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Digitale Medien: Immer mehr Tablet-Klassen in Bayern

Digitale Medien

Immer mehr Tablet-Klassen in Bayern

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    Die Tablets gehören zum Unterricht dazu: Seit rund einem Jahr arbeiten die Schülerinnen der jetzigen 8a an der  „Mädchenrealschule“  St. Ursula in Augsburg hauptsächlich damit.
    Die Tablets gehören zum Unterricht dazu: Seit rund einem Jahr arbeiten die Schülerinnen der jetzigen 8a an der „Mädchenrealschule“ St. Ursula in Augsburg hauptsächlich damit. Foto: Michael Hochgemuth

    Elenas Gleichung geht nicht ganz auf. Mit ihrem rosafarbenen Stift, aus dessen Spitze ein halbrundes Stück Gummi herausragt, „radiert“ sie eine der Zahlen aus. Das geht sekundenschnell, durch eine kurze Berührung des Bildschirms. Denn Elena nutzt wie ihre Klassenkameradinnen ein Tablet. Die 13-Jährige geht in die 8a der Mädchenrealschule St. Ursula in Augsburg. Eine sogenannte „Tablet-Klasse“, in der die Mehrzahl der Fächer mithilfe des digitalen Endgeräts vermittelt wird.

    In Bayern gibt es 120 "Tablet-Klassen"

    Dieses spielt in den bayerischen Schulen mittlerweile eine immer größere Rolle. Nach Angaben des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus besonders an Gymnasien und Realschulen. Insgesamt sind an über 600 bayerischen Schulen Tablets vorhanden, die die Lehrer im Unterricht einsetzen können. An 200 Schulen werden diese regelmäßig genutzt. Und 50 von diesen haben sogar mindestens eine Tablet-Klasse, von denen es derzeit etwa 120 gibt. Noch 2014 war diese Zahl nur halb so groß.

    Das Medium breitet sich in Schulen also rasant aus. Für die Schülerinnen der 8a ist das kein Wunder. Schließlich hat es jede Menge Vorteile: „Der Unterricht ist viel abwechslungsreicher und lustiger“, sagt zum Beispiel Sophie. „Und wenn man mal krank ist, kann man die Aufgaben, die die anderen im Unterricht gemacht haben, ganz einfach abfotografieren.“

    Viele Apps und Möglichkeiten, aber kaum digitale Lehrbücher

    In ihrem Klassenraum ist in dieser Mathestunde – wie so oft – die Tafel ganz nach unten geschoben, weil sie nicht benötigt wird. Ein Beamer wirft stattdessen all das an die Wand, was Lehrer Werner Seifried auf seinem Tablet den Mädchen vorrechnet. Er hat die Tablet-Klasse, von der es mittlerweile noch eine zweite an der Schule gibt, vor einem Jahr ins Leben gerufen. In Zukunft soll es von der siebten bis zur zehnten Jahrgangsstufe immer jeweils eine dieser besonderen Klassen geben.

    Mathe, Deutsch, Englisch, Erdkunde – das Gerät wird in fast jedem Fach eingesetzt. In Mathe in so ziemlich jeder Stunde, in anderen Fächern nur ab und zu. Schließlich sind nicht alle Lehrer so technikaffin wie Seifried, der von sich selbst sagt: „Ich bin ein Computer-Mensch.“

    Als Computer-Mensch und Lehrer kennt Seifried natürlich einige Apps für den Unterricht. „Wir haben am Anfang zu viele eingesetzt“, muss er zugeben. „Mit der Zeit sind wir da vorsichtiger geworden. Man darf die Kinder nicht mit Vielfalt überfordern.“ Bei digitalen Lehrbüchern hingegen besteht diese Gefahr weniger. Denn von vielen Büchern gebe es gar keine Version für das Tablet, wie Seifried bemängelt.

    Dieses Problem kennt auch Konrektor Dirk Hampel von der Realschule Bobingen, in der es in der fünften bis achten Jahrgangsstufe jeweils eine Tablet-Klasse gibt. „Unser Ziel war ursprünglich, in diesen Klassen ganz auf digitale Schulbücher umzustellen“, sagt er. Das sei aber nicht möglich, weil die Verlage noch bis vor einigen Jahren die digitalen Rechte nicht geklärt hätten. In der Anfangszeit des digitalen Schulbuchs war nämlich in den bestehenden Lizenzverträgen die digitale Komponente meist noch gar nicht vorgesehen. Es mussten also Zusatzverträge und Nachlizensierungen vorgenommen werden. Das klappte offenbar nicht immer. Aus dem bayerischen Bildungsministerium heißt es, dass derzeit noch entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, „sodass die Schulbuchverlage passende Angebote machen können“. Gerade Bücher, die einen hohen Anteil an Fremdtexten beinhalten, also zum Beispiel Lesebücher, können auch heute oftmals nicht digital verwertet werden.

    Schulen wünschen sich interaktives Lernmaterial - und werden selbst aktiv

    Aber selbst wenn das klappt: „Das sind ja meistens platte PDFs“, sagt Peter Kosak. Er ist Schulleiter am Maria-Ward-Gymnasium, das bereits 2012 die erste Tablet-Klasse eingeführt hat. Interaktive Schulbücher mit eingebauten Videos, weiterführenden Links, 3-D-Ansichten oder anderen zusätzlichen Elementen gebe es so gut wie gar nicht. „Die Verlage sind sehr zögerlich“, kritisiert Kosak. „Die haben das Geschäftsmodell noch nicht erkannt.“ Dabei gäbe es allein an seiner Schule sicherlich einige Abnehmer – mittlerweile lernt dort eine zehnte, elfte und zwölfte Klasse hauptsächlich mit dem flachen Computer. Und auch in den „normalen“ Klassen kämen rund 60 schuleigene Tablets ab und zu zum Einsatz.

    Die Verlage verweisen währenddessen darauf, dass sie „bereits seit vielen Jahren digitales Unterrichtsmaterial“ entwickeln und an der Anfertigung von multimedialen Inhalten für Schulbücher arbeiten würden. Aber offenbar nicht genug. Denn der Mangel an geeigneten digitalen Büchern hat die Schulen auch erfinderisch gemacht. Einige Lehrer erstellen laut Kosak eigene interaktive Bücher und auch Apps. „Das ist natürlich eine Zusatzbelastung“, sagt er.

    Trotzdem heißt es auch am Albrecht-Ernst-Gymnasium in Oettingen: „Bücher fürs Tablet? Die machen wir selber!“ Günther Schmalisch sagt das, der stellvertretende Schulleiter. An seinem Gymnasium gibt es zwar keine Tablet-Klasse, aber die Schüler haben in allen Jahrgangsstufen die Möglichkeit, in offenen „Lernlandschaften“ die digitalen Geräte zu nutzen. Eigen erstelltes Material, das an dieser Schule auch sonst sehr häufig zum Einsatz kommt, hat in Schmalischs Augen auch einige Vorteile: Die Lehrer können es in verschiedenen Schwierigkeitsgraden erstellen und es an die unterschiedlichen Interessen der Schüler angleichen. Vor allem Buben und Mädchen würden sich schließlich oft für unterschiedliche Dinge interessieren, so Schmalisch.

    Schüler nutzen Tablet für "hochprofessionelle" Präsentationen

    Gleichzeitig sind die digitalen Unterrichtsmaterialien vielleicht auch gar nicht ganz so wichtig. Denn die Schulen haben alle festgestellt: Das Tablet trägt vor allem dazu bei, dass die Schüler das Präsentieren lernen. Sie bereiten im Internet Recherchiertes für ihre Mitschüler auf oder stellen ihre Hausaufgaben vor der gesamten Klasse vor. Am Maria-Ward-Gymnasium sei das „das tägliche Brot“, wie Schulleiter Kosak sagt. Und auch deshalb seien die Präsentationen „hochprofessionell“.

    Das vielseitige Lernen mit dem Tablet geht also trotzdem auf. So wie letztendlich auch Elenas Gleichung.

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