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Prozess in Augsburg: Anklage fordert lange Haftstrafe und Sicherungsverwahrung für Harry S.

Prozess in Augsburg

Anklage fordert lange Haftstrafe und Sicherungsverwahrung für Harry S.

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    Der Angeklagte Harry S. 
mit den Anwälten Ralf Schönauer und Moritz Bode.
    Der Angeklagte Harry S. mit den Anwälten Ralf Schönauer und Moritz Bode. Foto: Ulrich Wagner

    Die Staatsanwaltschaft will den Augsburger Kinderarzt für lange Zeit im Gefängnis sehen. Staatsanwältin Maiko Hartmann hat am Donnerstagvormittag eine Haftstrafe von 14 Jahren und sechs Monaten für Dr. Harry S., 41, gefordert. Zudem will die Anklage den pädophilen Mediziner nach der Haft zum Schutz der Allgemeinheit in Sicherungsverwahrung stecken. Es gehe von S. weiterhin eine hohe Rückfallgefahr für schwere Sexualstraftaten aus. Er sei ein „sehr gefährlicher, lange Zeit unentdeckt gebliebener Serien-Sexualtäter“, so Hartmann. Sie fordert zudem ein lebenslanges, unbeschränktes Berufsverbot für Dr. Harry S.

    Die Staatsanwaltschaft sieht die Vorwürfe aus der Anklage weitgehend bestätigt. Staatsanwältin Maiko Hartmann sagt, der Missbrauch an 21 Buben habe sich so zugetragen, wie es die Ermittlungen ergeben hätten. In manchen Fällen habe S. seine Opfer mit Schlaf- oder Beruhigungsmitteln aus seinem Notfallkoffer betäubt. Dies sei durch Videos belegt.

    Die Anklägerin zählt dann alle einzelnen Fälle noch einmal auf. Sie lässt kein Detail der Taten aus und schaut den Angeklagten während ihres Vortrags immer wieder durchdringend an. Harry S. sieht weg, er kann dem Blick der Staatsanwältin nicht standhalten. Hartmann sagt, der Angeklagte habe bewusst seine Kompetenz und Vertrauensstellung als Kinderarzt missbraucht.

    Gutachter: Kinderarzt Harry S. ist kernpädophil

    Auf drei verschiedene Arten hat sich S. demnach an seine Opfer herangemacht: Er sprach sie einfach auf der Straße in Augsburg, München und Hannover an. Er organisierte unter falscher Flagge Ausflüge für sozial benachteilige Buben. Und er verging sich an den Söhnen zweier Lebensgefährtinnen. Die Beziehungen zu den Frauen waren platonisch. Nach übereinstimmenden Aussagen von Gutachtern ist S. kernpädophil, also ausschließlich sexuell auf Kinder fixiert, in seinem Fall auf Jungs.

    Dass der Angeklagte die Buben missbraucht hat, sei zweifellos bewiesen, so Hartmann. Harry S. hatte zu Prozessbeginn ein Geständnis abgelegt. Er hatte zudem von seinen Taten Fotos und Videos angefertigt. Die Kinderausflüge, die der Arzt organisierte, hätten ausschließlich dem Ziel gedient, die mitfahrenden Buben zu missbrauchen. Hartmann kritisiert das Aussageverhalten des Angeklagten, er habe nur gestanden, was bereits nachgewiesen worden sei. Die Taten seien auch nicht spontan gewesen, wie S. behauptet hat. Er habe systematisch über 15 Jahre hinweg vier- bis neunjährige Jungs missbraucht.

    Die Staatsanwältin hält den Angeklagten auch nicht wie der Gutachter Ralph-Michael Schulte für eingeschränkt steuerungsfähig. Sie schließt sich vielmehr den Ausführungen des Sachverständigen Richard Gruber an. Der hatte S. volle Schuldfähigkeit bescheinigt. Dennoch liege bei S. eine „schwere seelische Abartigkeit“ vor. Er sei aber bei den Taten voll steuerungsfähig gewesen.

    Zugunsten des Angeklagten spreche, dass er in drei gravierenden Fällen einem Täter-Opfer-Ausgleich zugestimmt hat. Durch sein Geständnis habe er vielen Opfern eine Aussage vor Gericht erspart. Und er habe sich mehrfach entschuldigt und Reue gezeigt.

    Urteil gegen Harry S. soll kommende Woche fallen

    Was Staatsanwältin Hartmann Dr. Harry S. aber sehr negativ ankreidet: „Er hat über einen langen Zeitraum hinweg erhebliche kriminelle Energie gezeigt.“ Und er habe seinen Beruf als Arzt massiv missbraucht, nur um seinen Sexualtrieb zu befriedigen. Und letztlich habe er sich mit kleinen Kindern gezielt besonders schutzbedürftige Opfer ausgesucht. Die missbrauchten Buben zeigten bis heute Reaktionen auf die Tat. Sie hätten Ängste, Alpträume, Schlafstörungen, ließen sich nicht mehr duschen oder von Kinderärzten untersuchen.

    Am Donnerstag werden noch die Vertreter der Opfer, die Nebenklage-Anwälte, ihre Plädoyers halten. Am Freitag plädieren die Verteidiger von Harry S. Am kommenden Donnerstag, 10. März, soll das Urteil gesprochen werden.

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