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Leitartikel: Der Präsident – ein Anti-Vorbild

Leitartikel

Der Präsident – ein Anti-Vorbild

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    Walter Roller
    Walter Roller

    Politiker sind, wie man so schön sagt, auch nur Menschen. Menschen mit Stärken und Schwächen und Alltagssorgen, überdies verstrickt in die Widrigkeiten ständiger parteipolitischer Auseinandersetzung. Vielleicht hat es damit zu tun, dass Politiker die gerade bei jungen Menschen durchaus vorhandene Sehnsucht nach Vorbildern nicht erfüllen können.

    Zum Vorbild wird ein Mensch, der sich beispielhaft verhält und in anderen den Wunsch weckt, ihm nachzueifern – sei es durch Charakterstärke und persönliches Charisma, sei es durch uneigennütziges soziales Handeln. Die Mitglieder der politischen Klasse würden diesem hohen Anspruch auch dann nicht gerecht, wenn es mehr herausragende Köpfe gäbe und alle mehr an das Gemeinwohl als an ihre Karriere dächten. Es gab und gibt Politiker, die als Vorbilder empfunden und ausdrücklich benannt werden. Aber in der Regel geschieht dies erst dann, wenn sie entweder schon tot sind oder ihre aktive Zeit sehr lange zurückliegt.

    Das beste Beispiel ist der den Niederungen des politischen Geschäfts seit Jahrzehnten entrückte SPD-Altkanzler Helmut Schmidt. Er ist zum Vorbild auch in dem Sinne geworden, dass er Orientierung in den großen Fragen des Landes zu vermitteln weiß. Wenn die Deutschen nach ihren Vorbildern gefragt werden, dann fällt gelegentlich auch der Name Schmidt. Meist jedoch sind es die Eltern, die als Vorbilder dienen, gute Freunde oder Menschen, die ohne viel Aufhebens unerhört Gutes tun.

    Der raue, auf Polarisierung angelegte Betrieb der Politik ist offenkundig außerstande, Vorbilder im idealen Sinne zu liefern. Das gereicht der Politik so lange nicht zum Nachteil, als sie ihrer Pflicht zum vorbildhaften Verhalten nachkommt. Wer ein hohes öffentliches Amt bekleidet, der muss sich an strengeren Maßstäben messen lassen als der normale Bürger. Der darf zum Beispiel nicht auf eisernes Sparen drängen und sich selbst über Gebühr aus staatlichen Kassen bedienen. Die Vielzahl von Affären, die meist mit der Verquickung von Amts- und privatem Interesse zu tun haben, hat maßgeblich zu jener Politikerverdrossenheit beigetragen, die mit einem Vertrauensverlust in das ganze demokratische System einhergeht. Es gebe leider „zu viele Anti-Vorbilder“ in der Politik, hat die FDP-Politikerin Hamm-Brücher einmal zutreffend gesagt. Und mit jedem neuen Fall, der auf die mangelnde Integrität einzelner Politiker schließen lässt, ist ein zusätzlicher Ansehensverlust für die Politik verbunden. Wobei im Fall Christian Wulff erschwerend hinzukommt, dass es um den Träger des höchsten Staatsamtes geht. Der Bundespräsident lebt vor allem von seinem moralischen Kredit. Wer, wenn nicht das Staatsoberhaupt, muss über jeden Verdacht der Vorteilsnahme erhaben sein?

    Der Präsident ist die moralische Instanz der Politik. Er kann diese Aufgabe nur glaubwürdig erledigen, wenn er selber ohne Fehl und Tadel ist. Mit seinen Urlauben in den Villen gut situierter Freunde, dem 500000-Euro-Kredit eines befreundeten Unternehmerpaars und dem allzu langen Verschweigen der ganzen Wahrheit jedoch hat Wulff seiner Glaubwürdigkeit und dem hohen Amt Schaden zugefügt.

    Es ist keine Staatsaffäre, weil es kein Fall für den Staatsanwalt ist. Das Amt steht für Wulff, sofern es bei dem jetzt Bekannten bleibt, nicht auf dem Spiel. Aber der CDU-Politiker hat alles andere als vorbildhaft gehandelt. Er wird sich künftig noch schwerer tun, seine Rolle als Wächter über den politischen Betrieb und die guten Sitten auszufüllen. So wünschte man sich längst ein klares Wort von Wulff zur Schulden- und Kreditkrise. Die Frage ist nur, ob er die dazu nötige Autorität nach dieser persönlichen Kreditaffäre noch hat.

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