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Premiere: Mit der Fußball-Operette "Roxy" landet das Theater Augsburg einen Treffer

Premiere

Mit der Fußball-Operette "Roxy" landet das Theater Augsburg einen Treffer

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    Da staunt selbst Roxy (Katja Berg, rechts): Die Fußball-Nationalmannschaft ist in Spiellaune.
    Da staunt selbst Roxy (Katja Berg, rechts): Die Fußball-Nationalmannschaft ist in Spiellaune. Foto: Jan-Pieter Fuhr, Theater Augsburg

    Das musste ja so kommen: dass das Theater in der FCA-Stadt Augsburg den Fußball für sich entdeckt. Wobei das Spiel zwischen Kick und Kunst keine ganz neue Sache ist. Schon in den 1920er Jahren hatten Künstler diverser Sparten den damals auf dem Kontinent noch jungen Sport für sich vereinnahmt. Einen Höhepunkt fand das dann in einer Operette, in Paul Abrahams "Roxy und ihr Wunderteam". 1936 in Budapest und auf Deutsch ein Jahr später in Wien uraufgeführt, erklang die Vaudeville-Mixtur um fußballerische und erotische Verwicklungen auf einer deutschen Bühne überhaupt zum ersten Mal erst 2014 in Dortmund. Jetzt tritt "Roxy" in Augsburg an, im Martinipark, der Ausweichspielstätte des sanierungshalber geschlossenen städtischen Theaters.

    Von der Ur-"Roxy" ist in der von Martin G. Berger verantworteten Fassung nur noch das grobe Handlungsgerüst übrig geblieben. Das mag zunächst bedauerlich erscheinen, ist doch die flippige Story, die einst Alfred Grünwald ersann und die der Jude Paul Abraham vertonte, unverkennbar ein satirischer Reflex auf jenen Kraftmenschentyp, den Nazi-Deutschland 1936 bei seinen Olympischen Spielen glorifizierte. Doch das Augsburger "Roxy"-Team wollte nicht den x-ten "Cabaret"-Aufguss vornehmen, nicht das Inszenierungsklischee der "Operette vor Nazi-Hintergrund" aufwärmen.

    Das Stück wurde ins Heute versetzt

    Nein, Martin G. Berger ist den entgegengesetzten Weg gegangen, indem er "Roxy und ihr Wunderteam" ins Heute versetzte. Mit der Konsequenz, dass die handlungsführenden Texte, teils auch die der Gesangsnummern, radikal neu geschrieben werden mussten – deshalb aber auch aktuelle Brisanz entfalten können.

    Doch worum geht es in der Augsburger "Roxy"? Im Zentrum steht die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, deren Spieler so sprechende Namen tragen wie Miroslav Knödel, Manuel Alter oder Benedikt Dödeles. Philipp Gjurka vom FC Augsburg ist auch mit dabei. Bei der WM rettet sich die junge Roxy zu ihm, weil sie vom bisherigen Mann an ihrer Seite, Bobby, nichts mehr wissen will und sich einen richtigen Fußballkerl wünscht.

    Roxy (Katja Berg) lässt Fußballerherzen höher schlagen.
    Roxy (Katja Berg) lässt Fußballerherzen höher schlagen. Foto: Jan-Pieter Fuhr, Theater Augsburg

    Bobby ist Neffe des schottischen Verbandsvorsitzenden Sam Cheswick, der mit dem DFB-Präsidenten Franz Baron Spieler und Spiele manipuliert. Und dann ist da noch Roxys Freundin Aranka Tötössy, eine Sportjournalistin, die nicht mehr nur live kommentieren, sondern endlich einen investigativen Coup landen will. Der scheint zu gelingen, als sie von den Machenschaften der beiden Verbandspräsidenten Wind bekommt – und vollends, als sie und Roxy den Mannschaftskapitän Christiano Hatschek mit Bobby in der Dusche überraschen…

    "Roxy und ihr Wunderteam": Mit Herzblut bei der Sache

    Im Martinipark wird das alles erzählt als virtuos ineinander geschachteltes Gemenge aus konventionellen Auftritten, Bühnenfußball mitsamt Zeitlupe und journalistischer Live-Video-Reportage. Das hat Tempo, Charme, ist vor allem meilenweit entfernt von der sonst so säuerlich aufstoßenden Operetten-Sektlaune. Dazu steppt der Mannschafts-Elfer (Choreografie: Marie-Christin Zeisset) im Bühnenbild von Sarah-Katharina Karl, die zwei so wandelbare wie rasch zu bewegende Wandelemente entworfen hat, die als Umkleide, Hotelzimmer oder Mannschaftsbus funktionieren.

    Rund um den fußballerisch-amourösen Reigen ist eine Rahmenhandlung gestrickt, in welcher der DFB-Präsident zu einer Gala empfängt. Hier vor allem hat Ex-Proffußballer Jimmy Hartwig seinen Auftritt, um dessen Mitwirkung im Vorfeld ja reichlich Wind gemacht wurde. Einmal darf Hartwig im Duett mit Sam Cheswick (Markus Hauser) sogar singen, doch im Ganzen tendiert seine Mitwirkung mehr in Richtung schmückendes Beiwerk. Immerhin, aus seinem Munde redet die Augsburger "Roxy" Tacheles: Für einen wie ihn, den Fußball-Präsidenten – und manch anderen dazu –, ist der Sport dazu da, einen Reibach zu machen, bevorzugt durch Mauschelei. Spieler manipulieren? Kein Problem. Hauptsache, man weiß um den wunden Punkt.

    Es wird in die Schattenseiten des Fußball hineingeleuchtet

    Wird zunächst in die zahlreichen Schattenseiten der Fußballwelt hineingeleuchtet – Korruption, Rassismus, Machismo –, weitet sich im zweiten Teil vollends die Fußball- zur Zeitkritik. Denn plötzlich steht da mit Bobby und Hatschek ein schwules Paar in der Dusche. So, wie die Aufführung auf dem Thema insistiert, spiegelt das die Verkrampftheit, mit der das Thema Homosexualität & Fußball immer noch verhandelt wird. Am Ende von "Roxy" gibt es sogar ein gleichgeschlechtliches Eheversprechen. "Da sag noch mal einer, die Oper wäre nicht politisch!", heißt es dazu, wie überhaupt die Inszenierung immer wieder mit herrlich selbstreflektiven Sprüchen aufwartet.

    "Roxy und ihr Wunderteam": Die Schauspieler sind mit Herzblut bei der Sache.
    "Roxy und ihr Wunderteam": Die Schauspieler sind mit Herzblut bei der Sache. Foto: Jan-Pieter Fuhr, Theater Augsburg

    Das Ensemble, verstärkt durch etliche Gäste, ist glänzend aufgelegt, vorneweg Thaisen Rusch, der seinen Philipp Gjurka als einen zwar reinen, aber doch nicht ganz auf den Kopf gefallenen Toren gibt. Katja Berg mutiert vom berechnenden Blondchen zur sympathisch-schlauen Spielerfrau, die ihren Philipp schließlich bekommt. Mit Wiard Witholt als wimmerndem Bobby meint es die Regie zunächst nicht so gut, doch blüht er merklich auf, als er nach seinem Coming out mit Hatschek (körperpräsent und sportiv: Uli Scherbel) zu normaler Tonlage zurückfinden darf. Eva Kuperion als Aranka Tötössy hat den Reporter-Schnellsprech bestens drauf, und Gerhard Werlitz’ Trainer Pep(e) Tactico ist die Wucht als Parodie eines gewesenen katalanischen FC-Bayern-Coaches: schlank vom kahlen Scheitel bis zur edlen Sohle und dazu ein Anzug in ultra slim.

    Dass man noch lange nach diesem stark applaudierten Abend Paul Abrahams Musik nicht aus dem Kopf bekommt, diese schwül säuselnden Geigen, japsenden Trompeten und den pumpenden Bass, die alle so vielsagend zusammenklingen im großen hüllenfreien Mannschafts-"Black Walk" in der Dusche, dem szenischen Höhepunkt der Aufführung – das ist ganz wesentlich den an diesem Abend wunderbaren Augsburger Philharmonikern unter Lancelot Fuhry zu verdanken. Und so hat die Augsburger Aufführung auch von musikalischer Seite her einen Treffer gelandet – und leistet damit hoffentlich das Ihrige zur wünschenswerten, wieder stärkeren Wahrnehmung Paul Abrahams auf deutschen Bühnen.

    Die nächsten Aufführungen sind am 12., 13., 21., 22. und 31. Dezember.

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