i
Foto: Daniel Karmann/Archiv (dpa)
Foto: Daniel Karmann/Archiv (dpa)

Indikatorkulturplatte zum Nachweis von resistenten Bakterien: Die Zahl der Krankheitsfälle mit Erregern, die gegen gängige Antibiotika resistent sind, ist 2015 erneut gestiegen.

Antibiotika
07.06.2017

Gesundheitsökonom fordert Antibiotika-Leitlinie für Ärzte

Antibiotika können Wunder wirken. Sie werden inzwischen jedoch zu leichtfertig verschrieben. Experten und Politiker fordern deshalb mehr Aufklärung und eine Antibiotika-Leitlinie.

Trotz erster Erfolge werden einer Studie zufolge immer noch zu viele Antibiotika unnötig verschrieben. Das gefährdet auf Dauer ihre Wirksamkeit. Für manche Erreger gibt es kein Gegenmittel mehr, weil sie Resistenzen entwickelt haben. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sagte, Ärzten komme beim sachgerechten Einsatz von Antibiotika eine Schlüsselrolle zu.

Sprasamer Einsatz neu entwickelter Antibiotika

Der Gesundheitsökonom Gerd Glaeske von der Universität Bremen fordert deshalb eine Handreichung für Ärzte zum Umgang mit dem Medikament. "Wir haben keine einzige Leitlinie, die den Ärzten genau darstellt, wie Antibiotika eingenommen werden sollen." Außerdem müsse es in den Krankenhäusern mehr Hygienefachkräfte geben, damit die resistenten Keime sich nicht ausbreiten. Auch in die Forschung für neue Antibiotika müsse mehr Geld investiert werden. "Von der Pharmazie ist das ein Bereich, der dramatisch vernachlässigt worden ist." 

Gesundheitsminister Gröhe betonte, neu entwickelte Antibiotika sollten möglichst sparsam eingesetzt werden. Das macht die Forschung für Pharmaunternehmen nicht besonders attraktiv. "Notwendig sind deshalb Anreize, die den wirtschaftlichen Nutzen zumindest teilweise vom Umsatz entkoppeln", sagte Gröhe. Im Auftrag der 20 Industrie- und Schwellenländer erarbeite die OECD dazu gerade eine Studie.

Gegen Virus-Infektionen helfen Antibiotika nicht

Der Geschäftsführer des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, Hardy Müller, fordert vor allem mehr finanzielle Unterstützung der Initiativen für Antibiotika in Krankenhäusern und Arztpraxen. "Entscheidend ist immer noch, was beim Patienten ankommt", sagte Müller. 

Den TK-Zahlen zufolge ist die Quote der Antibiotika-Verordnungen zwar zurückgegangen, lag im vergangenen Jahr bei erkältungsbedingt krankgeschriebenen Beschäftigten aber noch immer bei 27 Prozent. Im Vergleichsjahr 2008 waren es noch 38 Prozent. "Die überwiegende Zahl der Erkältungsinfekte ist durch Viren hervorgerufen - und gegen eine Virus-Infektion hilft das Medikament nicht", sagte Tim Steimle von der TK.

Alte Medikamente? Darauf sollten Sie achten

Tinkturen, Tropfen, Säfte: Einmal angebrochen, verderben flüssige Zubereitungen meist relativ schnell. Notieren Sie das Anbruchsdatum und benutzen Sie das Mittel nur innerhalb der Frist, die auf dem Beipackzettel ("nach Anbruch verwendbar") angegeben ist. Alte Hustensäfte sollte man entsorgen, weil sie bedenkliche Stoffe und Bakterien enthalten können. Hände weg von abgelaufenen Augentropfen! Sie können verkeimt sein.

Alte Medikamente? Darauf sollten Sie achten

Nasensprays: Sollten aus hygienischen Gründen nur von einem Familienmitglied verwendet werden (auf der Packung notieren). Sie sind nach Anbruch nur wenige Monate haltbar.

Alte Medikamente? Darauf sollten Sie achten

Antibiotika: Angebrochene Packungen nur nach Rücksprache mit dem Arzt verwenden. Sonst kann es zu Resistenzen kommen - das heißt, dass Antibiotika nicht mehr wirken. Angerührte antibiotische Säfte für Kinder gehören in den Kühlschrank und sind nur wenige Tage haltbar.

Alte Medikamente? Darauf sollten Sie achten

Salben und Cremes: Wenn sie ranzig riechen, verfärbt sind oder sich ölige Tröpfchen gebildet haben, gehören sie in den Abfall. Ansonsten sind Salben, die kein Wasser enthalten, jedoch relativ lange haltbar. Dennoch sollte man vor allem Augensalben und -cremes wegen Infektionsgefahr nicht mehr nach dem Ablaufdatum verwenden.

Alte Medikamente? Darauf sollten Sie achten

Tabletten und Kapseln: Trocken, kühl und luftdicht gelagert, können sich Tabletten zum Teil jahrelang halten. Wenn sie bröselig oder fleckig sind, sollte man sie wegwerfen. Acetylsalicylsäure-Tabletten ("Aspirin"), die nach Essig riechen, haben mit Feuchtigkeit reagiert und sollten entsorgt werden. Giftig sind sie aber nicht.

Antibiotika: Gröhe fordert Aufklärung der Patienten

"Die niedergelassenen Ärzte verordnen Antibiotika in verantwortungsvoller Weise", sagte Roland Stahl von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Häufig sähen Ärzte sich jedoch mit dem Wunsch der Patienten konfrontiert, unbedingt ein Antibiotikum zu erhalten. 

Alle Seiten betonen deshalb den Stellenwert der Patientenaufklärung bezüglich Antibiotika. "Wir brauchen in der Bevölkerung ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass Antibiotika nicht bei jedem Husten oder einer tropfenden Nase helfen", sagte Gröhe. dpa/AZ

Mehr dazu:

Multiresistente Keime: Supererreger in indischem Pharma-Abwasser

Homöopathie statt Antibiotika: Kind stirbt an Mittelohrentzündung

Facebook Whatsapp Twitter Mail