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Wissenschaft: Was hinter kuriosen bayerischen Ortsnamen steckt

Wissenschaft

Was hinter kuriosen bayerischen Ortsnamen steckt

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    Katzenhirn
    Katzenhirn Foto: Willhelm Unfried

    Gemeinsam mit der Journalistin Susanne Franke hat der Namensforscher Stefan Hackl die Bedeutung von ungewöhnlichen bayerischen Ortsnamen aufgedeckt. In dem Buch "Die Wahrheit über Pumpernudel" versammeln sie nun die 111 kuriosesten Fälle. Ein Gespräch über die Entstehung von Ortsnamen wie "Mantel" und "Elend".

    Guten Tag, Herr Hackl, Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Bedeutung von Ortsnamen wie "Katzenhirn" oder "Bürstenstiel" herauszufinden. Stimmt es also gar nicht, dass die Sprachwissenschaft eine etwas, nun ja, dröge Veranstaltung ist?

    Hackl: Natürlich nicht. Sonst würde ich in dem Fachgebiet kaum meine Dissertation schreiben. Als Sprachwissenschaftler arbeitet man eher wie ein Detektiv.

    Aha.

    Hackl: Ja. Die ursprüngliche Herkunft und Bedeutung eines Namens herauszufinden, das hat sehr viel mit Spurensuche zu tun. Man braucht Instinkt, Glück, muss alte Schriftzeichen richtig lesen können. Und man darf sich nicht täuschen lassen.

    Wer sollte einen denn täuschen?

    Hackl: Die heutige Gestalt der Wörter und Namen. In diesem Fall: die Ortsnamen, deren Ursprung wir aufspüren wollen. In den allermeisten Fällen haben sich Ortsnamen während der Jahrhunderte verändert. Ich muss als Sprachwissenschaftler versuchen, an den Anfang zu kommen, an den Punkt, wo etwas beginnt. Sonst kann ich nichts verstehen. Je älter eine schriftliche Quelle ist, die den betreffenden Ortsnamen festhält, desto besser.

    Ab wann ist eine Quelle alt genug und damit gut genug?

    Hackl: Das kann man nicht so pauschal sagen. Manchmal, wie bei Augsburg oder Regensburg, reicht die Namensgeschichte bis in die Antike zurück. Viele Siedlungen in Bayern wurden allerdings erst im Früh- und Hochmittelalter gegründet, also zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert. Um einen Ortsnamen korrekt deuten zu können, muss man sich immer zuerst deren Siedlungsgeschichte ansehen - und dann auf die Suche nach kirchlichen oder weltlichen Urkunden und anderen Quellen gehen, in denen der Name zum ersten Mal verzeichnet ist. Dann wird man oft überrascht sein.

    Ein Beispiel bitte.

    Hackl: Zum Beispiel "Pumpernudel", der Ortsname in unserem Buchtitel. So heißt eine Einöde in der Gemeinde Sankt Wolfgang im Landkreis Erding. Wir haben historische Schriftstücke aus der Gegend gefunden, eines aus dem Jahr 1450. Dort stand noch geschrieben "Pumperluren".

    Klingt jetzt auch nicht viel besser...

    Hackl: Mag sein. Aber der Name ist so viel verständlicher.

    Wir sind gespannt.

    Hackl: Nun, "pumpern" bedeutet im Mittelhochdeutschen so viel wie "hämmern, pochen, lärmend fallen" und "luren" heißt im Bairischen so viel wie "horchen". "Pumperlur" könnte also der Spottname für jemanden gewesen sein, der dort wohnte und durch ziemliche Tollpatschigkeit auffiel, wenn er heimlich etwas zu beobachten versuchte. Nach diesem Spottnamen für einen Bewohner konnte dann der Einödhof benannt worden sein.

    Und wie wurde es zu "Pumpernudel"?

    Hackl: Wahrscheinlich konnten die Schreiber in den Ämtern irgendwann mit dem Begriff "luren" nichts mehr anfangen, und haben ihn willkürlich durch das ihnen geläufigere Wort "Nudel" ersetzt. Das Wort "Pumpernudel" findet man jedenfalls ab 1832 in bayerischen Ortsverzeichnissen.

    Einzelne Personen haben früher ganzen Ortschaften ihren Namen gegeben?

    Hackl: Ja, das war durchaus üblich. Entweder waren es Vornamen oder Familiennamen oder vor allem auch Naturbegebenheiten. Nehmen Sie zum Beispiel die kleine oberpfälzische Marktgemeinde "Mantel".

    Gern.

    Hackl: Dieser Ortsname hat nichts mit dem Kleidungsstück zu tun, das könnte man ja im ersten Moment denken. In Wahrheit aber bezeichnete das Wort "mantel" im Mittelhochdeutschen, also zur Entstehungszeit dieser Siedlung, schlicht eine "Föhre", eine Kiefer. Und tatsächlich hat es früher rund um den Markt Mantel einen großen Mischwald mit vielen Föhren gegeben.

    Weiter. Was hat es mit dem hübschen Ortsnamen "Speck" auf sich?

    Hackl: Das kommt vom mittelhochdeutschen Wort "specke" und bedeutet "Knüppelbrücke". Es bezeichnete einen Dammweg in sumpfiger Gegend. An einem der drei Speck-Orte in Bayern wurden wirklich Überreste einer Art Brücke aus Rundhölzern gefunden, auf der man Sumpfgebiete überqueren konnte.

    Und "Elend"?

    Hackl: Ja, unglaublicherweise gibt es diesen Ort gleich sieben Mal in Bayern. Elend ist an diesen aber gar nichts. Der Begriff leitet sich vielmehr von dem Wort "ellende" ab, was im Mittelalter ein fremdes, einsames, unwirtliches Land bezeichnete. Wer sich in dem Ort "Elend" befand, stand ursprünglich also auf einem recht abgelegenen oder besonders unfruchtbaren Landstück.

    Zum Schluss erklären Sie uns bitte, was hinter dem Namen "Ende" steckt.

    Hackl: Das ist der Name eines Einödhofes im Kreis Günzburg, und er scheint ziemlich jung zu sein. Erstmals ist er 1712 bezeugt, 1835 heißt der Hof noch "beim Enderbauern", 1844 dann "Ende". Die Einöde, ein Gasthaus, liegt tatsächlich am Ende des Kirchdorfes Oberbleichen an der Straße nach Krumbach.

    Interview: Jan Chaberny

    Buch

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