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Anklage: Staatsanwaltschaft klagt ehemaligen Kämmerer von Landsberg an

Anklage

Staatsanwaltschaft klagt ehemaligen Kämmerer von Landsberg an

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    Das Gebäude der Stadtverwaltung in Landsberg mit dem Kämmereibüro im ersten Stock.
    Das Gebäude der Stadtverwaltung in Landsberg mit dem Kämmereibüro im ersten Stock. Foto: Julian Leitenstorfer

    Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Ende Dezember 2011 machte der damalige Landsberger Oberbürgermeister öffentlich, dass die Kämmerei mit Derivaten gehandelt haben soll, ohne ihn und den Stadtrat darüber zu informieren. Es war der Beginn der Derivataffäre. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Augsburg Anklage gegen den ehemaligen Kämmerer wegen Untreue in zwei Fällen gestellt. Drei Mitarbeiter eines Tochterunternehmens einer Münchner Bank, die die Stadt berieten, sollen ihm dabei geholfen haben.

    Die Stadt geht von 8,3 Millionen Euro Schaden aus

    Seit Anfang Februar 2012 ermittelt die Staatsanwaltschaft in dem Fall. In dem komplexen Verfahren tauchten immer wieder neue Erkenntnisse und Dokumente auf. Zuletzt wurde ein Gutachten an die Beteiligten versandt, in dem die genaue Schadenshöhe festgestellt wurde. Die Stadt selbst, geht von einem Schaden in Höhe von 8,3 Millionen Euro aus und prozessierte deswegen auch, um den Verlust ausgleichen zu können. Die Klage wurde aber vor dem Landgericht München und dem Oberlandesgericht München abgewiesen. Jetzt strebt die Stadt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe an.

    Im März 2012 wurde der Kämmerer seines Dienstes enthoben

    Dem heute 67 Jahre alten Kämmerer wird nun von der Staatsanwaltschaft Augsburg zur Last gelegt, dass er im Juni 2008 beziehungsweise im Februar 2010 unzulässige, risikobehaftete Umschichtungen zur Zinssicherung vorgenommen hat, die schließlich in rein spekulativen Geschäften mündeten. Dabei soll er es auch unterlassen haben, die allein aufgrund des Umfangs der Geschäfte erforderliche Zustimmung der Stadt einzuholen. Im März 2012 wurde der Kämmerer von der Landesanwaltschaft Bayern vorläufig seines Dienstes enthoben, später kürzte die Landesanwältin Simone Widmann auch sein Ruhegehalt um 30 Prozent.

    Die Landsberger Derivataffäre

    Im Jahr 2004 beschließt der Landsberger Stadtrat, moderne Finanzinstrumente einzusetzen. Dazu zählen unter anderem Derivate. Allerdings soll die Kämmerei um Stadtkämmerer Manfred Schilcher in den Jahren 2008 und 2010 Geschäfte getätigt haben, die weder vom Kommunalrecht noch vom damaligen Beschluss des Stadtrats gedeckt waren.

    Im Frühjahr 2011 werden OB Ingo Lehmann die riskanten Finanzgeschäfte über den Kommunalen Prüfungsverband bekannt. Der Rathauschef schaltet daraufhin die Wirtschaftskanzlei Becker Bütner Held aus München ein, die die Angelegenheit untersucht.

    Am 28. Dezember 2011 informiert Ingo Lehmann erstmals öffentlich, dass die Stadt mit Derivatgeschäften über zwei Millionen Euro Verlust gemacht hat.

    Einen Tag später bestreitet Kämmerer Manfred Schilcher Vorwürfe, er habe vier Finanzgeschäfte getätigt, ohne Finanzausschuss und Oberbürgermeister zu informieren.

    Am 30. Januar 2012 leitet die Landesanwaltschaft Bayern ein Disziplinarverfahren gegen Manfred Schilcher ein. Unmittelbar danach entbindet ihn Ingo Lehmann von der Verantwortung für die Kämmerei.

    Anfang Februar 2012 beginnt die Staatsanwaltschaft Augsburg mit ihren Vorermittlungen.

    Der Stadtrat beauftragt den Oberbürgermeister, Strafanzeige gegen die Münchner Niederlassung der Frankfurter Privatbank Hauck & Aufhäuser sowie das Beratungsunternehmen Hauck & Aufhäuser Finance Management (seit 2010 Finance Consulting) zu stellen.

    Am 23. Februar 2012 schreibt die Stadt die Stelle des Kämmerers neu aus.

    Überraschend wird Ingo Lehmann am 11. März 2012 bereits im ersten Wahlgang abgewählt. Zwei Wochen später gewinnt Mathias Neuner (CSU) die Stichwahl gegen Ludwig Hartmann (Grüne).

    Die Landesanwaltschaft enthebt Manfred Schilcher am 13. März 2012 vorläufig des Dienstes. Gleichzeitig wird gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue eingeleitet.

    Knapp eine Woche später leitet die Landesanwaltschaft ein Disziplinarverfahren gegen den noch amtierenden Oberbürgermeister Ingo Lehmann ein. Gleichzeitig werden die laufenden Verfahren gegen Schilcher und Lehmann ausgesetzt. Die Landesanwaltschaft begründet dies mit den gleichzeitigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg.

    Mitte Oktober 2012 wird bekannt, dass sich der Gesamtverlust aus den Derivatgeschäften allein für 2012 auf 1,6 Millionen Euro summiert. Insgesamt liege der potenzielle Schaden, der der Stadt aufgrund der Zinsgeschäfte entstehen könnte, nach Hochrechnungen und Einschätzungen bei 6,2 bis 6,8 Millionen Euro.

    Am 4. Juni 2013 wird im Zivilprozess Stadt Landsberg gegen das Bankhaus Hauck & Aufhäuser erstmals vor dem Landgericht München I verhandelt. Dabei lehnt die Stadt eine von Richterin Ingrid Kerschner ins Spiel gebrachte Mediation ab. Der Prozess soll am 8. Oktober 2013 fortgesetzt werden.

    Der Stadtrat bestätigt die Haltung der Stadt am 12. Juni und stimmt in nicht öffentlicher Sitzung gegen eine Mediation.

    In der Sitzung, in der Rechtsanwalt Martin Hoffschmidt die Argumente der Stadt ausführlich darlegt, fällt der Name Martin Zeil (FDP). Bayerns Wirtschaftsminister war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rahmenvertrags mit der Stadt Landsberg Leiter der Rechtsabteilung bei Hauck & Aufhäuser sowie Geschäftsführer der Tochtergesellschaft Hauck & Aufhäuser Finance Management.

    Am Tag nach der Sitzung will sich Zeil bei Stadtrat Jonas Pioch über die Sitzung informieren. Pioch macht dies, und einen Anruf des Parlamentarischen Geschäftsführer der Landtagsfraktion Tobias Thalhammer (beide FDP), öffentlich. Daraufhin tritt der Kreisrat und stellvertretende Bezirksvorsitzende der FDP, Markus Wasserle aus Windach, zurück.

    Den angeklagten Beratern wird vorgeworfen, dem städtischen Kämmerer spekulative Derivate ohne Bezug zu einer Zinssicherung eines Kredits empfohlen zu haben. Dies sollen die drei Männer im Alter zwischen 37 und 43 Jahren im Oktober 2009 in einer Stellungnahme wahrheitswidrig bescheinigt haben.

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