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Kerosin: Tonnenweise Treibstoff über Bayern

Kerosin

Tonnenweise Treibstoff über Bayern

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    Wenn ein Flugzeug Kerosin ablassen will, gibt es strenge Vorschriften.
    Wenn ein Flugzeug Kerosin ablassen will, gibt es strenge Vorschriften. Foto: Daniel Naupold, dpa (Symbolbild)

    Es ist das, was sich keiner wünscht: Ein Flugzeug hebt ab, kurz nach dem Start gibt es technische Probleme. Der Pilot muss wieder schnell zurück an den Boden. Doch der vollgetankte Flieger ist zu viel schwer zum Landen. Fahrwerk und Bremsen sind für so eine Belastung nicht ausgelegt. In solchen Situationen lässt der Pilot Treibstoff ab, um Gewicht zu verlieren und sicher landen zu können. „Das sind Ausnahmen“, erklärt Markus Wahl, Sprecher der Vereinigung Cockpit. Fälle, die im Laufe einer 30-jährigen Pilotenlaufbahn „vielleicht fünf oder sechs Mal vorkommen“.

    28 Fälle dieser Art wurden in Bayern seit 2012 gemeldet. Und dabei wird tonnenweise Kerosin in die Luft gepumpt. Allein in den Jahren 2015 und 2016 haben Flugzeuge 410,5 Tonnen Treibstoff über dem Freistaat abgelassen – mehr als in jedem anderen Bundesland. Bezieht man die Zahlen auf die vergangenen fünf Jahre, liegt Bayern auf Platz zwei – hinter Rheinland-Pfalz. Diese Zahlen hat die Bayerische Staatsregierung auf Anfrage von SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher herausgegeben.

    Über Thannhausen und Kempten etwa wurde Kerosin abgelassen

    Die technische Möglichkeit, Kerosin abzulassen, haben nur vierstrahlige Langstreckenflugzeuge, erklärt Wahl. Zulässig ist sie nur im Notfall – etwa wenn ein Flugzeug technische Probleme hat oder ein Passagier einen Herzinfarkt erlitten hat. Den „Treibstoffschnellablass“ muss der Pilot bei der Flugsicherung anmelden. Diese weist ihm dafür ein großflächiges Gebiet zu.

    Warum es gerade über Bayern so viele Fälle gibt, in denen Kerosin abgelassen wurde? Sandra Teleski, Sprecherin der Deutschen Flugsicherung, erklärt das mit den beiden großen Großflughäfen in München und Frankfurt, wo viele Langstreckenmaschinen landen. Bestimmte Regionen im Freistaat, über denen der Treibstoff abgelassen werde, gebe es nicht. Die Flugsicherung schickt die Piloten in Gegenden, die dünn besiedelt sind und in denen wenig Flugverkehr herrscht.

    Die technische Möglichkeit, Kerosin abzulassen, haben nicht alle Flugzeuge.
    Die technische Möglichkeit, Kerosin abzulassen, haben nicht alle Flugzeuge. Foto: Andreas Gebert, dpa (Symbolbild)

    Wo genau es in der Region solche Fälle von „Treibstoffschnellablass“ gab, geht aus einer Liste der Bundesregierung vom Oktober 2016 hervor. In der Gegend um Thannhausen (Kreis Günzburg) wurden 2015 und 2016 jeweils 51 Tonnen Kerosin abgelassen, im Bereich Kempten führte die Statistik seit 2015 drei Fälle auf – ein Mal wurden 24 Tonnen, ein Mal 67 Tonnen Treibstoff abgelassen. Im dritten Fall war die Menge nicht bekannt.

    Kritiker sagen: Feinste Keronsintröpfchen können den Boden erreichen

    Doch was bedeutet es, wenn Treibstoff in einer Höhe von 1800 Metern in der Luft landet? Welche Folgen hat das für Mensch und Umwelt? Die Staatsregierung betont, dass „keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die bayerische Bevölkerung“ bekannt seien. Die Bundesregierung kommt in ihrem Papier zu dem Schluss, dass „das Kerosin mit Hochleistungspumpen in kleinste Tröpfchen verwirbelt und von den Turbulenzen hinter dem Flugzeug zu einem feinen Nebel verteilt wird“. Der „weitaus größte Teil des Nebels“ verdunste in höheren Luftschichten und verbleibe in der Atmosphäre.

    Rein rechnerisch dürften demnach acht Prozent der insgesamt abgelassenen Kerosinmenge den Erdboden erreichen. Kritiker verweisen allerdings darauf, dass durchaus feinste Kerosintröpfchen den Boden erreichen können – etwa, wenn die Flugzeuge niedriger fliegen oder es stark regnet. Wie man weiß, sind Mineralölkohlenwasserstoffe im Kerosin – zumindest hoch konzentriert – giftig.

    Eine Untersuchung des TÜV Rheinland hält die Kerosin-Belastung am Boden dagegen für vernachlässigbar. Die Studie stammt allerdings aus dem Jahr 1997.

    Umweltminister der Länder lassen Gutachten erstellen

    Der bayerischen SPD reichen diese Daten nicht. Fraktionschef Rinderspacher fordert daher ein „transparentes Informationsmanagement des zivilen und militärischen Luftverkehrs und ein Messnetz, das funktioniert“. Zudem sei eine Studie über die gesundheitlichen Risiken überfällig, da es keine validen Daten über die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt gebe. Zu diesem Schluss sind auch die Umweltminister der Länder gekommen. Im Mai haben sie ein neues Gutachten zum Thema beschlossen (mehr dazu lesen Sie hier). Die Ergebnisse sollen Ende 2018 vorliegen. Der Anstoß dafür kam aus Mainz. Denn in der Pfalz ist der Kerosinregen seit Jahren ein viel diskutiertes Thema. Dort macht man vor allem den militärischen Flugverkehr für das Problem verantwortlich.

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