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Bayerische Vetternwirtschaft

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Bayerische Vetternwirtschaft

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    Walter Roller
    Walter Roller

    Auf den ersten Blick mutet das Vergehen des SPD-Politikers Harald Güller, den Stiefsohn zwei Monate auf Staatskosten beschäftigt zu haben, nicht so gravierend an, dass deshalb eine Karriere zu Ende gehen müsste. Auf den zweiten Blick hingegen zeigt sich: Der Rücktritt Güllers von seinen Ämtern als Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion und Vorsitzender der schwäbischen SPD war unausweichlich.

    Erstens liegt ein Gesetzesverstoß vor, weil die Beschäftigung von Verwandten ersten Grades 2009 schon lange verboten war. Zweitens ist ein Politiker, der ein Ermittlungsverfahren am Hals hat, nicht handlungsfähig. Drittens wäre jeder Versuch Güllers, die Sache mitten im Wahlkampf auszusitzen, am Einspruch der Parteioberen gescheitert. Es tut nichts zur Sache, ob Güller aus eigener Einsicht oder auf Druck gegangen ist. Ausschlaggebend war, dass ein in seinen Ämtern verbleibender Geschäftsführer die Hoffnung der SPD, aus der Verwandtenaffäre doch noch politisches Kapital schlagen zu können, vollends vereitelt hätte. Man kann halt nicht Tag für Tag von einem hohen moralischen Podest aus auf die CSU zeigen und dann in eigener Sache beide Augen zudrücken. Also musste Güller gehen, um Udes großer Wahlkampferzählung über die Wiederauferstehung des alten CSU-Amigo-Systems noch mehr geneigte Zuhörer zu verschaffen.

    Allerdings ändert auch dieser Rücktritt nichts daran, dass die moralische Entrüstung der SPD über die Fehltritte vieler Abgeordneter etwas gekünstelt wirkt. Zwar hat sich die regierende CSU, was teilweise ihrer schieren Masse an Abgeordneten und prominenten Kabinettsmitgliedern geschuldet ist, bei der systematischen Aufbesserung von Familienkassen besonders hervorgetan. Und es sind die CSU-Politiker Georg Schmid und Georg Winter, die in besonderer Weise den Verlust jeden Augenmaßes verkörpern. Aber nach allem, was nun bekannt ist, sind alle Regelungen zur Beschäftigung von Familienangehörigen von CSU und SPD gemeinsam beschlossen worden. Die Vetternwirtschaft mitsamt der Besoldung von Verwandten zweiten und dritten Grades war eben ein Teil des Landtagssystems, ohne dass je eine Überprüfung der Mitarbeiter-Verhältnisse erfolgt wäre. Man hat alle Warnungen in den Wind geschlagen, die 2000 beschlossene „Altfall-Regelung“ einfach weitergeführt und keine Sekunde bedacht, dass rechtlich korrektes und moralisch einwandfreies Handeln zwei Paar Stiefel sein können und die Bürger heutzutage viel sensibler auf parlamentarische Missstände reagieren.

    Es ist dieser Mangel an Gespür dafür, was sich gehört (früher Anstand genannt), der diese Affäre kennzeichnet. Es ist dieser mangelnde Wille zur Transparenz, der hier zum Vorschein kommt. Ein Landtag, der in seltener Geschlossenheit ein fragwürdiges System wegen privater Interessen über viele Jahre hinweg am Leben erhält: Das ist der eigentliche Kern dieser Affäre, die dem Ansehen der Politik insgesamt schweren Schaden zufügt und allen beteiligten Parteien einen Vertrauensverlust einträgt.

    Man wird sehen, wie weit der Aufklärungseifer des Parlaments nun wirklich reicht und wie es bestellt ist um die Bereitschaft zu einer gründlichen Reform des zu teuren Politikbetriebes. Beides ist jedenfalls vonnöten, um den arg lädierten Ruf des Landtags wieder zu verbessern. Und der Wähler? Er urteilt im Herbst über diese Affäre, die einstweilen nur Verlierer kennt. Die Ausgangsposition der in das Selbstbedienungs-System eingebundenen SPD jedenfalls scheint sich durch diese spezielle bayerische Amigo-Geschichte nicht verbessert zu haben.

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