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Leitartikel von Markus Günther: Guttenbergs Fall

Leitartikel von Markus Günther

Guttenbergs Fall

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    Guttenbergs Fall
    Guttenbergs Fall

    Verblüffend war eher, wie lange es gedauert hat, bis Guttenberg und die Kanzlerin verstanden, dass die Lage ausweglos war. Aber war sie das wirklich? Die vielen Anhänger, die Guttenberg immer noch hat, können kaum glauben, dass läppische Fußnoten sein Ende besiegelt haben. War es nicht doch eine Hetzkampagne der Medien, der Neid falscher Freunde und die Missgunst seiner Feinde? Millionenfach sind diese Fragen in den letzten Tagen in Deutschland diskutiert worden. Über Guttenberg sind Freundschaften zerbrochen. Sein Fall spaltet die Nation.

    Das liegt daran, dass jedes Argument zu seiner Verteidigung auf den ersten Blick plausibel erscheint – bei genauerem Nachdenken aber doch nicht stichhaltig ist. Es ging eben nicht nur um Fußnoten, sondern um eine akademische Hochstapelei von besonderer Unverfrorenheit: Die Doktorarbeit enthält Hunderte von Plagiaten. Und es ist auch nicht plötzlich egal, ob einer einen Doktortitel trägt oder nicht. Richtig ist zwar, dass Titel in Deutschland immer noch überschätzt werden und der Doktortitel allein nicht viel aussagt über Intelligenz und Bildung. Aber wer den Titel wieder abgeben muss, steht in jedem Fall blamiert vor seinen Mitarbeitern und wird nicht mehr ernst genommen. In der Bundeswehr sind Offiziere sogar degradiert worden, wenn ihnen ein Plagiat nachgewiesen wurde. Und ausgerechnet beim Oberbefehlshaber sollte man fünfe gerade sein lassen? Nein, Guttenberg wird sich voraussichtlich sogar strafrechtlich verantworten müssen. Der Ausgang ist offen, aber allein die Ermittlungen hätten die Regierung womöglich über Monate belastet.

    Falsch ist auch die Interpretation, nur das schlechte Krisenmanagement sei ihm zum Verhängnis geworden. Wie hätte denn ein besseres Krisenmanagement aussehen sollen? Hätte Guttenberg eine Betrugsabsicht zugeben sollen? Hätte er einräumen müssen, dass ein bezahlter Ghostwriter die Arbeit geschrieben hat? Nein, es gab keine gute Erklärung für das, was geschehen ist. Deshalb war früh absehbar, dass aus dem Fall Guttenberg in Kürze Guttenbergs Fall werden würde.

    Es ist eine politische Ironie, dass hier nicht Links gegen Rechts kämpfte, sondern das Bürgertum selbst gespalten war und ist – in diejenigen, die ihre Hoffnungen auf Guttenberg gesetzt haben, und diejenigen, die bürgerliche Tugenden wie Geradlinigkeit, Fleiß und Redlichkeit gegen Guttenberg verteidigen wollten. Denn auch das gehört ja zum Drama der letzten Wochen: Nachdem Guttenberg und Merkel das Ganze verniedlicht hatten und als Lappalie abtaten („Blödsinn geschrieben“, „Fußnoten vergessen“, „... habe ihn nicht als Doktoranden eingestellt ...“), haben sich die versprengten Reste des Bürgertums gegen Guttenberg und Merkel formiert. Die Kanzlerin wollte ein Auge zudrücken und übersah, dass sie selbst, ihre Partei und letztlich die ganze politische Klasse in den Sog des Hochstaplers geraten würden.

    Hat also Merkel Guttenberg zum Rücktritt gedrängt? Die Kanzlerin suchte diesem Eindruck entgegenzuwirken, indem sie sich gestern selbst „überrascht“ zeigte und den Rücktritt nur „schweren Herzens“ angenommen haben will. Und CSU-Chef Seehofer sprach schon am Tag des Rücktritts davon, dass Guttenberg bestimmt noch eine zweite politische Karriere vor sich habe. In all dem zeigt sich die Angst vor dem Volkszorn: Auf keinen Fall wollen Merkel und Seehofer als diejenigen dastehen, die Guttenberg im Stich gelassen haben. Dafür ist er nach wie vor zu populär.

    Denn ein Teil des politischen Publikums hat Aufstieg und Fall Guttenbergs anders wahrgenommen. Er war der Hoffnungsträger, er war eine Projektionsfläche für die Sehnsüchte eines gründlich politikverdrossenen Volkes, er war eine Ausnahmeerscheinung, die Adel, Weltläufigkeit, Bildung, Glamour und Aufrichtigkeit zu verbinden schien. Dieses Bild hatte, genau betrachtet, freilich längst Risse bekommen, zumal Guttenberg die mediale Inszenierung seiner Person übertrieb. Für ein Foto der Bild-Zeitung flog er durch ganz Deutschland; keine Pose war ihm zu kühn. Doch die Geister, die er rief, wurde Guttenberg nicht mehr los. Die Kampagne der Bild in den letzten Tagen ließ ihn erst recht als Kunstobjekt medialer Inszenierung erscheinen und nährte den Zweifel an seiner politischen Glaubwürdigkeit.

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