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Natur: Ein Bypass für den Biber

Natur

Ein Bypass für den Biber

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    Um den Lebensraum von Bibern im Norden Augsburgs zu schützen, wurde ein Umgehungsbach gebaut. Dieses Projekt soll in Zukunft als Beispiel dienen.
    Um den Lebensraum von Bibern im Norden Augsburgs zu schützen, wurde ein Umgehungsbach gebaut. Dieses Projekt soll in Zukunft als Beispiel dienen. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Wer hat Vorfahrt: der Biber oder das Gewässer? Jahrelang wurde hitzig über die Zukunft des Branntweinbachs im Norden Augsburgs diskutiert. Auf der einen Seite standen die Naturschützer, auf der anderen die Bayerischen Elektrizitätswerke (BEW). Sie betreiben die Wasserkraftwerke zwischen Gersthofen und der Mündung des Lechs in die Donau und sind für den Gewässerunterhalt verantwortlich.

    Für viel Geld und mit großem technischen Aufwand hatten die BEW 1996 zwei Rohrleitungen unter dem Lechbett hindurch verlegt, um Wasser vom Lechkanal in einen Quelltopf im Auwald zu leiten und den trockengefallenen Branntweinbach wiederzubeleben, sagt Ralf Klocke, zuständig für den Wasserbau. Bis zu 1400 Liter pro Sekunde sind es. Doch die Idee war bald Makulatur. Die Biber stauten den Branntweinbach auf 500 Metern, die restlichen zwei Kilometer fielen trocken. Die Tiere haben sich einen tollen Lebensraum geschaffen. Von der Seenlandschaft profitieren auch Amphibien und Insekten. Doch der Biber ließ den Pegel immer weiter steigen. Ein Strommast steht im Wasser, Fußwege und angrenzende Felder wurden regelmäßig überflutet. Es gab immer Ärger. Vier Pfoten, scharfe Zähne, breiter Schwanz: Feind

    Eine innovative Lösung im Biber-Management

    Deshalb ist Klocke froh, dass es einer 15-köpfigen Arbeitsgruppe aus Vertretern von Naturschutz, Wasserwirtschaft, Forst, Landwirtschaft und Fischerei nach zähem Ringen gelungen ist, sich auf ein Biber-Management zu einigen. Es ist eine innovative Lösung, findet Klocke, die durchaus Ausstrahlungskraft auf andere Fließgewässer haben könne. Der Biber darf in seinem Biotop bleiben, sich im Branntweinbach aber nur noch in angeschlossenen Altarmen weiter ausbreiten.

    Um dem Branntweinbach wieder zu Wasser zu verhelfen, bauten die BEW einen Bypass. Das Umgehungsgerinne wird vom Quelltopf gespeist. Das Wasser fließt durch das Biberrefugium, das Niveau bleibt unverändert. So ist wieder ein 2,5 Kilometer langes Fließgewässer entstanden. Mit vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten für die Fischwelt und Kiesbrüter wie den Flussregenpfeifer. Als der Riegel am Bypass jetzt geöffnet wurde, dauerte es kaum mehr als einen Tag, bis das Wasser das Bett des Auebachs gefüllt hatte. Klockes großes Ziel ist es, den Branntweinbach wieder an den Lech anzuschließen. Das hängt allerdings mit dem Langzeitprojekt „Licca Liber“ zusammen, der Sanierung des alpinen Flusses. Der Biber wird versuchen, auch das neu geschaffene Bachsystem zu stauen. Davon ist der Bautechniker Andreas Hurler überzeugt, der bei der BEW für den Gewässerunterhalt an Lech und Wertach zuständig ist. Die Aktivitäten des Nagetiers werden die BEW unterbinden, Äste und anderes Baumaterial werden aus dem Wasser gezogen. Damit das Gewässer mit dem Bagger erreichbar ist, wurde ein „bewirtschaftbarer Uferstreifen“ angelegt. „Das ist kein Eingriff im Sinn des Waldgesetzes“, unterstreicht Klocke.

    Pilot-Projekt soll auch anderorts zum Einsatz kommen

    Im Winter wurde entlang des Bachs stark ausgeholzt. Noch schaut die „Baustelle“ kahl aus. In ein, zwei Jahren werden Branntwein- und Chardonnaybach eingewachsen sein. Totholz und alte Wurzelstöcke bleiben liegen – als Lebensraum für Käfer und viele andere Arten. Das Bachbett wird in Absprache mit Schwabens Fischereifachberater Oliver Born nach und nach optimiert – so dass Strukturen entstehen, wo die Wasserlebewesen Unterschlupf finden und laichen können.

    Zehn Fakten zum Biber

    Biber bauen keine Dämme. In der Fachsprache heißen ihre Bauten "Biberburgen".

    Biber sind sehr anpassungsfähige Tiere und können auch Gräben oder Fischteiche besiedeln. Da sie schnell die Scheu vor Menschen und Autos verlieren, siedeln sie oft in Nähe bewohnter Gebiete.

    Eine Biberfamilie besteht aus einem Elternpaar und zwei Generationen von Jungtieren. Biberpaare bleiben sich ein Leben lang treu.

    In futterreichen Biber-Revieren reichen zwei Kilometer Uferlänge für eine ganze Biberfamilie. Die Revier-Grenzen werden heftig gegen fremde Artgenossen verteidigt.

    Der Biber sind nachtaktiv. Und: Sie schlafen im Winter nicht durch. Ihr dichtes Haarkleid schützt sie vor Kälte.

    Biber haben besonders viele Haare: An manchen Stellen des Bauches wachsen pro Quadratzentimeter über 20.000 Haare. Zum Vergleich: unsere Kopfhaut bringt es auf 300 Haare pro Quadratzentimeter.

    Die Zähne der Biber schärfen sich von selbst und wachsen ständig nach.

    Ihre Biberburgen isolieren die Tiere im Winter mit Schlamm. Im Sommer tragen sie die Schicht wieder ab. So funktioniert die Wärmeregulierung in der Burg stets optimal.

    Biber werden bis zu 40 Kilogramm schwer. Beim Tauchen verschließen sie Nase und Ohren und können so bis zu 20 Minuten unter Wasser bleiben.

    Ihr unbehaarter Schwanz - genannt Kelle - dient beim Schwimmen und Tauchen als Steuerhilfe. Auch regeln Biber über den Schwanz ihre Körpertemperatur.

    Das Pilotprojekt im Norden der Stadt Augsburg soll schon bald auf den Lech bei Feldheim (Kreis Donau-Ries) übertragen werden. Dort soll im Auwald – ähnlich wie am Branntweinbach – in einem alten Seitenbach des Lechs ein Umgehungsbach entstehen. Auf diesem Weg können die Fische um die Staustufe wandern, so die Idee. Es ist eine natürliche Alternative zur technischen Fischtreppe aus Beton.

    Geplant ist laut Klocke zunächst eine 100 Meter lange Musterstrecke, die über einen begrenzten Zeitraum mit Wasser „bespannt“ wird. Im Gegensatz zu dem Projekt in Augsburg ist hier die nächste Bebauung nur 500 Meter entfernt. Klocke weiß, dass alles, was mit Wasser zu tun hat, ein sensibles Thema ist. Denn da kommt sofort die Angst auf, die Keller könnten nass werden.

    Die BEW setzen deshalb von Anfang an auf einen offenen Dialog mit der Bevölkerung. „Wir wollen die Leute mitnehmen“, sagt Klocke. Es wird begleitend ein groß angelegtes Grundwassermonitoring geben, jede Stunde werden die Pegel gemessen. Die Messergebnisse bekommen alle an die Hand.

    Im Oktober soll es losgehen. „Nach der Pilotphase werden wir die Bürger fragen: Wollt ihr die natürliche Fischwanderhilfe auf der ganzen zwei Kilometer langen Strecke?“ Klocke macht auch noch mal klar: Die BEW betreiben den Aufwand nicht zum eigenen Vergnügen. Die Wasserrahmenrichtlinie der EU schreibt vor, dass die Fließgewässer durchgängig gemacht werden müssen. „Und das ist eine Gemeinschaftsaufgabe.“

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