabscheut Arroganz. Er führt einen Kampf gegen Überheblichkeit im Unternehmen und empfiehlt fast wie ein Prediger allen Beschäftigten, Demut zu praktizieren. 

    Der Mann hat Humor: Würth tippt seinem skulpturalen Ebenbild auf die Nase.
    Der Mann hat Humor: Würth tippt seinem skulpturalen Ebenbild auf die Nase. Foto: Bild: Würth-Gruppe, Sebastian Berger

    Werte spielen eine zentrale Rolle im Würth-Kosmos. Wer durch das Reich des Mannes am Firmensitz in Künzelsau streift, wird immer wieder darauf gestoßen. In Berichten über die Geschäftsentwicklung, sonst eine zahlenlastig-trockene Angelegenheit, ist von Tugenden wie Optimismus, Bescheidenheit, Demut, Fairness, Aufrichtigkeit, Respekt, Ehrlichkeit und Dankbarkeit die Rede. Die Würth-Welt ist eine konservativ-bodenständige Welt. Ein Mann an der Kasse im Betriebsrestaurant trägt Krawatte. Er ist ein Herr, wie man früher gesagt hätte. Würth betont immer wieder: „Wir dürfen uns nicht von der Macht des Erfolgs korrumpieren lassen.“ Das ist durchaus als Warnung des Patrons an Führungskräfte zu verstehen. Würth sagte schon mal: „Ab und zu nehmen wir mal einen Seiteneinsteiger ins Management auf. Doch immer wieder zeigt sich, dass es Manager gibt, die die Arroganz nahezu gepachtet haben und von oben herab agieren.“ Das gehe nicht. Man müsse mit Mitarbeitern auf einer Ebene sprechen. „Ich bin ja auch mit vielen per Du“, meinte Würth. Er duldet keine Sonnenkönige in seinem Reich und ist selbst keiner. 

    Würth will wissen, was hinter dem Berg ist

    Wenn Würth bei Veranstaltungen in der Firma ans Mikrofon tritt, um eine kleine Rede zu halten, wie er es so gerne tut, wird es schlagartig still im Raum. Auch nachdem der Unternehmer Anfang 2025 den Vorsitz des wichtigen Stiftungsaufsichtsrats seinem Enkelsohn Benjamin überließ, bringen ihm Beschäftigte weiter Respekt entgegen. Immer wieder begegnen sie dem Unternehmer, ob in Gestalt skulpturaler Ebenbilder auf dem Firmen-Areal oder in Form seiner Einsichten. Im Eingangsbereich des riesigen Innovationszentrums steht an einer Wand: „Ich wollte schon immer wissen, was hinterm Berg und ums Eck ist.“ 

    Der Hausherr ist neugierig, interessiert sich für Gesprächspartner und beantwortet bereitwillig Fragen, auch wenn sie ihn an unangenehme Umstände erinnern. So sei es die schwerste Zeit seines Lebens gewesen, „als die Staatsanwaltschaft zu uns mit 100 Leuten kam. Das war die Folge eines gegen uns gerichteten Steuerstrafverfahrens“.  Würth bekannte dazu einst im Interview mit unserer Redaktion: „Das belastet mich heute noch. Und das wird mich bis zu meinem Tod belasten, weil ich mich absolut unschuldig fühle. Ich hatte nie einen Cent Schwarzgeld.“ Damals sei er unerfahren in solchen Angelegenheiten gewesen. Der Unternehmer sagte: „Im Nachhinein betrachtet hätte ich mich nicht auf eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldstrafe einlassen sollen, sondern den Prozess durchstehen müssen.“ So sei es halt. Immerhin hätten die Ermittlungsbehörden festgestellt, dass sich damals niemand von uns bereichert hat. Würth muss enorm empört gewesen sein, erinnerte er sich doch: „Im ersten Moment wollte ich weg aus Deutschland.“

    Jammern gehört nicht zum Wertekanon der Würths

    Die 2008 bekannt gewordene Steuer-Angelegenheit ist in der Öffentlichkeit längst in den Hintergrund getreten. Im Mittelpunkt steht Würth als erfolgreicher Unternehmer. Nach vorläufigen Geschäftszahlen konnte die Firmen-Gruppe 2024 den Umsatz mit rund 20,2 Milliarden Euro in etwa stabil halten, wenn auch das Betriebsergebnis nach drei sehr guten Jahren unter die Milliardenschwelle auf etwa 900 Millionen Euro fiel. Der Konzern investiert und produziert weiter kräftig. Die Verantwortlichen setzen darauf, dass sie, wenn die Wirtschaft wieder anzieht, sofort liefern können und damit Konkurrenten ausstechen. Jammern und Resignation gehören nicht zum Wertekanon der Würths. 

    Neben seiner Arroganz-Aversion spricht der Hausherr gerne über die wichtigste Erkenntnis seines Lebens. Er fasst sie in fünf Worte: „Wachstum ohne Gewinn ist tödlich.“ Was den Grundsatz betrifft, erteilte ihm in Anfangszeiten der Chef einer örtlichen Bank Nachhilfe: „Würth, nun hast Du Dein Konto schon wieder überzogen. Wenn Du das noch einmal machst, sperre ich Dir alle Schecks.“ Da könnte schnell der Verdacht aufkommen, der Unternehmer verstoße fortlaufend gegen seinen zentralen Gewinn-Grundsatz, weil er wie einst Monarchen Kunst in rauen Mengen ersteht und Museen baut wie wenige andere. Mehr als 20.000 Werke umfasst das zweite Würth-Imperium. Der Eintritt in seine fünf unternehmenseigenen Ausstellungs-Komplexe in Künzelsau und Schwäbisch Hall wie in die diversen Kunst-Kabinette der Würth-Gruppe in Europa ist kostenlos.

    Der große Baumeister ließ mit den Würth-Philharmonikern auch ein Orchester gründen und dazu in Künzelsau ein eigenes Konzerthaus errichten. Der großzügige, nach vorne abfallende Saal würde Metropolen gut zu Gesicht stehen, ist die Wand- und Deckenverkleidung doch aus französischer Walnuss gefertigt, während für den Boden dunkle deutsche Räuchereiche gewählt wurde. Würth hat es als Mäzen weit gebracht. „Kunst und Kultur“, sagt er, „sind das Atmen der Seele.“ Die zu seinem 90. Geburtstag zusammengestellte umfangreiche Schau über den expressionistischen Maler Emil Nolde wird im Künzelsauer Museum Würth 2 gezeigt. Den großen, langgestreckten Bau haben David-Chipperfield-Architekten entworfen.

    Dass der Künstler für die Ausstellung auserkoren wurde, geht auf das Jahr 1972 zurück. Damals hat sich Würth in einer Galerie in das Nolde-Aquarell „Wolkenspiegelung in der Marsch“ mit den starken Orange- und Blautönen vernarrt. Es ist das dritte Bild seiner gewaltigen Sammlung. Als die Idee an ihn herangetragen wurde, zu seinem Geburtstag Nolde mit einer großen Retrospektive zu würdigen, stimmte er zu – und das „trotz allem Für und Wider“, was den Maler betrifft.

    Reinhold Würth geht es im hohen Alter gut. Er sei schmerzfrei und schwimme täglich, erzählte er jüngst.
    Reinhold Würth geht es im hohen Alter gut. Er sei schmerzfrei und schwimme täglich, erzählte er jüngst. Foto: Würth-Gruppe, Sebastian Berger

    Die Ausstellung und die Beiträge des Katalogs setzen sich kritisch mit dem Künstler auseinander. Nolde sei nicht der widerständige Held gewesen, zu dem er in der deutschen Nachkriegszeit verklärt wurde. Neue Quellenforschungen machten es vor rund zehn Jahren zur Überraschung vieler deutlich: Der Maler verherrlichte den Nationalsozialismus und war ein Antisemit. Doch die Nazis lehnten ihn ab und zeigten etwa 40 seiner Werke in der Münchner Schau „Entartete Kunst“. All das wird von den Ausstellungs-Macherinnen offen angesprochen. Würth will die Schau mehrfach anschauen. Er sucht weiter regelmäßig die Firma auf und schaltet sich in letzter Zeit häufiger in politische Debatten ein.

    Der Aufstieg der AfD bereitet dem Unternehmer Sorgen. Vor der Europawahl im vergangenen Jahr schrieb Würth an seine Beschäftigten einen aufsehenerregenden Brief. Darin zitiert er einen AfD-Politiker mit der Drohung: „Wenn wir morgen in einer Regierungsverantwortung sind, dann müssen wir diesen Parteienstaat abschaffen.“ Der Unternehmer folgert und fragt: „Das heißt, man würde mindestens eine Demokratur oder gar eine Diktatur einführen – wollen wir uns das antun?“ Er riet seinen Angestellten offen wie kaum ein Firmeninhaber oder Manager davon ab, die Partei zu wählen: „Bloß wegen ein bisschen Spaß an der Freude Rabatz zu machen und aus Unmut über die Ampel-Regierung die AfD zu wählen, ist einfach zu wenig.“

    Würth warnte Mitarbeiter davor, AfD zu wählen

    Würth sprach wie ein besorgter Familienvater zu den Angehörigen seiner Firma. Er hat kein Problem damit, Patriarch genannt zu werden, würden unter den Begriff doch erfahrene, weise und ältere Männer fallen. Braucht das Land neue Patriarchen, die Beschäftigten Sicherheit geben und ins Gewissen reden? Ist das Modell zeitgemäß? Ramona Meinzer, deren Firma Aumüller Aumatic aus Thierhaupten nördlich von Augsburg zum „Innovator des Jahres“ für Firmen mit 51 bis 200 Beschäftigten gewählt wurde, investiert wie Würth als Mittelstandsbetrieb weiter und sichert Beschäftigung. Für sie steht fest: „In Zeiten, in denen wir Orientierung verlieren, brauchen wir Persönlichkeiten wie Herrn Würth, die Werte wie Demut hochhalten.“ Natürlich müsse ein Unternehmen erfolgreich sein: „Dahinter stecken aber immer Menschen, die den Erfolg ermöglichen.“ Meinzer kann indes nichts mit dem Begriff „Patriarch“ anfangen. Das habe sich überlebt. Sie träumt vielmehr davon, dass wieder viele jüngere Menschen wie einst Würth Spaß daran haben, Unternehmer zu werden und sich „vorne hinstellen, auch wenn das nicht immer sexy ist“. Firmeninhaber müssten sichtbarer werden und sich was trauen.

    Die Zeit der Patriarchen geht zu Ende

    Die Zeit der Patriarchen geht zu Ende. In einer Hinsicht ist Würth kein typischer Vertreter der Spezies, hat er doch anders als andere Patriarchen noch rechtzeitig losgelassen und der Enkel-Generation die Verantwortung übertragen. Er fordert zur Unterstützung seines Nachfolgers auf: „Bitte geben Sie Benjamin eine faire Chance.“ Sein Enkel wisse, dass Bescheidenheit, Demut, Fairness und Aufrichtigkeit die Grundpfeiler des Erfolgs unserer Unternehmensgruppe seien. Benjamin Würth attestiert seinem Großvater, „wie ein 40-Jähriger zu arbeiten“. Das will Reinhold Würth im Himmel fortsetzen und sagt über seine nach wie vor intakte Arbeitsmoral: „Ich fühle mich noch schmerzfrei. Das ist eine Sensation. Ich schwimme jeden Tag eine halbe Stunde.“ 

    Ob es im Paradies Swimmingpools gibt?

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