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Leitartikel: Es wird ein Tag der Wahrheit

Leitartikel

Es wird ein Tag der Wahrheit

Tobias Schaumann
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    Es wird ein Tag der Wahrheit
    Es wird ein Tag der Wahrheit

    Der 18. Mai 2012 könnte in die Wirtschaftsgeschichte eingehen. Facebook, das größte soziale Netzwerk der Welt, soll an diesem Tag an die Börse gebracht werden. Erstmals tippte das Wall Street Journal jetzt auf das konkrete Datum. Um den Zeitpunkt wurde wild spekuliert. Allein das zeigt: Dies ist kein „normaler“ Börsengang. Ob der Startschuss einige Tage früher oder später fällt, spielt normalerweise keine große Rolle.

    Im Fall Facebook ist das anders. Denn es wird ein Tag der Wahrheit. Wie viel Substanz steckt in einem Unternehmen, das nichts herstellt, aber die Welt verändert? Was ist das Imperium des jungenhaften Mark Zuckerberg wirklich wert?

    Diese entscheidenden Fragen blieben bislang unbeantwortet. Was nicht heißt, dass Facebook keine wirtschaftlichen Erfolge vorweisen könnte. Rund eine Milliarde Dollar hat Facebook im vergangenen Jahr verdient. Das Geschäftsmodell, exakt auf einzelne Personen zugeschnittene Werbung zu verkaufen, scheint zu tragen. Zuletzt jedoch verlangsamte sich das Wachstum. Jetzt rätseln die ersten Pessimisten, ob Zuckerbergs Goldesel chronisch kränkelt.

    Anderen Netzwerken geht es allerdings keinesfalls besser. Sie versinken in der Bedeutungslosigkeit. In Scharen laufen Mitglieder zu Facebook über. Selbst der mächtige Suchmaschinenkonzern Google schafft es bis heute kaum, eine eigene Online-Gemeinschaft nennenswerter Dimension aufzubauen. Spinnt man den Faden weiter, ist das Internet bald nicht mehr das Internet. Sondern es ist Facebook und Google. Die Nutzer laufen Gefahr, zwischen den Fronten zerrieben zu werden.

    Die Internet-Giganten sind nicht zimperlich, wenn es darum geht, Menschen für sich zu vereinnahmen. Zuckerberg betreibt dieses Business phänomenal. Er hat die Hoheit über einen digitalen Stammtisch, an dem sich mittlerweile 900 Millionen Mitglieder weltweit versammeln. Darin besteht das eigentliche Kapital von Facebook. Die Nutzer sitzen nicht nur da, sondern sie „posten“, wie es im Facebook-Jargon heißt. Sie erzählen aus ihrem Leben, verraten, was ihnen gefällt, legen offen, mit wem sie befreundet sind. Für Zuckerberg sind diese persönlichen Informationen gut vermarktbar.

    Aber reicht das für eine erfolgreiche Kapitalmarkt-Story? Optimisten taxieren den Börsenwert auf märchenhafte 100 Milliarden Dollar. Damit wäre Facebook schwerer als die Dax-Spitzenreiter Siemens und Volkswagen. Der Börsenwert entspräche dem Hundertfachen des Gewinns.

    Solche Zahlenspiele erinnern an die vergessen geglaubten Zeiten der New Economy, als ein bisschen Fantasie mehr zählte als solides Unternehmertum. Der Ausgang damals – der Absturz eines ganzen Marktsegments – ist bekannt.

    So weit muss es diesmal nicht kommen. Die Internetwirtschaft ist besser als ihr Ruf. Verglichen mit den Hasardeuren der Jahrtausendwende geht Zuckerberg als seriöser Geschäftsmann durch. Der Slogan „Tue nichts Böses“, der eigentlich den Google-Gründern zugeschrieben wird, passt auch auf Facebook. Das führende soziale Netzwerk ist nichts Schlechtes. Es ist das, was die Nutzer daraus machen.

    Selbst die Facebook-Kritiker wird der Kapitalmarkt-Start in seinen Bann ziehen. Es gibt viele, die Zuckerberg gerne scheitern sehen würden – darunter Menschen, die mit den Hervorbringungen des digitalen Zeitalters wenig anfangen können oder wollen. Den realen Lockruf des Geldes, vernehmbar vor jedem Börsengang, hören sie aber auch. Für die Frage „Zeichnen oder nicht?“ ist es wohl zu früh. Nur so viel: Wer einem Unternehmen nicht traut, lässt besser die Finger von der Aktie.

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