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Kommentar: Das verklärte Bild der Landwirtschaft

Kommentar

Das verklärte Bild der Landwirtschaft

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    Das verklärte Bild der Landwirtschaft
    Das verklärte Bild der Landwirtschaft

    Es könnte eine Woche der Weichenstellungen für die Bauern werden. In Brüssel wird in diesen Tagen um die Agrarreform gerungen. Es geht um die ökologische Wende, vor allem aber darum, wie viel Geld künftig bei den Landwirten ankommt. Beim Deutschen Bauerntag stellt man sich die Frage, was Landwirtschaft im Jahr 2013 bedeutet.

    Wie jedes Mal, wenn die Branche in den Fokus rückt, wird ähnliche Kritik laut: dass die Politik Agrarfabriken statt Bauernhöfe fördere, dass sie Massentierhaltung und Monokulturen begünstige. Sachlich darüber zu diskutieren, was moderne Landwirtschaft heißt, scheint nahezu unmöglich. Allzu unvereinbar sind die Standpunkte, allzu ideologisch geprägt die Positionen. Klar ist nur: Das Misstrauen auf beiden Seiten ist groß. Das liegt vor allem auch daran, dass sich Bevölkerung und Landwirtschaft voneinander entfernt haben.

    So ist über die Jahre ein romantisch-verklärtes Bild der Landwirtschaft entstanden, das nicht der Realität entspricht. Viele stellen sich nur glückliche Kühe auf der Weide vor. Dass Landwirtschaft heute in erster Linie effiziente Nutztierhaltung bedeutet, passt nicht in diese Bilderbuch-Idylle.

    Die Mehrheit der Bürger hat den Bezug dazu verloren, wie ihre Nahrung erzeugt wird. Das gilt für Kinder, die lilafarbene Kühe malen, wie auch für Verbraucher, die einerseits mehr Tierschutz fordern, andererseits an der Kühltheke zur Billigware greifen. Wer aber nur kauft, was wenig kostet, verstärkt die Nachfrage nach Billiglebensmitteln, die nur industriell hergestellt werden können.

    Auf Dauer findet so eine Entwertung der Nahrungsmittel und der damit verbundenen Arbeit statt. Der Kunde akzeptiert längst nur noch genormte Ware. Krumme Gurken landen erst gar nicht im Regal, der abgelaufene Joghurt dafür im Müll. Das liegt daran, dass Nahrungsmittel viel zu billig sind. Je weiter sich der Verbraucher zudem vom Erzeuger entfernt, desto mehr verlernt er zu beurteilen, was genießbar ist.

    Für die Bauern ist es schwer, verlorenes Vertrauen wieder zu gewinnen

    Die Kunden sind kritisch – und verunsichert dazu. Wie schwer es für die Bauern ist, verlorenes Vertrauen zu gewinnen, zeigt sich am Beispiel Tierschutz. Dass eine tiergerechte Haltung nicht nur von der Bestandsgröße abhängt, dass hochmoderne Ställe einen Fortschritt für den Tierschutz bedeuten, betonen die Verbände seit langem. Doch selbst auf dem Dorf gibt es große Bedenken. Wo ein Landwirt einen neuen Stall plant, sind Bürgerinitiativen, die Gestank und Lärm fürchten, nicht weit. Bauern sehen sich vielerorts an den Rand gedrängt.

    Welchen Wert die Landwirtschaft für die Gesellschaft hat, dass Bauern nicht nur Nahrungsmittel erzeugen, sondern die Kulturlandschaft erhalten, gerät darüber in Vergessenheit. Davon profitiert nicht nur der Tourismus. Nach wie vor hängt jeder siebte Arbeitsplatz im Freistaat von der Branche ab.

    Die modernen Landwirte sind längst nicht mehr nur Viehhalter oder Ackerbauern. Viele führen heute spezialisierte Betriebe oder haben sich zusätzliche Standbeine aufgebaut, sind zugleich Energiewirte oder Urlaubsanbieter. In Zukunft werden sie vor allem Botschafter sein müssen – und für ein realistisches Bild der modernen Landwirtschaft eintreten. Mehr miteinander als übereinander reden, lautet die Devise. Wie das funktioniert, machen die Landfrauen vor, die seit Jahren zum Unterricht auf die Höfe einladen. Dass auch Stadtkinder dort spielerisch lernen, wo die Milch und wo die Schnitzel herkommen, ist von unschätzbarem Wert. Nur im Dialog ist es möglich, Vorurteile abzubauen und Verständnis bei den Verbrauchern zu schaffen.

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